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Sex und der Wahlkampf

Lisa Häuser12. September 2002

Was in der Werbebranche schon lange üblich ist, soll jetzt auch den Wahlkampf beleben: Mit nackter Haut und zweideutigen Slogans wollen besonders die kleinen Parteien bei Jungwählern punkten.

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Auf Stimmenfang mit platten Sprüchen: die Jungliberalen

Nachdem inzwischen schon Margarine lustvoll beworben wird, dürfen auch die Parteien im Bundestagswahlkampf nicht hintenanstehen. "Wir machen´s gleich" verspricht ein Plakat, auf dem sich ein schwules und ein lesbisches Pärchen vergnügt in die Brustwarzen kneift. Die Grünen werben damit für die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren, setzen aber natürlich auch auf die Medienwirksamkeit des Plakats.

Auch die Liberalen geben sich provokant. Auf einer Postkarte zur Ökosteuer hält eine halbnackte Blondine an der Tankstelle den Zapfhahn. Die neckische Unterzeile: "Bei diesen Preisen sollte man auch etwas mehr erwarten können. Oder?" Noch einen Schritt weiter gehen die Nachwuchsorganisationen der FDP. Die Hamburger Jungliberalen fordern auf einem Plakat: "Steck ihn rein". Gemeint ist natürlich der Wahlzettel. Zuvor hatte schon der Landesverband Schleswig-Holstein mit der Kampagne "Lieber bekifft ficken als besoffen Autofahren" für Wirbel gesorgt.

Grün begeistert, Gelb geschockt

"Wir verwenden eine bewusst niedrigschwellige Provokation, um junge Menschen zum Wählen aufzufordern", erklärt Stephan von Hundelshausen, Pressesprecher der Hamburger Jungliberalen, die Werbekampagne im Interview mit DW–WORLD. "Das Plakat soll nicht ästhetisch sein, sondern einen Anstoß liefern." Ob die Jungwähler dann ein Kreuzchen für die FDP machten, sei zweitrangig, versichert er.

Während die Jungliberalen sich ausdrücklich an Erstwähler wenden, wollen die Grünen "alle Altersstufen ansprechen, vor allem ästhetisch Interessierte", betont Grünen-Pressesprecherin Sigrid Wolf im Gespräch mit DW-WORLD. Ein Gemälde aus dem 16. Jahrhundert habe dem Plakatmotiv als Vorlage gedient. "Es geht um ein konkretes politisches Anliegen und nicht um Freizügigkeit", weist auch Ali Mahdjoubi, Referent von Grünen-Chefin Claudia Roth, den Vorwurf der Sexualisierung des Wahlkampfes im Gespräch mit DW-WORLD zurück.

Bei den Grünen wird die Kampagne von der Partei einhellig begrüsst. Dagegen ist die Begeisterung über die provokante Werbeaktion bei manchen FDP-Anhänger gedämpft. "Es gab viele negative Reaktionen, besonders von über 40jährigen", gibt Hundelshausen zu. Er hält die Kampagne trotzdem für einen Erfolg. Viele hätten sich über den "Pepp und Mut" gefreut. Zudem sei die Resonanz unter jungen Leuten sehr groß und hauptsächlich positiv gewesen.

Ärger mit dem Ordnungsamt

Doch die Plakate stossen nicht überall auf Zustimmung. In Königstein im Taunus verbot das Ordnungsamt zunächst das Plakat der Grünen, hob das Verbot jedoch wieder auf. In Schleswig-Holstein klagen die Jungliberalen neben Plakatverboten in einigen Städten auch über verschwundene Poster.

Sowohl die Jungliberalen als auch die Grünen betonen, dass es ihnen nicht um plumpe Eigenwerbung, sondern um die Vermittlung von Themen gehe. Auffallend ist jedoch, dass beide Parteien dem politischen Gegner vorwerfen, mit seinen zweideutigen Plakaten vor allem auf Selbstdarstellung aus zu sein.

Dagegen halten sich die großen Parteien CDU und SPD mit anzüglicher Wahlwerbung bisher zurück. Kondome mit frechen Sprüchen haben jedoch auch sie im Angebot. Der Wähler hat die Qual der Wahl zwischen Kondomen mit den Aufdrucken "bäum dich auf, mach dich stark, sei schwarz" oder "Das ist erst das Vorspiel, der Höhepunkt kommt noch".