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Selbstverbrennung als Protestform

20. Oktober 2011

Immer häufiger zünden sich Tibeter aus Protest gegen die chinesische Regierung selbst an. Doch Beijing weist jede Kritik zurück und bezeichnet die Selbstverbrennungen als verdeckten Terrorismus.

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Exil-Tibeter mit Dalai Lama Foto (Foto: AP/Ashwini Bhatia)
Exil-Tibeter gedenken der toten MöncheBild: AP

Die 20-jährige Tibeterin Tenzin Wangmo ist die erste Frau, die in Folge der Selbstverbrennungen ums Leben kam. Die buddhistische Nonne hatte sich Anfang der Woche aus Protest gegen die chinesische Regierung selbst angezündet und erlag ihren schweren Verletzungen, berichten die Organisationen Free Tibet und International Campaign for Tibet (ICT).

Polizisten entreißen eine tibetische Flagge von einem tibetischen Demonstrant in Katmandu (Foto: AP /Binod Joshi)
Exil-Tibeter protestieren auch in Nepal gegen die chinesische RegierungBild: AP

Seit März dieses Jahres haben sich bereits neun Tibeter in der Provinz Sichuan selbst angezündet. In immer kürzeren Abständen komme es zu dieser extremen Form des Protests, sagt Kai Müller von der International Campaign for Tibet. Allein im Oktober kam es zu fünf Selbstverbrennungen. "Hier ist es, wie auch bei anderen Vorfällen in den letzten Monaten, zu Rufen nach der Rückkehr des Dalai Lama gekommen, nach Religionsfreiheit und nach Freiheit für die Tibeter in Tibet." Die zunehmenden Selbstverbrennungen seien eine sehr besorgniserregende Entwicklung, so Müller.

Wachsendes Protestpotenzial

Die Organisation Free Tibet schreibt in einer Pressemitteilung, die Nonne habe sich angezündet, nachdem zwei Tibeter während Protesten am Wochenende von chinesischen Sicherheitskräften erschossen worden seien. Selbstverbrennungen seien kein isoliertes Phänomen, sondern Ausdruck eines wachsenden Protestpotenzials in der Region, so die Organisation.

Alle Selbstverbrennungen ereigneten sich in der Region um das buddhistische Kloster Kirti in der Stadt Ngaba. Eine Sprecherin der Sicherheitsbehörde in Ngaba sagte gegenüber DW-WORLD.DE: "Wir können über diese Situation nichts sagen. Keine Behörde kann Ihnen eine Auskunft geben."

Bewaffnete Sicherheitskräfte vor Ort

Seit sich im März dieses Jahres ein buddhistischer Mönch in der Stadt Ngaba selbst verbrannt hat, ist die Lage dort angespannt. Der Tod des jungen Mönchs entfachte Massenproteste, die von der chinesischen Polizei niedergeschlagen wurden. Das Kloster Kirti, in dem etwa 2000 Mönche leben, ist seitdem abgeriegelt.

Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP, die die Region diese Woche kurz nach dem Tod der Nonne Tenzin Wangmo erreichten, berichten von einem Großaufgebot von Polizisten mit automatischen Waffen in der Stadt Ngaba. Auch Soldaten seien vor Ort.

Das Kloster Kirti in der chinesischen Provinz Sichuan (Foto: Jialiang Gao)
Das Kloster Kirti wird seit März 2011 streng bewachtBild: cc by-sa 3.0/Jialiang Gao

Nach Informationen der Organisationen Free Tibet und die International Campaign for Tibet sind zahlreiche Mönche des Klosters Kirti von den Behörden verschleppt worden. Derzeit sollen sich dort noch etwa 1000 Personen aufhalten. Bereits im Mai hatte ein Sprecher der Kreisregierung von Ngaba gegenüber DW-WORLD.DE eingeräumt, die Regierung habe das Kloster einer - so wörtlich - "kollektiven Rechtserziehung" unterzogen.

Tibeter fasten für einen Tag

Die Regierung in Peking gibt exiltibetischen Gruppen die Schuld an den Selbstverbrennungen. Die Gruppe um den Dalai Lama spiele die Vorfälle hoch und bestärke so die Menschen, diesem Beispiel zu folgen, sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu am Mittwoch in Peking. "Soweit wir wissen, sind diese Spaltungsaktivitäten auf Kosten menschlichen Lebens getarnte Gewalt und Terrorismus."

Der Sekretär des Dalai Lama für chinesische Angelegenheiten, Ksegyam, sagt, der Dalai Lama sei bestürzt über die Vorfälle in Ngaba. "Er wird jedoch keine öffentliche Rede zu den Vorfällen halten. Stattdessen wird er in Stille für die Tibeter beten und sie segnen." Der Dalai Lama werde außerdem aus Protest und aus Solidarität einen Tag fasten, so Tsegyam. Dazu hatte vorher das Department für religiöse Angelegenheiten der tibetischen Zentralverwaltung aufgerufen.

Der Tibet-Gesprächskreis im Deutschen Bundestag zeigt sich zutiefst besorgt über die neuerlichen Berichte über Selbstverbrennungen in Tibet. "Die Selbstverbrennungen sind offenbar Ausdruck tiefer Unzufriedenheit der Tibeter mit der Politik Pekings", so die Vorsitzende des Gesprächskreises Sabine Weiss. "Wir rufen die chinesische Regierung dazu auf, mit Dialog anstelle von Repressionen auf die legitimen Anliegen der Tibeter zu reagieren. Dazu gehören Achtung von Kultur und Identität der Tibeter und nicht zuletzt von Religions- und Glaubensfreiheit in Tibet."

Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Ziphora Robina