1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sind die Klimaschutz-Ziele noch zu erreichen?

Hilke Fischer25. November 2015

Im Vorfeld des Pariser Klimagipfels haben Staaten ihre Absichtsereklärungen eingereicht. Doch das allein reicht nicht aus, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.

https://p.dw.com/p/1GjUJ
rauchende Schornsteine in Kalkutta Foto: DESHAKALYAN CHOWDHURY/AFP/Getty Images
Bild: Getty Images/AFP/D. Chowdury

Die Temperatur auf der Erde ist seit Beginn der Industrialisierung um ein Grad gestiegen. Das haben Berechnungen des britischen Wetterdienstes ergeben. Das ist die Hälfte der kritischen Zwei-Grad-Grenze. Sie gilt unter Wissenschaftlern als Limit. Erwärmt sich der Planet weiter, werden die Auswirkungen des Klimawandels katastrophale Ausmaße erreichen, prophezeien Klimaexperten.

Sie erhalten Schützenhilfe von der Weltorganisation für Meteorologie. Dem Bericht der WMO zufolge, erreichte auch die Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Atmosphäre in diesem Monat einen neuen Höchststand.

Vor diesem Hintergrund versuchen die Vertreter von 195 Staaten bis zum 11.12.2015 in Paris ein neues Weltklimaabkommen mit verbindlichen Zielen auszuhandeln, das das Kyoto-Protokoll von 1997 ersetzen kann.

Am ersten Oktober lief eine informelle Frist ab, zu der alle Staaten, die dem "Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen" (UNFCCC) beigetreten sind, ihre Klimaschutz-Ziele für 2025 und 2030 benennen sollten.

146 Länder reichten ihre sogenannten "Intended Nationally Determined Contributions" (INDCs) ein - das sind drei Viertel aller Mitgliedsstaaten. UNFCCC-Sprecher Nick Nuttall war mit dem Ergebnis zufrieden: "Das sind sehr viele Länder mit einer hohen geographischen Streuung", sagte er im DW-Interview. "Darunter sind alle Industriestaaten und die großen Entwicklungsländer. Auch wenn jetzt noch mehr INDCs eingereicht werden, wird das keinen großen Unterschied mehr machen."

Inzwischen haben weitere Staaten ihre INDCs eingereicht. Die Versprechen reichen, wie von Nuttall ewartet, immer noch nicht aus.

Forscher nehmen an, dass die schlimmsten Folgen des Klimawandels nur dann vermieden werden können, wenn sich die Erde um weniger als zwei Grad Celsius erwärmt. Die bislang eingereichten INDCs werden es jedoch nicht schaffen, unter dieser Grenze zu bleiben: Sollten sie alle implementiert werden, würde die Temperatur - verglichen mit der vorindustriellen Zeit - um 2,7 Grad ansteigen, haben die Forscher von Climate Action Tracker (CAT) berechnet. CAT ist eine unabhängige Analyse, erstellt von vier Forschungsinstituten, die Selbstverpflichtungen einzelner Staaten zu Klimaschutzbemühungen untersucht.

Infografik Global greenhouse gas emissions

Experten fordern Überarbeitung der INDCs

Alle Regierungen müssen ihre eigenen Beiträge noch einmal überprüfen", sagt Louise Jeffery im DW-Gespräch. Sie ist Forscherin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und an der Erstellung des Climate Action Trackers beteiligt.

Die meisten von CAT ausgewerteten Klimastrategien erhielten das Prädikat "durchschnittlich" oder "mangelhaft". Indien etwa gehörte zu den letzten Ländern, die ihre INDCs einreichten - und ist eines der wichtigsten in Bezug auf den zukünftigen CO2-Ausstoß. Das aufstrebende Schwellenland will seine Emissionen bis 2030 um ein Drittel reduzieren - allerdings gekoppelt an das Wirtschaftswachstum. Sollte sich das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren verdoppeln, kann Indien auch das Doppelte an schädlichen Gasen ausstoßen - abzüglich der angepeilten Reduktion.

Vertrauen auf das Prinzip Hoffnung

Auch die Europäische Union landete mit ihrer INDC nur im Mittelfeld. Dabei hat vor allem Deutschland sehr ehrgeizige Klimaziele: Bis 2020 will das Land seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 40 Prozent reduzieren. Doch noch enthält der Plan eine "Klimaschutz-Lücke", die nach Schätzungen der Bundesregierung rund 90 Millionen Tonnen CO2 schwer ist. "Ohne weitere Maßnahmen landen wir bei etwa 32 bis 35 Prozent Verminderung", sagt Christian Hey im DW-Interview. Er ist Generalsekretär des Umweltrats, ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung.

Kohlekraftwerk Neurath Foto: imago/H.-G. Oed
Deutschland setzt noch weiterhin auf Kohlekraft - und wird deshalb seine Klimaschutz-Ziele wahrscheinlich verfehlenBild: Imago/H.-G. Oed

Im März hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel deshalb eine Klimaabgabe für Kohlekraftwerke auf den Tisch gebracht, machte dann auf Druck der Lobby hin jedoch einen Rückzieher. Auch das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben, scheint kaum noch erreichbar: Im Mai 2015 waren rund 22.000 zugelassen, hinzu kommen gut 120.000 sogenannte Plug-in-Hybride, die neben dem Elektro- auch einen Verbrennungsmotor haben. "Das Klimaprogramm setzt im Moment auf das Prinzip Hoffnung und noch nicht auf Maßnahmen, die tatsächlich auch wirksam erreicht werden", so Hey.

Langfristige Maßnahmen statt guter Wille

Damit aus Absichtserklärungen messbare Fortschritte werden, müssen auch die INDCs im Zuge der Pariser Klimakonferenz durch langfristige Mechanismen abgesichert werden, fordert CAF-Forscherin Jeffrey - zum Beispiel, indem der Fortschritt bei den Klimazielen alle fünf Jahre wieder auf den Prüfstand gestellt wird.

Die geplanten Klimaschutz-Maßnahmen müssten dann entsprechend angepasst und eventuell verschärft werden, um die Zwei-Grad-Grenze doch noch zu unterschreiten. Zudem müsse in Paris sichergestellt werden, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer ausreichend finanzielle Unterstützung zugesichert bekämen, um ihre Klimaziele umzusetzen, sagt UNFCCC-Sprecher Nick Nuttall: "Was unsere Ambitionen angeht, so sind die INDCs nicht das Ende der Fahnenstange, sondern das Fundament, auf dem sämtliche weitergehenden Maßnahmen fußen."

Auf dem diesjährigen Weltklimagipfel sollen sich die Vertragsstaaten vor allem auf bindende Regeln zu CO2-Emission festlegen. Kritiker hatten immer wieder angemerkt, dass die Umsetzung der nationalen Klimaschutzstrategien anderenfalls vom guten Willen nachfolgender Regierungen abhänge.

Auch das deutsche 40-Prozent-Ziel ist nicht rechtsbindend, sondern ein politisches Bekenntnis. Nachdem sich Angela Merkel als Klimakanzlerin international einen Namen gemacht hat, steht viel auf dem Spiel, sollte dieses Ziel nicht erreicht werden: "Natürlich nähme die Glaubwürdigkeit Deutschlands als ein Vorreiterland des internationalen Klimaschutzes dadurch ganz erheblichen Schaden", sagt Umweltrat-Generalsekretär Hey. "Und das bedeutet nichts anderes, als dass auch die Glaubwürdigkeit eines Motors in den internationalen Verhandlungen Schaden nimmt. Und das würde letztendlich auch dem globalen Klimaschutz schaden."