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Ein Migrant im Bundestag

27. Oktober 2009

Von den 622 Abgeordneten im neuen Bundestag haben 18 einen Migrationshintergrund. Einer von ihnen ist der türkischstämmige FDP-Parlamentarier Serkan Tören.

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Serkan Tören (Foto: FDP)
Serkan TörenBild: FDP

Einen Termin für ein Gespräch Serkan Tören zu vereinbaren, ist im Augenblick ziemlich schwer. Von früh morgens bis spät abends muss er von einer Sitzung in die andere eilen. Schließlich findet sich während einer FDP-Konferenz dann doch etwas Zeit für ein Gespräch. In die hinteren Reihen des Saals kommt ein sichtlich von den Anstrengungen der letzten Tage gezeichneter Serkan Tören. Doch sobald er zu reden anfängt, sitzt man einem agilen und äußerst wachen Menschen gegenüber, der ohne eine Spur von Müdigkeit alle Fragen beantwortet.

Serkan Tören im Wahlkampf (Foto: FDP)
Serkan Tören im WahlkampfBild: FDP

Eintritt in die FDP, die Freie Demokratische Partei? Das war 1993. Zu dieser Zeit, erinnert sich Serkan Tören, hatte er an der Universität Hamburg beim bekannten liberalen Staatsrechtler Ingo von Münch studiert. Der Jura-Professor lehrte über die Bedeutung von Bürger-, Grund- und Freiheitsrechten. "Das hat mich so stark beeinflusst, dass ich den Entschluss fasste, Mitglied der FDP zu werden", erzählt Tören. Etwa zur gleichen Zeit nahm er auch die deutsche Staatsbürgerschaft an.

Seine Heimat in Stade

Geboren wurde Serkan Tören vor 36 Jahren in Fatsa, einer Stadt an der türkischen Schwarzmeerküste. Er war erst zehn Monate alt, als seine Eltern mit ihm und den Geschwistern in die norddeutsche Stadt Stade zogen. Hier, im 45 Kilometer westlich von Hamburg gelegenen Industrieort, ist Serkan Tören in den Kindergarten und in die Schule gegangen, hier hat er im Fußballverein gespielt und hier hat er immer noch seine Freunde. Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, wenn Serkan Tören nüchtern feststellt: "Stade ist meine Heimat". Er fühlt sich dort zuhause, weil er von den Menschen akzeptiert wird.

Serkan Tören (m.) mit dem neuen Gesundheitsminister Phillip Rösler (r.) (Foto: FDP)
Serkan Tören (m.) mit dem neuen Gesundheitsminister Phillip Rösler (r.)Bild: FDP

Akzeptiert? Ja, die Norddeutschen seien in der Tat bekannt für ihre - nicht mit Ausländerfeindlichkeit zu verwechselnde - zurückhaltende Art gegenüber Fremden. "In Norddeutschland ist es nicht so, dass man mit Freuden empfangen und umarmt wird", sagt Tören. "Aber wenn die Menschen dort einen erst mal kennengelernt haben, dann sind die Norddeutschen die treuesten Menschen überhaupt." In diese Gegend scheint er ganz gut zu passen: Seine freundliche und ruhige Art, seine Verbindlichkeit und die Schnörkellosigkeit, mit der er Unangenehmes beim Namen nennt, überzeugten seine Parteifreunde immer wieder, ihn für eine Reihe von Ämtern aufzustellen - und schließlich als Bundestagskandidaten. Ihm sei nichts geschenkt worden, sagt Serkan Tören: "Wer die FDP kennt, der weiß das."

Sozialer Aufstieg durch Bildung

Dass er studiert hat, Rechtsanwalt geworden ist und jetzt im deutschen Parlament sitzt, verdanke er, so Serkan Tören, zum großen Teil seinen Eltern. Sowohl der Vater, ein Fernmeldemonteur, als auch die Mutter, eine Verkäuferin, haben ihm immer wieder vermittelt, dass er in Deutschland nur erfolgreich sein kann, wenn er ein guter Schüler ist und sich in die deutsche Gesellschaft integriert.

Aufgrund der eigenen Erfahrung ist sich Serkan Tören sicher, dass Migranten in Deutschland durch Bildung aufsteigen können. Es sei vor allem Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu motivieren, die vorhandenen Chancen wahrzunehmen. Aber auch Serkan Tören weiß, dass im Bildungsbereich noch manches verbessert werden muss. Und etwas grundsätzlicher: "Als Liberaler kann ich nicht akzeptieren, dass in Deutschland die Herkunft über die Chancen auf Bildung entscheiden." Jedes Kind müsse die gleichen Möglichkeiten haben. Deshalb unterstützt er das Vorhaben der neuen deutschen Regierung, Kinder von Migranten schon im Kindergarten mit besonderen Programmen mehr als bislang zu fördern.

Der Bundestag muss ein Abbild der Gesellschaft sein

Fast 20 Prozent der Bevölkerung Deutschlands haben wie Serkan Tören einen Migrationshintergrund, das heißt, sie haben zumindest einen ausländischen Elternteil. Die Hälfte von ihnen besitzt auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Im deutschen Parlament haben aber nicht einmal 3 Prozent der Abgeordneten einen Migrationshintergrund. "Das ist zu wenig und ist auch kein Abbild der Gesellschaft", befindet der junge Abgeordnete.

Damit sich das ändert, müssten sich Menschen mit Migrationshintergrund noch stärker als bisher in der deutschen Politik engagieren. Aber auch die Parteien müssten verstärkt um Migranten werben. Serkan Tören macht das, indem er sich zum Beispiel im Vorstand der "Türkischen Gemeinde in Deutschland" engagiert. Trotz "gelegentlicher politischer Differenzen" schätzt er die Arbeit dieses Dachverbandes türkischer Migrantenvereine, weil er sich mit vielen einzelnen Projekten für die Berufsausbildung und Sprachförderung jugendlicher Migranten einsetzt.

Autor: Panagiotis Kouparanis

Redaktion: Dеnnis Stutе