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Politik

Preis für Westbalkan-Medienschaffende

Anila Shuka | Nenad Kreizer
25. Juni 2021

Auch über zwanzig Jahre nach dem Ende der Jugoslawienkriege wird Druck auf Autorinnen und Autoren ausgeübt, die über kritische Themen berichten. Jetzt hat die Südosteuropa-Gesellschaft zwei von ihnen geehrt.

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Berlin Termin im Bundestag von der Preisverleihung des Journalistenpreises der Südosteuropa Gesellschaft.
Dragan Bursac (v.l.), Una Hajdari, Josip Juratovic (1.h.l.), Manuel Sarrazin und Peter Beyer nach der PreisverleihungBild: Nenad Kreizer/DW

Für serbische Boulevardmedien ist sie "serbenfeindlich", seitdem die 29-Jährige über die Ermordung des serbischen Oppositionspolitikers Oliver Ivanovic in Kosovo berichtete. "Der Vorwurf sitzt tief, auch wenn man damit nichts zu tun hat, denn die Boulevardmedien in Serbien sind sehr mächtig", sagt Una Hajdari in einem Interview mit der DW.

Hajdari ist in Prishtina, der Hauptstadt Kosovos geboren und hat große Teile ihres Lebens dort verbracht. Seit einem Jahr lebt die Journalistin in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Dort bekommt die Kosovarin, die auch einen serbischen Pass hat, die feindliche Einstellung ihr gegenüber regelmäßig zu spüren, erzählt Hajdari, besonders bei Behördengängen und Grenzkontrollen. Aber in ihrer Geburtsstadt ist es auch nicht leichter, auch dort werden Medienschaffende mit dem Begriff "Verrat" konfrontiert, wenn sie über für die Albaner unangenehme Themen berichten, wie etwa über Kriegsverbrechen, die Angehörige der Kosovo-Befreiungsarmee UCK im Kosovo-Krieg 1998-1999 begangen haben.

Berlin Termin im Bundestag von der Preisverleihung des Journalistenpreises der Südosteuropa Gesellschaft.
Der bosnisch-serbische Journalist Dragan Bursac und seine albanisch-serbische Kollegin Una Hajdari im BundestagBild: Nenad Kreizer/DW

Das kennt auch Dragan Bursac, preisgekrönter Journalist und Kolumnist aus Banja Luka, der Hautstadt der bosnischen Republika Srpska. Der 1975 geborene bosnische Serbe beschäftigt sich in seinen Beiträgen für nationale und internationale Medien mit sensiblen Themen wie Kriegsverbrechen der serbischen Seite in den Jugoslawien-Kriegen (1991-99). Dafür wird er regelmäßig Ziel von Angriffen und Bedrohungen.

Die in München ansässige Südosteuropa-Gesellschaft e.V. (SOG) wollte ein Zeichen setzen und hat Hajdari und Bursac mit einem neu konzipierten Solidaritätspreis geehrt. Die Übergabe fand bei einer pandemiebedingt hybriden Veranstaltung in den Räumen des Deutschen Bundestags am 21.06.2021 statt.

"Moralischer Leitfaden für zukünftige Generationen"

Der Präsident der SOG, der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin, erklärte zu Beginn der Verleihung, Ziel des Preises sei es, Journalisten in der Region, die "unter zunehmendem Druck leiden", stärker zu unterstützen. "Wir wollen Ihnen ein Signal senden, dass Sie nicht alleine sind", so Sarrazin an die Preisträger gewandt.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und SOG-Vizepräsident Peter Beyer dankte in seiner Ansprache den Preisträger*innen für die Arbeit, die sie trotz Gefahr für ihre Sicherheit und die ihrer Familien leisten. "Ich kann mir nur vorstellen, welche persönlichen Qualen Hajdari durch ihr Engagement erleidet", so Beyer. Der CDU-Politiker verwies auf die häufigen Angriffe auf Preisträger Bursac durch serbische Medien: "Seine Arbeit ist ein moralischer Leitfaden für zukünftige Generationen, die glauben, dass die Vergangenheit nicht wiederholt werden darf. Er hat gezeigt, wie man in dunklen Zeiten ehrenhaft lebt", fügte der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete und zweite SOG-Vizepräsident, Josip Juratovic, hinzu.

Druck auf Medienschaffende

Bursac sagte in seiner Rede, er halte die SOG-Auszeichnung für wichtig, weil sie Journalisten auf dem Westbalkan dabei unterstütze, ihre Arbeit fortzusetzen und an journalistischen Beweggründen festzuhalten - und nicht an politischen.

Laut dem aktuellen Jahresbericht der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) geraten Medienschaffende in fast allen Ländern Ex-Jugoslawiens immer mehr unter Druck. In Kosovo etwa werde ihnen gedroht, wenn sie sensible Themen bearbeiten. Oft werde versucht, Journalist*innen einzuschüchtern oder zu beeinflussen.

Wie "Autozensur" entsteht

Una Hajdari berichtet von einer "Autozensur", die bei vielen Medienschaffenden eintritt, sobald es um Minderheitenrechte oder andere sensible Themen geht. Der Druck richte sich insbesondere gegen Journalist*innen, die wie sie auch für ausländische Medien arbeiten. In ihrem Fall sind das hauptsächlich englischsprachige Medien wie das Webportal Politico.eu oder die US-Tageszeitung "The New York Times".

Oft üben auch nationale Regierungen Druck aus. In Serbien etwa können laut ROG "Journalist*innen weder auf Sicherheit noch auf Schutz durch den Staat zählen". Auch "Anschläge auf Medien und Todesdrohungen haben zugenommen, doch die Täter werden nicht verfolgt", heißt es im Bericht der Journalistenorganisation. In Bosnien-Herzegowina sei Berichterstattung über Kriegsverbrechen immer noch tabu: "Nationalistische Rhetorik, ständige verbale Angriffe und häufige Verleumdungsklagen von Politiker*innen befeuern ein feindseliges Klima für Journalist*innen; einige werden massiv bedroht", so ROG.

Der neue Medienpreis der SOG, die bisher nur Preise an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben hatte, soll künftig jedes Jahr Medienschaffende im Ausland ehren, die sich derartigen Tendenzen widersetzen und ihre Arbeit trotz Druck und Drohungen professionell weitermachen.

Das unterstützt ausdrücklich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: "Journalisten sind in Zeiten von Desinformation und Populismus wichtig für die Medienfreiheit. Und damit sind sie gefährdet", so Steinmeier in einer Grußbotschaft, die bei der Preisverleihung verlesen wurde. Die Auszeichnung der Südosteuropa-Gesellschaft sei "ein wichtiges Signal für die Wertschätzung der Arbeit von Journalisten in der Region".