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Shoppen bis zum Beinbruch

Patrick Tippelt19. Dezember 2005

100.000 Besucher pro Tag zieht es in Bangkoks neuestes pompöses Einkaufszentrum. Doch wenn die Eröffnung einer halbfertigen Mall zum sozialen Höhepunkt einer ganzen Stadt wird, stimmt etwas nicht mit der Metropole.

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Dieser Nächte glitzert es allerorten mächtig. Tiefrot kämpft mit Goldweiss. Wenn es auch abgeschmackt klingen mag: Bangkoks Beleuchtung macht die Nacht zum Tag in den kühlen Adventstagen.

Atemberaubende Weihnachtsdeko

Immense Tannen belagern Hotels und jedes Einkaufszentrum, manche ganz traditionell (samt Kunstschnee), andere hyper-modern (bis hin zu Aluminium-Monstrositäten). Alle erreichen sie eine Höhe von 10 Metern, und nicht wenige reichen an die 20 Meter heran. Jedes Restaurant ist behängt mit glühenden Rentieren und blinkenden Weihnachtsmännern. Gäbe es einen globalen Wettkampf um die kitschig-atemraubende Weihnachtsdeko, Bangkok würde glatt alle westlichen Metropolen weit hinter sich lassen.

Weihnachten ist trotz vorherrschendem Buddhismus populär in Thailand, denn die geselligen Thais haben Feste jeder Art gern. Sie finden viel mehr Spaß an den allgegenwärtigen Klassikern (von "Oh Tannenbaum" bis "Jingle Bells"), die jedem selbst in den Haltestellen der Bangkoker Hochbahn entgegenschallt, als so mancher Tourist aus dem Westen. Geschenke gibt es zwar nicht, jeder arbeitet Weihnachten durch, aber in Thailand gilt: je bunter, desto besser.

Jeder, der den weihnachtlichen Trubel braucht, fährt zum Siam Square und arbeitet sich die Ploenchit-Straße hoch. Auf einem knappen Kilometer strahlen hier zehn Giga-Malls um die Wette. Nur ein Einkaufszentrum hält sich dieses Jahr zurück, das Siam Paragon, die neueste "Attraktion" Bangkoks, Asiens größte Luxus-Mall, Anfang Dezember mit Pomp eröffnet.

Der Stolz Bangkoks?

Das Paragon braucht keine Weihnachtsdeko, um die Konsumenten anzulocken. Rund 100.000 Besucher pro Tag zählt das bombastische Shopping-Monstrum. Der Haupteingang ein luftiges Atrium mit tropischer Flora. Ein halbe Million Quadratmeter unter einer Glaskuppel. Der südlichen Hemisphäre größtes Aquarium. Nächstes Jahr zieht Thailands erste Opernhaus ein. Wie auch viele andere Läden. Denn die Massen ziehen durch eine Mall, die nicht einmal zur Hälfte fertig ist.

Die Fassade steht, aber hintenrum sieht’s ganz anders aus. Innen riecht es noch stark nach Farbe. Armani und Dutzende anderer Luxusgeschäfte sind noch nicht eingezogen. Auch mit der Organisation hapert es. Bei der Eröffnung am 9. Dezember fanden viele Eingeladene die Feier schlicht nicht. In diesem Einkauszentrum kann man sich verlaufen, denn Pläne oder Hinweisschilder fehlen.

Prestige über Sicherheit

Und selbst mit der Sicherheit nahm man es bisher nicht so genau. Zu hoch war der Druck des festgelegten Eröffnungsdatums. Alles eine Prestigefrage. Der Preis? Drei Tage später fiel ein zehnjähriges Mädchen fünf Meter tief – durch eine weite Lücke zwischen einem Wassergarten und einem Aufzug. Sie kam mit gebrochenem Kiefer und Bein davon, doch das Ansehen der Mall litt unter einem Tief.

Die betriebsame PR-Abteilung der Mall nennt das Paragon "Bangkoks Stolz". Ob ein Einkaufszentrum überhaupt einen solchen Titel für sich beanspruchen kann, ob dies nicht eher zuviel über die Lebensweise der Bangkoker aussagt, sei dahingestellt. Doch nur durch eine weitere gigantische Mall wird Bangkok noch lange nicht zu einem zweiten New York oder Paris, wie es die Erbauer des Paragons sich wünschen.

Durch das Einkaufzentrum wird erst einmal die allgemeine Konsumwut und der globalisierter Materialsimus gefeiert – von Thais und (zumeist asiatischen) Touristen gleichermaßen. Bis zur nächsten Mall.