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Reiche Russen

Hans-Jürgen Wittmann22. April 2008

Die Zahl der Dollar-Milliardäre in Russland hat sich dem Forbes-Magazin zufolge in nur einem Jahr fast verdoppelt. Kein Wunder, dass die Sicherheitsbranche boomt, den die Neureichen wollen ihren Luxus schützen.

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Bild: DW

An der Twerskaja, einer der Prachtstrassen in Moskau, fällt es einem besonders auf: neben schillernden Reklametafeln und funkelnden Auslagen der Edelgeschäfte sind immer wieder Videokameras an den Häusern zu sehen. Zusätzlich werden viele Gebäude von privaten Sicherheitsdiensten, den so genannten Ochrannikis bewacht, von denen die meisten recht grimmig drein schauen. Den Passanten kann da schon ein seltsames Gefühl beschleichen, wenn man so beobachtet wird.

Für Gäste aus Deutschland mag die umfassende Überwachung in Moskau etwas übertrieben erscheinen. Verstehen kann man das aber durchaus. Nach Terroranschlägen auf Wohnhäuser, Züge oder Metrostationen wie im Februar 2004 legt der russische Staat schärfere Maßstäbe in punkto Sicherheit an den Tag. Aber auch immer mehr Privatpersonen sorgen sich um ihr Leib und Leben – und um ihr Vermögen.

Betuchte Personen suchen Schutz

Auf der internationalen Messe für Sicherheit und Schutz nennt Direktorin Veronika Ganina die Gründe für das wachsende Interesse an Kontrollsystemen: Für viele betuchte Personen bedeute es einfach ein Gefühl der Sicherheit und des Komforts, zu wissen, dass jemand ihre Besitztümer oder Familien bewache.

Beim Rundgang über das Messegelände fällt sofort auf, dass einfache Alarmanlagen schon lange nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen. Unzählige Kameras in der Ausstellungshalle filmen alles und jeden. Veranstaltungsleiter Ilya Sobolew erklärt, dass der Trend hin zu kompletten Sicherheitssystemen gehe. Von Videoüberwachung über Feuermelder bis hin zu ausgeklügelten Einlasskontrollsystemen wird auf der Messe alles geboten. Die Nachfrage ist offenbar so groß, dass Branchenexperten von Wachstumsprognosen von jährlich bis zu 20 Prozent sprechen.

Keine Debatte über Kameraüberwachung

Befremdend ist allerdings, dass es über die Dichte der Kameraüberwachung in der Stadt keine öffentlichen Diskussionen wie in Deutschland gibt. Die russische Gesellschaft betrachte diese Frage eben als nicht so akut wie die deutsche Öffentlichkeit, erklärt Vladimir Tambowzew. Er ist Leiter der Verwaltung des Ombudsmannes in Russland und damit der eigentliche Ansprechpartner für den Schutz der Bürgerrechte. Aber auch er sieht keinen Anlass, sich mit der Problematik zu beschäftigen.

Die russische Blogger-Szene hingegen lässt das Thema offenbar nicht kalt. Auch hier gehen die Meinungen allerdings auseinander. Während ein User Verständnis äußert, weil ja jedes Mittel recht sei, das eigene Leben und das der Familie zu schützen, haben andere für die zunehmenden Sicherheitsmaßnahmen nur Spott übrig. Auf den Straßen Moskaus könnte man ja seinen Frühlingsgefühlen gar keinen freien Lauf mehr lassen, kritisiert ein Blogger, es könnte einem beim Küssen ja jemand zusehen.