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Sierens China: Keine Ehe ist perfekt

Frank Sieren13. Oktober 2014

Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen haben gezeigt, dass es in jeder noch so guten Beziehung auch Schwachstellen gibt, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen in Berlin Merkel Li Keqiang 10.10.2014
Bild: Adam Berry/Getty Images

Schon zum dritten Mal in diesem Jahr haben sich chinesische Minister mit ihren Kollegen aus Deutschland getroffen. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel erst im Juli zu Besuch in Peking war, ist Chinas Premierminister Li Keqiang zu den 3. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin Ende vergangener Woche gleich mit 15 Ministern angereist, um Deals in Höhe von über zwei Milliarden Euro zu unterzeichnen. Und schaut man genauer hin, ist der Wert der 30 Verträge, die am Rande der Regierungskonsultationen von den Unternehmen vereinbart wurden, sogar noch weitaus höher: So einigte sich Daimler mit seinem chinesischen Partner Beijing Automotive. Gemeinsam wird man nun unter einem Dach in Peking Kompaktwagen montieren und an neuen Modellen tüfteln.

Bis zu vier Milliarden Euro will Dieter Zetsche in China investieren. Nicht erstaunlich, dass Martin Winterkorn nachzieht. Auch Volkswagen will seine Anteile am chinesischen Markt weiter ausbauen und sichert sich die Zusammenarbeit mit FAW, dem staatlichen Autohersteller in China, gleich für die nächsten Jahrzehnte bis zum Jahr 2041. Die Deutsche Telekom wiederum will künftig mit dem weltweit größten Mobilfunkbetreiber China Mobile kooperieren. In Bonn wird man dann den Chinesen Einsicht in die eigenen Entwicklungen erlauben. China Mobile soll im Gegenzug sein Mobilfunknetz in China zur Verfügung stellen. So wandert immer mehr deutsches Know-how in den großen boomenden chinesischen Markt.

Tausch: Technologie gegen Marktanteile

Das ist nichts Neues. Schon seit Jahrzehnten leben die Volkswirtschaften Deutschlands und Chinas gut von einem einfachen aber gut funktionierendem Geschäftsmodell: Sie tauschen westliche Spitzentechnologie gegen chinesische Marktanteile. Viel ist erreicht worden in den vergangenen zehn Jahren. Doch der Ärger auf beiden Seiten hat nicht abgenommen. Die Chinesen beschweren sich darüber, dass sie nicht die neueste Technologie bekommen. Die Westler aber bemängeln auf der anderen Seite, dass ihr Zugang zum chinesischen Markt eingeschränkt wird, und die Chinesen zudem noch ihre Erfindungen klauen. Das ist aber offensichtlich nicht so schlimm, dass die Partner nicht mehr miteinander reden. Im Gegenteil.

Mit keinem anderen wichtigen westlichen Land stimmen sich die Chinesen so eng ab wie mit Deutschland. Was nicht bedeutet, dass China Deutschland bevorzugt behandeln würde. Deutschland ist nützlich, weil es den besten Mittelstand Europas mit interessanter Technologie hat. Es ist nützlich, weil es die größte Wirtschaft Europas hat, und weil es die mächtigsten Politiker in Europa stellt. Das bedeutet jedoch, dass dies sich auch wieder ändern könnte, und dass Peking deswegen auf Nummer sicher geht. China versucht, auch mit England und Frankreich, den beiden anderen großen Playern in Europa, enge Beziehungen zu halten. Und Peking kümmert sich besonders um die aufstrebenden Regionen im Osten Europas.

Global Media Forum GMF. Foto Frank Sieren
DW-Kolumnist Frank Sieren

Nicht ohne Risiko für deutsche Wirtschaft

Die Chinesen möchten mit Hilfe der Deutschen vor allem eines: die chinesische Volkswirtschaft noch stärker machen. Das ist nicht ohne Risiko, nutzt der deutschen Wirtschaft jedoch mehr als es ihr dadurch schadet, dass chinesische Unternehmen immer mehr auch Wettbewerber deutscher Unternehmen werden. Bei ihrem Besuch in den vergangenen Tagen war die chinesische Delegation sehr interessiert an dem Projekt "Industrie 4.0" der Bundesregierung, bei dem es um die Digitalisierung der industriellen Fertigungstechnik geht. Im Mittelpunkt steht nicht nur eine Produktion ohne Menschen, sondern auch die intelligente Fabrik, die sich gewissermaßen selbst weiterentwickelt.

Das Wirtschaftsministerium, federführend bei diesem Projekt, ist allerdings nicht begeistert von der Idee, die Chinesen in ihr Labor schauen zu lassen - vor allem nicht ohne entsprechende Gegenleistung für die deutsche Wirtschaft in China. Solange das Geschäftsmodell Technologie gegen Markt weiter besteht, wird es diesen Zwist geben. Dass es nur funktionieren kann, wenn beide Seiten Vorteile von der Zusammenarbeit haben, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte, ist so wie in jeder ausgewogenen Partnerschaft. Wirklich zufrieden allerdings werden deutsche Unternehmen und der chinesische Staat nie sein. Es geht ja immer noch etwas mehr.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.