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De Maizière unter Druck

Bettina Marx3. Juni 2013

Bundesverteidigungsminister de Maizière sieht sorgenvoll in die Zukunft. Das teure Drohnen-Projekt "Euro Hawk" ist gescheitert. Wird er das Debakel politisch überleben? Auch für Kanzlerin Merkel könnte es eng werden.

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Thomas De Maiziere (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Thomas de Maizière ist kein Temperamentsbündel und auch keine schillernde Persönlichkeit. "Manche sagen, ich wirke wie eine Büroklammer", bekannte er in einem Interview. Doch mit den Namen des 59-jährigen CDU-Politikers verbinden sich auch weit schmeichelhaftere Attribute: Besonnen, loyal, tugendhaft, diszipliniert und uneitel sei er, urteilen Kollegen, Mitarbeiter und politische Beobachter. Er sei ein fleißiger Aktenfresser, einer, auf den immer Verlass ist.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war er Vertrauter und "Allzweckwaffe". Sie holte ihn im Jahr 2005 als Kanzleramtsminister an ihre Seite, machte ihn 2009 zu ihrem Innenminister und im März 2011 - nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg - zum Verteidigungsminister. Spätestens zu diesem Zeitpunkt galt er auch als möglicher Nachfolger von Angela Merkel.

Das Euro-Hawk-Debakel

Doch jetzt muss der Verteidigungsminister um sein politisches Überleben kämpfen. Das Debakel um die Aufklärungsdrohne Euro Hawk brachte ihn ins Trudeln. Seinem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg könnte die Affäre möglicherweise sogar ein vorzeitiges Ende bereiten, wenn es ihm nicht gelingt, die Zweifel an seinen Entscheidungen auszuräumen.

Eine "Euro Hawk"-Drohne der Bundeswehr in einem Hangar - Foto: Lennart Preiss
Unbemanntes Flugzeug Euro Hawk: Drohnen-Debakel bringt de Maizière ins TrudelnBild: dapd

Mit großer Spannung wurde daher sein Auftritt im Verteidigungsausschuss am Mittwoch erwartet. De Maizière legte den Bericht vor, wie es dazu kommen konnte, dass das von seinen Vorgängern in Auftrag gegebene Millionen-Projekt so spektakulär gescheitert ist. Hat er die Reißleine rechtzeitig gezogen, wie er selbst vor dem Bundestag versicherte? Oder viel zu spät, wie die Opposition mutmaßt? Sie wirft dem Minister vor, die Probleme mit der Drohne verschwiegen zu haben und damit Kosten in Höhe von Hunderten Millionen Euro zu verantworten. Oder hat de Maizière das Vorhaben umgekehrt zu früh gestoppt, wie der US-amerikanische Hersteller des Euro Hawk Northrop Grumman behauptet? Der Rüstungskonzern weist jedenfalls die Vorwürfe aus dem Verteidigungsministerium zurück, er habe sich geweigert, ein Anti-Kollisions-System in den Euro Hawk einzubauen.

Unzufriedene Soldaten

Doch nicht nur das Debakel um den Euro Hawk kratzt an dem Image des Verteidigungsministers. Derzeit wird die Ausrüstung der Soldaten mit fehlerhaften Sturmgewehren untersucht. Im Raum stehen Korruptionsvorwürfe. Die Koblenzer Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit der Beschaffung des Gewehrs gegen einen Bundeswehrangehörigen.

Für Verdruss in der Truppe sorgt aber vor allem die von de Maizières Vorgänger zu Guttenberg angestoßene Reform der Streitkräfte. Die Stimmung unter den Soldaten sei nicht wirklich gut, befand der Wehrbeauftragte der Bundesregierung Hellmut Königshaus. Und Wolfram Kramm, Vorsitzender des Verbandes der Beamten der Bundeswehr, sagt: "Ich habe in meinem fast 40 Jahren bei der Bundeswehr noch nie eine derart schlechte Stimmung bei der Truppe erlebt."

Der Chef des Bundeswehrverbandes Ulrich Kirsch konzedierte de Maizière immerhin, dass er von seinem Vorgänger einen Scherbenhaufen übernommen habe. Gleichwohl trage er die Verantwortung für die finanziellen Konsequenzen aus dem gescheiterten Drohnenprojekt. Kein Zweifel, der Ruf des Ministers ist angeschlagen. Die ZDF-Kultsendung "Heuteshow" nannte ihn süffisant "Thomas die Misere" und in den Zeitungen wurde er schon als "Schattenkanzler a. D." bezeichnet.

Kein Nachfolger - nirgends

Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt allein an einem großen runden Tisch - Foto: Kay Nietfeld (dpa)
Regierungschefin Merkel: Es wird einsam um die KanzlerinBild: picture-alliance/dpa

Der Niedergang von "Merkels letztem Mann" könnte für die Bundeskanzlerin und mehr noch für die Regierungspartei CDU ein Problem werden. Denn wenige Monate vor der Bundestagswahl bietet die Union kein Bild der Stärke. Die Reihen an ihrer Spitze haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gelichtet.

Umweltminister Norbert Röttgen und Bildungsministerin Annette Schavan mussten gehen. Die früheren CDU-Granden aus den Ländern, Koch, Rüttgers, Wulff, von Beust, die Merkel einst auf Abstand hielt, sind aus dem politischen Leben verschwunden. Überhaupt scheinen Männer sich schwer zu tun, neben der übermächtigen Kanzlerin zu bestehen.

Wenn es überhaupt noch Konkurrenz für sie geben könnte, dann kommt sie von den starken Frauen der CDU, von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Beispiel oder den beiden Ministerpräsidentinnen Christine Lieberknecht in Thüringen und Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland. Auch die rheinland-pfälzische Landeschefin Julia Klöckner gilt als politische Aufsteigerin, der man durchaus Ambitionen auf höhere Ämter zutraut.

Bundesarebitsministerin Ursula von der Leyen auf der Regierungsbank im Bundestag - Foto: Sean Gallup (Getty Images)
Ehrgeizig und diszipliniert: Bundesarbeitsministerin Ursula von der LeyenBild: Sean Gallup/Getty Images

Trotz Kritik unangefochten an der Spitze

Doch noch stellt sich die Frage nach einem Nachfolger nicht. Denn Merkel steht fast unangefochten an der Spitze der CDU und des Staates. In den Meinungsumfragen sprechen ihr die Bürger regelmäßig das Vertrauen aus. Auch in den Medien wird ihre Politik überwiegend positiv beurteilt. Trotzdem mehren sich in letzter Zeit die kritischen Stimmen, die Merkels Politik hinterfragen. So wirft ihr der Frankfurter Journalist Stephan Hebel in seinem Buch "Mutter Blamage" vor, mit ihrer klaren neoliberalen Linie den Sozialstaat zu schwächen und die Interessen der Wirtschaft zu bedienen. Und die beiden Buchautoren Ralf Georg Reuth und Günter Lachmann haben in ihrem kürzlich erschienenen Buch "Das erste Leben der Angela M." die DDR-Vergangenheit der Kanzlerin unter die Lupe genommen. Das Internet-Portal "Nachdenkseiten" beschäftigt sich schon lange kritisch mit Merkel und wirft ihr vor, mit der deutschen Exportpolitik und dem Spardiktat die südeuropäischen Länder zu schwächen und das europäische Einigungswerk zu gefährden.

Die Wirtschaftszeitung "Forbes" dagegen hat die Bundeskanzlerin gerade zum dritten Mal zur mächtigsten Frau der Welt gewählt. Die Bredouille, in der ihr Verteidigungsminister steckt, hat ihr bislang nicht geschadet. Sollte de Maizière jedoch zum Rücktritt gezwungen werden, könnte sich das ändern. Denn an der dezimierten Spitze der Union steht niemand bereit, den als Schleudersitz berüchtigten schwierigen Posten zu übernehmen.