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Politik

Europa muss mit einer Stimme sprechen

Frank Sieren
14. November 2019

Europa kann China nur etwas entgegensetzen, wenn es sich geschlossen präsentiert und es gleichzeitig auch schafft, sich selbst als Großmacht geostrategisch klar zu positionieren, meint Frank Sieren.

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China Besuch des französichen Präsidents Emmanuel Macron
Emmanuel Macron beim chinesisch-französischen Wirtschaftsforum in der Großen Halle des VolkesBild: Getty Images/AFP/POOL/F. Lo

Er spreche im Namen Europas, erklärte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bei seinem dreitägigen Staats-Besuch in China vergangene Woche. Bei solchen Worten zuckt man im Berliner Kanzleramt unwillkürlich zusammen: Ist das auch abgestimmt, was Macron da jetzt erzählt?

Eigentlich sollte es Routine sein. Doch das ist es nicht. Nur in mühevollen Schritten gelingt es selbst den führenden Ländern Europas, sich zusammenzuraufen. Immerhin: Im Frühjahr hatte der französische Präsident Angela Merkel zu einem Treffen mit Xi Jinping nach Paris eingeladen, um den Zusammenhalt der EU gegenüber China zu demonstrieren. Ganz selbstlos war freilich auch dieser Schritt nicht: Macron wollte damit nicht nur signalisieren "Wir sind die Europäer", sondern eben auch zeigen, dass er es ist, der Merkel einlädt, und sie sogar kommt. Dennoch: Auch, wenn die EU noch weit von einer gemeinsamen China-Strategie entfernt ist, ist die Symbolik des "Einer für alle" ein wichtiger Schritt.

China Französicher Präsident Emmanuel Macron mit der deutschen Bundesbildungsministerin Anja Karliczek
Macron mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei der Import-Messe in SchanghaiBild: Getty Images/AFP/L. Marin

Gemeinsamer europäischer Auftritt in Schanghai

Dazu gehörte auch ein gemeinsamer Auftritt auf der Schanghaier Importmesse. Neben Macron saßen Anja Karliczek, die deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung, und Phil Hogan, der designierte neue EU-Handelskommissar. "Europa und China sind in der Lage, zu einer vernünftigeren Weltordnung beizutragen", erklärte Macron. Beide treten ein für "ein regelbasiertes internationales Handelssystem", sagte Karliczek. Aber auch hier zeigte sich eine Konstellation, in der Macron der große Meister ist: Gleich fünf französische Minister begleiteten ihn. Warum haben die Deutschen nicht wenigstens noch den Wirtschaftsminister mitgeschickt?

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Immerhin schlug Macron diplomatischere Töne an, als etwa im jüngsten Chinastrategiepapier der EU, wo von China noch als "Systemrivalen" die Rede war. Brüssel und Peking müssten aufeinander zu gehen. Nach seinem China-Besuch erklärte Macron in einem Interview klipp und klar, warum: "Wir finden uns das erste Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Idee des europäischen Projekts nicht teilt." Auf die USA sei kein Verlass mehr, während ein gelähmtes Europa Gefahr laufe, bald nicht mehr über sein eigenes Schicksal bestimmen zu können. Macron sagt laut, was viele in Europa denken: Das transatlantische Bündnis fällt auseinander, während China immer stärker wird. Gleichzeitig zeige Europa "eine außergewöhnliche Schwäche". Mehr denn je brauche Europa nun eine gemeinsame Strategie, findet Macron. "Je präziser und klarer wir sind, desto größer ist die Chance, dass wir in China zu Ergebnissen kommen." Macron spricht hier zwar für Europa, aber natürlich auch für Frankreich. Das ist das Dilemma der europäischen Strukturen.

Peking immer einflussreicher in Europa

Peking jedenfalls wartet nicht auf Brüssel. Mit kleinen, aber stetigen Schritten ist China innerhalb Europas immer einflussreicher geworden - an der EU vorbei gewissermaßen. Mit seinem 17+1-Gipfel schmiedet die Volksrepublik Koalitionen in Osteuropa und an den Rändern der EU, wo Brüssel es lange versäumt hat, in die Infrastruktur zu investieren. Vor lauter europäischer Trotzigkeit während der Finanzkrise hielt es auch die griechische Regierung für sinnvoll, immer enger mit den Chinesen zusammenzuarbeiten, wenn es um Investitionen geht.

Griechenland Containerhafen  Piräus
Seit Chinesen den Hafen von Piräus führen, floriert das GeschäftBild: picture-alliance/Xinhua

Das hat sich ausgezahlt: Der Hafen von Piräus ist nicht nur der geschäftigste Hafen im Mittelmeer, sondern auch einer der wichtigsten Brückenköpfe für Chinas "Neue Seidenstraße" geworden, um so besseren Zugang zu den europäischen Märkten zu bekommen. Diese Woche haben Peking und Athen weitere 16 Abkommen in den Bereichen Energie, Tourismus, Justiz und Kultur unterzeichnet. Eine Erfolgsgeschichte, die auch in anderen Ländern die Runde macht und zwar nicht nur solchen, die sich als EU-Verlierer fühlen. Peking hat bei seinen Vorstößen nach Europa stets auf bilaterale Verträge gesetzt, so dass die EU-Ebene finden außen vor blieb. Das soll sich nun ändern.

Ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China?

Ende 2020 sollen alle 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sowie politische Vertreter aus China zu einem EU-China-Gipfel in Leipzig zusammenkommen. So viel gebündelte Aufmerksamkeit hat Brüssel China noch nie geschenkt! Ultimatives Ziel ist ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China, das den gegenseitigen Marktzugang erleichtert und vor allem auch die Rechtsunsicherheit in China lindert.

Deutsche Firmen würden dort noch immer stark von Marktbeschränkungen beeinträchtigt, sagte diese Woche der Chef der Deutschen Handelskammer in Peking, Jens Hildebrandt. In einer Umfrage unter den deutschen Unternehmen in China gaben mehr als die Hälfte an, dass sie ihre Investitionen in China erhöhen würden, wenn ihnen mehr Marktzugang gewährt würde. Eine Einigung wäre ein Riesenschritt für China und für die EU. Gleichzeitig kann sie erst der Anfang sein. Denn: Erstens muss Europa es tatsächlich schaffen, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen, zweitens muss Europa wieder lernen, in großen politischen Dimensionen denken. Die EU braucht eine Industriepolitik, die diesen Namen verdient und ebenso strategisch und langfristig ausgerichtet ist wie die chinesische. "Wenn Europa sich nicht als Weltmacht sehen kann, wird es verschwinden", sagt Emmanuel Macron. Das wird ohne schmerzhafte Kompromisse unter den Nationalstaaten nicht möglich sein. Wer jedoch verstanden hat, wie mächtig China absehbar werden wird, sollte dazu bereit sein.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.