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Sierens China: Deutschland ist rückständig

Frank Sieren
Frank Sieren
9. Dezember 2018

Bei seinem China-Besuch sieht Bundespräsident Steinmeier, wie das Land sich zur Digitalnation wandelt. Wir müssen einen Weg finden, unsere Werte in diese neue technologische Weltordnung einzubringen, meint Frank Sieren.

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Bundespräsident Steinmeier in China
Bild: picture alliance/dpa/B. Pedersen

Fast eine ganze Woche hat Steinmeier sich für seine erste China-Reise als Bundespräsident Zeit genommen. Es ist seine bisher längste Reise in ein einzelnes Land seit seinem Amtsantritt im Februar 2017. Noch bis Montag reist er durch die Volksrepublik, stattet Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Museen einen Besuch ab und trifft Anfang nächster Woche Staatspräsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang zum Staatsbankett in Peking.

Wenn künstliche Intelligenz "am Ende zu Überwachung und Kontrolle genutzt wird, sind wir sicher unterschiedlicher Auffassung", erklärte Steinmeier zum Auftakt seiner Reise im südchinesischen Guangzhou. Und er fragte: "Wie verhindern wir, dass aus den riesigen Datenmengen Überwachungsprozesse generiert werden?"

Deutschland fällt technologisch zurück

Man kann die Frage auch noch allgemeiner formulieren: Wie schaffen wir es, dass unsere Vorstellungen und unsere Werte eine möglichst große Rolle in der nächsten globalen, technologischen Entwicklungsstufe spielen? Entscheidend dabei ist, dass wir selbst technologisch noch führend sind. Denn die Zeiten, in den der Westen die Spielregeln im Alleingang durchsetzen konnte, sind vorbei. Leider fällt Deutschland technologisch zurück. Erst kürzlich legte die Bundesregierung einen Plan vor, wonach wir zu "einem weltweit führenden Standort für KI-Technologien" aufsteigen sollen.

Berlin scheint die Dringlichkeit erkannt zu haben, stellt aber trotzdem nicht konsequent genug die Weichen. 100 neue Professuren sollen für Aufwind sorgen. Zudem sind nun bis 2025 Investitionen in Höhe von drei Milliarden Euro in den Aufbau eines KI-Sektors geplant. Zum Vergleich: Allein die Stadtregierung von Shanghai hat angekündigt, im gleichen Zeitraum 15 Milliarden Dollar für die Förderung von KI-Projekten auszugeben. Auch andere Städte und Regionen investieren in ähnlichem Umfang. Bis 2030 soll die chinesische KI-Branche einen Wert von 150 Milliarden US-Dollar haben und weltweit führend sein, wie die Regierung vor gut einem Jahr ankündigte. Schon heute stammen fünf der sieben wertvollsten KI-Startups aus China. Europa fällt hingegen zurück.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

China ist inzwischen einer unserer engsten Wirtschaftspartner und unser härtester Wettbewerber. Bereits 2016 hat die Volksrepublik die USA als wichtigster Handelspartner Deutschlands abgelöst. Es reicht jedoch längst nicht mehr, einfach das Außenwirtschaftsgesetz zu verschärfen, um zu verhindern, dass Technologie abfließt. 

Zuletzt untersagte Berlin im Sommer aus "sicherheitspolitischen Gründen" eine chinesische Übernahme des Ahlener Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld. Eine Rolle bei der Gestaltung der neuen globalen Spielregeln können wir nur spielen, wenn wir technologisch wettbewerbsfähig bleiben. Da muss der Bundespräsident mit seiner Kritik ansetzen. Dass wir nicht zurückfallen dürfen, muss eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser Reise werden. Ansonsten spielen unsere Wertvorstellungen bedauerlicherweise bald nur noch eine geringe Rolle.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.