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Silvio ante portas

Bernd Riegert, Brüssel16. April 2008

Freut Euch! Lahme EU-Gipfel werden künftig wieder einen größeren Glamour-Faktor haben, denn mit dem Silvio Berlusconi kehrt ein eitler Selbstdarsteller auf die europäische Bühne zurück.

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Bild: DW

Peinliche Ausrutscher und abgeschmackte Witzchen von Medienmogul und bald wieder Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi werden in Europa bald sicher wieder für Heiterkeit sorgen. Der 71-Jährige, der in seiner neuen Amtszeit dank chirurgischer und dermatologischer Kunstgriffe jünger und haariger aussieht als zuletzt vor zwei Jahren, als er abgewählt wurde, genießt in Brüssel einen geradezu legendären Ruf.

Berlusconi legte 2003 die schlechteste EU-Präsidentschaft seit vielen Jahren hin. Die Vorbereitung für seinen EU-Gipfel kritzelte er auf eine fleckige Papierserviette. Der selbst ernannte Charmeur düpierte die finnische Präsidentin mit Playboy-Allüren. Er brachte den dänischen Premier in Rage, weil er ihn als schönsten Regierungschef Europas seiner Frau vorstellen wollte. Den deutschen Bundeskanzler kränkte er mit dümmlichen Fußball- und Frauenwitzen. Den Fraktionschef der Sozialisten im Parlament beschimpfte Berlusconi als Capo in einem NS-Konzentrationslager. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Gespannt sind Journalisten und EU-Diplomaten schon auf das erste Zusammentreffen von Silvio dem Großen und dem Präsidenten der Grande Nation, dem Franzosen Nicolas Sarkozy, der ebenfalls zum Schaulaufen neigt. Die beiden egozentrischen Duzfreunde werden sicher viel zu ihren Ehefrauen, eigenen Fettpölsterchen Sangeskünsten und Manneskraft des anderen zu sagen haben – zumindest hinter verschlossenen Gipfeltüren.

Im Wahlkampf hatte der zwergenhafte Hüne (knapp über 1,70m) Berlusconi schon vorsorglich darauf hingewiesen, das er größer sei als der französische Präsident, der mangelnde Körpergröße gerne mit hohen Absätzen kaschiert. Jetzt wird wahrscheinlich ein hektischer Wettkampf um die politische Größe beginnen.

Schwierigkeiten erwartet man in Brüssel vor allem in der Finanzpolitik, wo sowohl Präsident Sarkozy als auch demnächst Ministerpräsident Berlusconi gegen harte Spar- und Haushaltsauflagen aus der EU-Zentrale stänkern. Es sei nur kurz daran erinnert, dass in Berlusconis erster Regentschaft der italienische Staatshaushalt gründlich ruiniert wurde.

In der Rechts- und Innenpolitik vertreten beide einen restriktiven Kurs. Italien könnte durch die Beteiligung der rechtspopulistischen Liga Nord recht unbeweglich werden, fürchtet der Sozialisten-Chef im Parlament, Martin Schulz. Der heutige EU-Justizkommissar Franco Frattini soll wohl erneut Außenminister im Kabinett Berlusconi werden. Wenigstens einer, der was von Europa verstehen müsste, trösten sich die Optimisten in Brüssel.

Der italienische Nachfolge-Kandidat für das Amt des EU-Kommissars steht noch nicht fest. Pessimisten fürchten, es könnte wieder ein Politiker wie Rocco Buttiglione sein. Der war 2004 vom damaligen Ministerpräsidenten Berlusconi ins Rennen geschickt worden. Der konservative Katholik stach durch unhaltbare Äußerungen über Homosexualität hervor und war im Europaparlament nicht durchzusetzen. Wie gesagt: Europa wird durch den Machtwechsel in Italien bestimmt nicht langweiliger!