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Sierens China: Auf der Karte

Frank Sieren
10. November 2018

In China hat das erste kroatische Tourismusbüro eröffnet. Peking und Zagreb rollen sich gegenseitig den roten Teppich aus. Dabei soll das Balkan-Land weit mehr als nur touristisch erschlossen werden, meint Frank Sieren.

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China Peking Premier Li mit Kroatien Präsident Plenkovic
Bild: Getty Images/J. Lee

Im chinesischen Fernsehen ist Kroatien bereits ein Hit: Rund 300 Millionen Chinesen verfolgten im Dezember 2017 eine Folge der beliebten chinesischen Infotainment-Reihe Tian Tian Xiang Shang, die sich dieses Mal ganz den Kroaten, ihrem Land, ihrem Essen und ihrer Kultur widmete. Produziert wurde die 90-minütige Doku vom staatlichen Sender Hunan TV. Die Hauptstadt Zagreb und das historische Dubrovnik, wo ein Großteil der Aufnahmen entstand, wurden von ihrer schönsten Seite gezeigt. Wie zivilisiert es dort zugeht, bewies auch ein Besuch beim ersten chinesischen Restaurant des Landes, das bereits in den frühen 90er-Jahren aufmachte. Nebenbei bekamen die Zuschauer wichtige Fragen beantwortet, etwa ob Kroatien für Urlauber sicher ist und wie einfach man als Chinese an ein Visum kommt. Am Ende gab es sogar noch etwas zu gewinnen: eine Reise nach Kroatien. Wer hätte das gedacht?

Aus Asien an die Adria

In den Beziehungen zwischen China und dem Balkan-Land wird derzeit nichts dem Zufall überlassen. Vergangene Woche empfing Chinas Premier Li Keqiang seinen kroatischen Amtskollegen Andrej Plenković in der Großen Halle des Volkes in Peking, um die wirtschaftlichen und politischen Bindungen der beiden Staaten zu stärken. Anschließend reiste der kroatische Premier nach Schanghai weiter, wo er am Rande der "China International Import Expo" das erste kroatische Tourismusbüro Chinas einweihte. Eine "Öffnung gegenüber China" nannte Plenković das neue Büro in den Räumen der kroatischen Handelskammer. Seit die chinesische Mittelschicht ihre Reiselust entdeckt hat, ist China im globalen Massentourismus zu einem bestimmenden Wirtschaftsfaktor geworden. Auch für Kroatien.

Kroatien Chinesische Touristen und Polizist aus China
Ein chinesischer Polizist hilft chinesischen Touristen im kroatischen Nationalpark PlitviceBild: picture-alliance/Photoshot/K. Stedul-Fabac

Chinas Touristen gaben im letzten Jahr rund 261 Milliarden Dollar für Auslandsreisen aus. Kroatien wird dabei immer beliebter. 2017 reisten rund 200.000 chinesische Touristen in das osteuropäische Land. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres verzeichnete das Torismusamt bereits einen Anstieg von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schon jetzt machen die Chinesen die viertgrößte Gruppe der Kroatien-Besucher aus, Tendenz steigend. Ein besonderer Vorteil: Die Chinesen reisen feiertagsbedingt gerne antizyklisch zur traditionellen westlichen Hochsaison im Sommer. Das verkürzt die touristischen Dürrezeiten. Um es den Besuchern aus China an nichts fehlen zu lassen, wurden dieses Jahr sogar eigens chinesische Polizisten und chinesisch sprechende Reiseführer vor Ort abgestellt.

Bei der gegenseitigen Charmeoffensive geht es Peking und Zagreb jedoch nicht nur darum, Kroatien touristisch zu erschließen. Das gerade mal vier Millionen Einwohner zählende Land ist zwar seit 2013 Teil der Europäischen Union, wirtschaftlich hat sich seitdem jedoch nicht allzu viel verbessert. Der Handel mit China wächst dagegen kontinuierlich. 2017 vergrößerte sich das Handelsvolumen um 22,75 Prozent zum Vorjahr auf 807 Millionen Euro. Umso verlockender klingt es für Zagreb, wenn Peking von Kroatien als einem strategisch wichtigen Partner der "Belt and Road"-Initiative spricht, Chinas riesigem Infrastrukturprojekt, das auch als Neue Seidenstraße bekannt ist. Denn das bedeutet, dass Peking weiter in das kleine Land investieren will. In Zadar an der dalmatinischen Küste plant Peking eine neue Industriezone mit Hafen und Flughafen, die zu einem wichtigen Tor für chinesische Waren nach Europa werden soll. Ein direkter Zugang über Zadar verkürzt den Seeweg in die EU deutlich. Auch Hochgeschwindigkeitszugnetze und ein mit Solarstrom betriebenes Fußballstadion sind im Gespräch.

Besorgte Mienen in Brüssel

Für die EU ist das chinesische Engagement in Osteuropa ein sensibles Thema. Bei seinen jährlichen 16+1-Treffen – das nächste findet im April 2019 in Kroatien statt - setzt sich Peking mit den Ländern aus  Mittel- und Osteuropa an einen Tisch um gemeinsame Infrastruktur-, Technologie-, Landwirtschafts- und Tourismusprojekte auf den Weg zu bringen - nicht selten auf Pump von chinesischen Banken. Brüssel fürchtet nicht zu Unrecht, dass Peking durch wirtschaftliche Abhängigkeiten mehr und mehr Einfluss in der EU gewinnt. Griechenland, Ungarn, Kroatien und Slowenien hatten beispielsweise vor drei Jahren eine gemeinsame EU-Stellungnahme zu den chinesischen Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer untergraben. Einigkeit sieht anders aus.

Kroatien Chinesische und kroatische Polizisten
Gemeinsam auf Patrouille: Chinesische und kroatische Polizisten in der Altstadt von ZagrebBild: picture-alliance/Xinhua/G. Stanzl

Gleichzeitig beziehen die osteuropäischen Staaten nach wie vor Unterstützung in Milliardenhöhe aus EU-Töpfen. Eines der symbolträchtigsten Förderprojekte ist derzeit eine 2374 Meter lange Brücke in Südkroatien, die bereits vor zehn Jahren begonnen, aber wegen finanzieller Schwierigkeiten lange nicht weiter vorangebracht werden konnte. Mit einer Summe von rund 350 Millionen von insgesamt 420 Millionen Euro Baukosten will Brüssel hier sprichwörtlich Brücken bauen: Wer bislang mit dem Auto von Split nach Dubrovnik wollte, musste die EU verlassen, um ein kurzes Küstenstück in Bosnien-Herzegowina zu passieren, inklusive zeitraubender Grenzkontrollen. Mit der 55 Meter hohen Pelješac-Brücke soll das spätestens 2022 vorbei sein, was vor allem dem Tourismus an der beliebten südkroatischen Küste zugute kommt. Den Zuschlag, um die Brücke tatsächlich zu bauen, erhielt am Ende jedoch eine chinesische Baufirma - ein Novum für ein zu 85 Prozent mit EU-Geldern finanziertes Projekt. Die Staatliche China Road and Bridge Corporation (CRBC) hatte die europäische Konkurrenz mit einem weit billigeren Angebot und dem Versprechen, sechs Monate früher fertig zu werden, aus dem Rennen gekickt. Das österreichische Unternehmen Strabag und ein Konsortium aus der italienischen Astaldi und der türkischen Ictas reichten Beschwerde gegen unlauteren Wettbewerb und Preis-Dumping ein. Die chinesische Botschaft in Zagreb sprach hingegen von einem "positiven Signal" an chinesische Investoren.

Arbeitende Aliens?

Brüssel wird nun genau hinsehen, inwieweit kroatische Arbeiter beim Bau angestellt werden oder ob die meisten Gastarbeiter wie so oft aus China kommen. Der chinesischen Baufirma wurde bereits die Erlaubnis erteilt, die Löhne der chinesischen Arbeiter vor Ort selbst festzulegen – nach EU-Maßstäben eigentlich ein unfairer Wettbewerbsvorteil. Seit Wochen geht die Sorge um, dass hunderte chinesische Arbeiter das malerische Fischerdorf Komarna fluten werden, wo ein Großteil der Bauarbeiten stattfindet. "Es ist fast, als wollte eine Gruppe Aliens hier landen", berichtet Smiljan Mustapic, der Bürgermeister der Gemeinde, über die Sorgen, die aus der Bevölkerung an ihn herangetragen wurden. Dass sie sich an chinesische Besucher gewöhnen müssen – ob Touristen oder Arbeiter – scheint Teil eines größeren Plans zu sein. Dass Kroatien sich wie andere Länder in Schulden stürzt und sie eines Tages mit dem Geld abbezahlen muss, das noch mehr chinesische Touristen ins Land bringen, könnte ebenfalls Teil eines größeren "Win-Win"-Plans sein – "Win-Win" im Sinne von doppeltem Gewinn für China.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.