1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Sinn Fein stößt bürgerliche Parteien vom Thron

10. Februar 2020

Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, doch die Sensation ist schon perfekt: Die Sinn Fein - ehedem der politische Arm der Terrororganisation IRA - überflügelt bei der Wahl in Irland die etablierten Parteien.

https://p.dw.com/p/3XWNG
Sinn-Fein-Parteichefin Mary Lou McDonald (Foto: picture-alliance/AP Photo/P. Morrison)
Eitel Freude: Sinn-Fein-Parteichefin Mary Lou McDonaldBild: picture-alliance/AP Photo/P. Morrison

Der Auszählung der ersten Präferenzen der Wähler zufolge schnitt Sinn Fein unter ihrer Chefin Mary Lou McDonald besser ab als alle anderen Parteien. Stärkste Kraft im Parlament dürfte die Partei, die früher als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA (Irisch-Republikanische Armee) galt, aber trotzdem nicht werden. Dafür stellte sie zu wenige Kandidaten auf. Sie war selbst von ihrem Erfolg überrascht. Bei dem komplizierten Wahlsystem in Irland hat jeder Wähler zwar nur eine Stimme, kann aber mehrere Präferenzen angeben, die nacheinander ausgezählt werden. Nach ersten Auszählungen liegt Sinn Fein bei 24,5 Prozent. Die große bürgerliche Oppositionspartei Fianna Fail erreichte 22,2 Prozent, die liberal-konservativen Partei von Regierungschef Leo Varadkar, Fine Gael, erhielt 20,9 Prozent der Stimmen. 

Kabinettsbildung in Dublin wird Kraftakt

Der Wahlerfolg von Sinn Fein wurde von Beobachtern bereits mit einem politischen Orkan verglichen, der ähnlich wie das Sturmtief "Ciara" (in Deutschland "Sabine" genannt) am Wochenende über Irland hinwegfegte. Bislang wurde die Politik des Landes seit der vollständigen Unabhängigkeit von Großbritannien stets von Fine Gael und Fianna Fail dominiert. Nun betritt eine dritte ernstzunehmende politische Kraft die Bühne.

Enttäuschung pur: Irlands Premier Leo Varadkar (l.) von der Fine Gael. Rechts sein Lebenspartner Matthew Barrett (Foto: Reuters/L. O'Sullivan)
Enttäuschung pur: Irlands Premier Leo Varadkar (l.) von der Fine Gael. Rechts sein Lebenspartner Matthew Barrett Bild: Reuters/L. O'Sullivan

Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Eine Beteiligung der Sinn Fein sei "keine Option", erklärte Ministerpräsident Varadkar. Zuvor hatte dagegen die Mitte-Rechts-Partei Fianna Fail eine Koalition mit der Sinn Fein nicht ausgeschlossen. Sollte es wider Erwarten doch zu einer Regierungsbeteiligung der bisher lange geächteten Sinn Fein kommen, dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden. Das würde auch die Brüsseler Verhandlungen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen nach dem Ende der Brexit-Übergangszeit zum Jahresende betreffen. Der EU-Austritt Großbritanniens hatte allerdings bei der Wahl so gut wie keine Rolle gespielt. Nur ein Prozent der Wähler gab bei einer Nachwahlbefragung an, der Brexit sei das wichtigste Thema gewesen. Weitaus bedeutender waren für die Wähler die Themen Gesundheit, Wohnen und Rente.

Micheál Martin von der Fianna Fail (Foto: Reuters/H. Nicholls)
Demonstrativer Optimismus: Micheál Martin von der Fianna Fail Bild: Reuters/H. Nicholls

Für Premierminister Varadkar verlief der Wahltag am Samstag enttäuschend. Dass er im Amt bleiben kann, gilt als unwahrscheinlich. Er führt mit Fine Gael eine Minderheitsregierung an, die von Fianna Fail mit Oppositionschef Micheál Martin an der Spitze toleriert wird. Doch ob diese Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann, möglicherweise auch unter umgekehrten Vorzeichen, ist derzeit völlig ungewiss.

Vereinigung mit Nordirland als großes Ziel  

Sinn-Fein-Präsidentin McDonald kündigte an, mit den kleineren Parteien Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung aufzunehmen. "Ich möchte, dass wir idealerweise eine Regierung ohne Fianna Fail oder Fine Gael haben", so McDonald. Doch ob es dafür selbst mit Unterstützung aller kleineren Parteien und unabhängigen Abgeordneten reichen würde, war nicht klar. McDonald schloss aber auch Gespräche mit den beiden großen Parteien nicht aus. Die 50-Jährige, die als Mitglied des Europäischen Parlaments internationale Erfahrung gesammelt hatte, ist seit zwei Jahren als Nachfolgerin von Gerry Adams Chefin der Partei. Sinn Fein fordert eine Wiedervereinigung des britischen Landesteils Nordirland mit der zur Europäischen Union zählenden Republik Irland. Als einzige Partei tritt sie bei Wahlen in beiden Teilen Irlands an. 

sti/se (dpa, rtr)