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Selbstgemalt statt Selfie-Schnappschuss

Aaron Skiba25. November 2015

Im Rijksmuseum in Amsterdam sollen Besucher ab sofort Kunstwerke abzeichnen, statt sie ständig zu fotografieren. Auch bei anderen Museen in Europa stehen Smartphone & Co. auf der schwarzen Liste der Verbote.

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Niederlande Rijksmuseum in Amsterdam
Bild: picture-alliance/dpa/H. Wolfraum

Jeder erinnert sich gern an schöne Momente. Um die für immer festzuhalten, gibt es eine einfache Möglichkeit: Fotos machen. Besonders im Urlaub fotografiert fast jeder, egal, ob es touristische Sehenswürdigkeiten, Familienmitglieder oder Kunstwerke sind. In Museen ist Fotografieren allerdings nicht gerne gesehen. Zwischen unzähligen Besuchern ist für Fotoapparate und Smartphones meist sowieso kein Platz.

Zeichenblock statt Smartphone

Das Rijksmuseum in Amsterdam hat eine analoge Alternative zum Abfotografieren der Kunstwerke geschaffen: Zeichnen! Zeichnen! Zeichnen! Jeden Samstag, dem "Drawing Saturday", lädt das niederländische Kunstmuseum seine Besucher ein - oder zwingt sie vielmehr dazu - die Ausstellungsstücke abzuzeichnen, anstatt sie zu fotografieren. Laut Museum dient diese Kampagne einem sinnvollen Zweck: den Besuchern zu zeigen, dass man mehr sieht, wenn man beim Zeichnen genau hinschaut.

Smartphones machen den Museumsbesuch schnell zu einer oberflächlichen Erfahrung, weil man zuviel abgelenkt ist. Beim Zeichnen setzt sich der Besucher mit dem Kunstwerk viel intensiver auseinander und weiß es um so mehr zu schätzen – verrät die Webseite des Rijksmuseums. Zeichenblock und Bleistift bekommt man vom Museum spendiert, aber natürlich erst nachdem man den Eintrittspreis von 17,50 Euro bezahlt hat.

Schule des Sehens

Beim Rundgang durch die Ausstellung muss man spezielle Aufgaben erledigen. Zum Beispiel ein Gemälde abzeichnen oder eine Skulptur zu Papier bringen. Jede Aufgabe erfordert eine bestimmte Zeichentechnik. Wer der Überzeugung ist, dass er gar nicht zeichnen kann – kein Problem! Gleich neben dem Rijksmuseum gibt es eine museumseigene Zeichenschule, die der Architekt des Museums, Pierre Cuypers, schon 1885 gegründet hat.

Die eigenen Kunstwerke können dann gleich getwittert oder auf Instagram gepostet werden. Dazu verwendet das Museum die Hashtags #startdrawing - oder für Sprachkundige #hierteekenen. Unter der Woche ist das Fotografieren noch erlaubt, also muss sich niemand um das Nachlassen seiner Fotopräsenz im Internet sorgen.

Screenshot Instagram Rijksmuseum #startdrawing
Das Rijksmuseum postet die Zeichnungen von Besuchern gerne online.Bild: Screenshot Instagram

Fotos von der Stange

2014 kürte das Time Magazin den Selfie-Stick zu einer der 25 wichtigsten Erfindungen des Jahres. Da sich Selbstporträts – oder auch "Selfies"– besonders in sozialen Netzwerken großer Beliebtheit erfreuen, musste das Selfie-Knipsen irgendwie leichter gemacht werden. Mittlerweile ist der ausfahrbare Selfie-Stick ständiger Begleiter des modernen Großstadt-Touristen. Im 21. Jahrhundert kann man nicht nur berühmte Sehenswürdigkeiten auf einem Foto verewigen – nein – man kann sich selbst UND eine berühmte Sehenswürdigkeit auf einem Foto verewigen. Und das dann auf sämtlichen sozialen Netzwerken veröffentlichen, die das Internet uns Menschen so bietet.

Doch diese offenbar so wichtige Erfindung ist vielen Museen und sonstigen Kultureinrichtungen ein Dorn im Auge. Unlängst haben die Disney-Freizeitparks die künstlichen Armverlängerungen ganz verboten. "Unglücklicherweise sind Selfie-Sticks ein wachsendes Sicherheitsrisiko für unsere Gäste und unsere Angestellten geworden", erklärte eine Sprecherin des US-Konzerns gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Vatikanische Museen
Täglich schieben sich Tausende von Touristen an den Raffael-Fresken in Rom vorbeiBild: Getty Images

Sicherheit geht vor

Weltweit ist in Museen der Sicherheitsaspekt auch der Hintergrund für die Verbote. Die Sixtinische Kapelle im Vatikan, die Smithsonian Institution in Washington D.C, das Museum of Modern Art (MoMA) in New York City oder das Schloss Versailles bei Paris, all diese Museen wollen keine Selfie-Sticks mehr in ihren Räumen sehen. Zu groß ist die Sorge, dass wertvolle Ausstellungsstücke beschädigt oder sogar Besucher und Personal verletzt werden könnten. Sree Sreenivasan, der Chief Digital Officer des Metropolitan Museum of Art in New York, sagt im Interview mit der New York Times, dass ein Fotoapparat an einer drei Meter langen Stange auch in die Privatsphäre anderer eindringe. Ein Museumsbesuch sei schließlich eine private Angelegenheit.

Ein Selfie mit der Erschaffung Adams von Michelangelo Buonarotti im Hintergrund? Keine Chance, schon das Fotografieren mit Blitz ist in den Vatikanischen Museen in Rom verboten. Selfie-Sticks müssen dort – wie Rücksäcke auch – vor Beginn des Museumsrundgangs eingeschlossen werden. Der Grund auch hier: der Schutz der Besucher und Kunstobjekte.

Gleiches gilt für Sportveranstaltungen, wie beispielsweise das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon. Auf der Internetseite werden die Selfie-Sticks unter "verbotene Gegenstände" neben Messern, Pfefferspray oder illegalen Drogen aufgeführt, vermeldete die Nachrichtenagentur dpa. "Wie bei anderen sportlichen Großveranstaltungen und kulturellen Attraktionen werden auch in Wimbledon keine Selfie-Sticks erlaubt sein", schrieben die Veranstalter des Grand-Slam-Turniers an Ticketbesitzer.

Touristen mit Selfie-Stick in Paris
Touristen mit Selfie-Stick vor dem Pariser Louvre sind gerne gesehen.Bild: picture-alliance/AP Photo/R. de la Mauviniere

Wer sich unbedingt mit dem Stick vor einem Kunstwerk ablichten lassen möchte, hat in Paris und London mehr Glück. Die meisten Museen in der britischen Hauptstadt erlauben die Teleskopstangen nach wie vor, auch der Pariser Louvre hat nichts dagegen. Ein Selfie mit der Mona Lisa? Check! Und wenn Selfie-Sticks verboten sind, kann man sie ja einfach im Rucksack lassen. Der menschliche Arm ist schließlich lang genug. Und falls das Smartphone streikt, bietet das Rijksmuseum in Amsterdam eine echte Alternative: Bleistift und Zeichenblock.