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Sinnestäuschung durch die Kunst: PALOMINO

20. September 2001

Am 25. August wurde die Ausstellung PALOMINO in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet.

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Jeder kennt das Gefühl, dass "irgend etwas nicht stimmt". Dieses Gefühl tritt besonders dann auf, wenn die Dinge ihre gewohnte Schärfe, ihre beruhigende Eindeutigkeit oder Wiederholbarkeit verlieren. Am 25. August wurde die Ausstellung PALOMINO in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet, deren Macher es sich zum Ziel gesetzt haben, die Wahrnehmung des Betrachters zu irritieren und sie in ihrer Wahrhaftigkeit in Frage zu stellen. Bis zum 4. November sind Werke von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die auf unterschiedlichen Ebenen Wahrnehmungsverschiebungen oder Halluzinationen erzeugen.

Die Ausstellung ist als Parcours der täuschenden Wahrnehmung konzipiert. Als einer der ersten Künstler im 20. Jahrhundert hat Marcel Duchamp sich bereits in den 20er Jahren mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen von optischen Täuschungen beschäftigt. So sind Duchamps hypnotischen "Rotoreliefs" von 1935 prototypisch für seine Auseinandersetzung mit visueller Wahrnehmung. Sein gemeinsam mit Marc Allégret und Man Ray produzierter Film "Anémic Cinéma" von 1925/26 ist eines der ersten Beispiele für die Auseinandersetzung mit visuellen Effekten im Medium Film und stellt gleichzeitig auch eine "Vorstufe" zu den "Rotoreliefs" dar.

Des weiteren zeigt die Ausstellung auch Beispiele anderer experimenteller Filmemacher. Der Neuseeländer Len Lye ist vor allem durch seine Filme bekannt geworden, die ohne Kamera und nur durch die direkte Bearbeitung des Filmmaterials durch Zerkratzen, Bemalen und direkte Belichtung entstanden sind.


Mit Anthony McCalls "Line Describing a Cone" wird ein Schlüsselwerk aus den 70er Jahren gezeigt: das projizierte Licht wird nach und nach zu einem "immateriellen" Lichtkegel im nebelgefüllten Ausstellungsraum. Neben diesen Arbeiten werden mit Gemälden von Bridget Riley und Victor Vasarely aber auch Werke von Künstlern präsentiert, die sich seit den 60er Jahren als Protagonisten der Op Art mit visuellen Phänomenen und deren Wirkung auf die Betrachter auseinandersetzen. Daneben produziert eine "Dreammachine" von Brion Gysin Visionen. Diese Beispiele sind alle als historische Referenzen in PALOMINO eingebettet.

Die zeitgenössischen Werke wurden ebenfalls im Hinblick auf ihre psychoaktive, wahrnehmungsmodifizierende Wirkungsweise ausgewählt. Carsten Höllers "Lichtecke" ­ eine Lichtfläche mit nahezu 2000 Glühbirnen, die in einer Frequenz von 7,8 Hz blinken ­ produziert besonders bei geschlossenen Augen psychedelische Farbeffekte. Seine "Umkehrbrille" erlaubt einen Ausstellungsbesuch "auf dem Kopf", um "die wahre Welt zu betrachten": so wie sie als umgekehrte Projektion auf der Netzhaut erscheint. "[Oszo 3]TM" von Ritchie Riediger reißt die Zuhörer in einen Strudel ungewöhnlicher akustischer Erfahrungen. Der "Stilleraum" hingegen wirft die Benutzer auf sich selbst zurück, indem sie in einem total schallisolierten Raum von jeglicher akustischer Information abgeschirmt werden: man hört sich selbst, das Rauschen im Kopf, das Fließen des Blutes.

Olafur Eliassons "Yet Untitled" verblüfft durch scheinbar schwebende Wassertropfen. Sein sich von konkav zu konvex dehnender Spiegel erinnert an entsprechende Drogenerfahrungen. Katarina Löfströms Film "Whiteout" ist ein Versuch über die Flecken und Farben im Auge, welches zu lange die Sonne gesehen hat. Henrik Plenge Jakobsens Arbeit bietet die Möglichkeit, sich durch das Inhalieren von Lachgas zu verändern, so wie auch Heimo Zobernigs zerbrochener Spiegel eine Vielzahl fragmentarischer Reflexionen von Welt zeigt. Des weiteren werden ausgewählte Phänomene der psychologischen Optik - geometrisch-optische und akustische Täuschungen - sowie Max Wertheimers "Phänomen Phi" ausgestellt.