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Selbstmord wegen Zwangsräumung

11. Oktober 2012

Für den Bauboom tut China alles. Laut Amnesty International werden dafür immer häufiger Bauern und Mieter gewaltsam von ihrem Land oder aus ihren Wohnungen vertrieben. Auch eine Folge der vielen Fehlspekulationen.

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ein Chinese klettert auf die Trümmern seines Hauses, auf denen eine chinesische Flagge weht. (foto: reuters)
Bild: Reuters

Die Zahl von Zwangsräumungen in China ist nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International drastisch gestiegen. Bewohner, die sich dagegen wehrten, würden schikaniert, geschlagen, inhaftiert oder sogar getötet, schreibt Amnesty in einem Bericht, der am Donnerstag in London vorgestellt wurde.

Grund für die Zwangsräumungen sind laut Amnesty Gewinne, die neue Bauprojekte auf den betroffenen Grundstücken versprechen. So hätten viele regionale Regierungen große Summen bei staatlichen Banken geliehen und jetzt hohe Schulden. Diese versuchten sie zu kompensieren, indem sie "unseriöse Geschäfte" mit Bauunternehmern und Immobilien-Entwicklern machten.

Chinas Regierung belohne außerdem örtliche Beamte mit Beförderungen, wenn sie es schafften, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln – egal mit welchen Mitteln. In China gehört alles Land dem Staat und den Kommunen. Privatbesitz gibt es nicht, die Bürger können aber Nutzungsrechte für bis zu 70 Jahren erhalten.

In die Selbstverbrennung getrieben

In dem Bericht schreibt Amnesty, dass sich in den vergangenen Jahren 41 Menschen, denen der Verlust ihres Heimes drohte, selbst verbrannten. Viele der vertriebenen Menschen lebten oft unter unwürdigen Bedingungen: weit weg von Jobs, Schulen, ärztlicher Versorgung und öffentlichem Verkehrssystem. Die Menschenrechtsorganisation dokumentierte zudem 40 Einzelfälle gewaltsamer Räumung ohne angemessene Entschädigung und Zugang zu Rechtsmitteln – neun davon endeten tödlich.

"Die chinesische Regierung muss rechtswidrige Zwangsräumungen sofort stoppen und aufhören, Aktivisten, die sich gegen gewaltsame Räumungen einsetzen, zu verfolgen und zu inhaftieren", forderte Verena Harpe, China-Expertin bei Amnesty. Niemand dürfe obdachlos werden, Gewalt gehöre bestraft, heißt es in der Mitteilung der Menschenrechtler.

Eine kniende Chinesin, umzingelt von Soldaten (foto:reuters)
Gegen die Staatsgewalt ist der Einzelne oft machtlosBild: Reuters

Im September wurde ein Chinese, der sich in der nordöstlichen Provinz Liaoning aus Protest gegen die Zerstörung seines Hauses selbst in Brand setzte, von einem Polizisten erschossen, zuvor war sein Vater durch Polizisten, welche die Räumung absicherten, angeschossen worden.

Viel Kritik, ein bisschen Anerkennung

Die Chancen, sich vor Gericht gegen die Zwangsräumung zu wehren, sind anscheinend gering. Laut Amnesty werden Beschwerden selten angenommen und wenn doch, dann enden sie meist mit Urteilen zu Ungunsten der Betroffenen.

In dem Bericht finden die Autoren aber nicht nur kritische Worte: Die chinesische Regierung habe die Brisanz der Situation erkannt und im Vorjahr einige Neuregelungen eingeführt, die etwa Gewalt bei Räumungen verbieten. "Diese Bestimmungen sind aber längst nicht ausreichend und beziehen sich nur auf den städtischen Raum", so Harpe. China sei als Mitglied des UN-Sozialpakts dazu verpflichtet, einen umfassenden Schutz vor rechtswidrigen Zwangsräumungen zu gewährleisten, erklärte die China-Expertin.

fab/sc (dpa,afp,dapd,kna)