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Sitzenbleibern droht in Sachsen das Lerncamp

27. März 2011

Im Bundesland Sachsen lernen Schüler in den Ferien in einem "Camp Plus", sich wieder für die Schule zu begeistern. Das Projekt kann gute Erfolge vorweisen.

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Lernplakat zur Kreisberechnung (Foto: DW)
Lernplakat zur KreisberechnungBild: Camp Plus

Mathematik - allein schon das Wort lässt Jannes zusammenzucken. Prozentrechnung und "diesen ganzen Rechenkram" findet der blondhaarige Schlacks, der im sächsischen Zwickau gerade die 8. Klasse besucht, einfach verdammt uncool. Und nun muss der 14-Jährige auch noch wegen Mathe auf seine Winterferien verzichten.

Gruppenarbeit während der Lernzeit ist wichtig (Foto: DW)
Gruppenarbeit während der Lernzeit ist wichtigBild: Camp Plus

Gut eine Woche ist vergangen, seitdem Jannes das Halbjahreszeugnis mit dem unangenehmen Vermerk "versetzungsgefährdet" bekommen hat, das seine Eltern und seine Klassenlehrerin dazu bewogen hat, ihn ins "Camp Plus" zu schicken. Nun sitzt er im sächsischen Schneeberg im Erzgebirge in einem Lerncamp für insgesamt 50 versetzungsgefährdete Schüler und büffelt gemeinsam mit den anderen Mathe, Deutsch und Englisch. "Erst war ich nicht begeistert, aber jetzt finde ich es übelst cool und bin froh, dass ich hergekommen bin."

Jannes' Lehrerin an diesem Vormittag heißt Conny Moras, neben Jannes sitzen noch zehn weitere Schüler in ihrer Gruppe. Gerade werden Texte gelesen, wobei es vor allem darum geht, diese nicht einfach herunter zu beten, sondern sie inhaltlich auch zu verstehen. "Gerade dieses Textverständnis ist bei Schülern schwierig, deshalb müssen wir das hier verstärkt üben", erklärt die Lehrerin.

Gespräche zwischen Tür und Angel

Direkt nach dem Frühstück beginnen die Lerngruppen, von denen es insgesamt fünf gibt. Jede hat ihre eigenen Betreuer: Lehrer, Sozialarbeiter, Freizeitpädagogen. Gut zwei Stunden wird am Vormittag gelernt, dann geht es nach dem Mittag in die Projektarbeit: Kochen, Musik, Mediengruppe, Bühne und Theater.

Jannes mit anderem Schüler in der Holzwerkstatt (Foto: DW)
Jannes (rechts im Bild) in der HolzwerkstattBild: Camp Plus

Jannes arbeitet in der Holzwerkstatt und baut zusammen mit den Anderen Musikinstrumente. Für Teamleiter Andreas Edhofer ist diese Projektarbeit noch wichtiger als das Lernen am Vormittag. "Wir sehen die Freizeit nicht extra, das ist im Konzept mit drin, selbst Gespräche zwischen Tür und Angel oder auf Wanderungen sind wichtig, weil wir dadurch Blockaden viel besser lösen können." Die Schüler sollen im Camp die Lust und Motivation am Lernen zurückgewinnen, ihre Stärken und Schwächen ausloten und dabei Wege finden, private und schulische Probleme anzugehen. Bildungsvereinbarungen treffen nennt das Andreas Edhofer.

Die meisten Probleme liegen für den Teamleiter in Konzentration und Ausdauer, Dinge zu bewältigen. "Sie sollen sich wieder klare Ziele setzen können - dabei müssen und wollen wir ihnen auf die Sprünge helfen."

Hohe Erfolgsquote, engagierte Teamleiter

Teamleiter Andreas Edhofer (Foto: Camp Plus)
Teamleiter Andreas EdhoferBild: Camp Plus

"Camp Plus" läuft in Sachsen seit vier Jahren und kostet die Jugendlichen einmalig 40 Euro. 150 Schülerinnen und Schüler sind 2011 dabei. Neben dem Schneeberger Camp gibt es parallel noch zwei weitere. Sachsen hat sich die Camp-Idee in einigen Punkten von den hessischen sogenannten Ostercamps abgeschaut, die es schon etwas länger gibt.

Neu am Projekt in Sachsen ist, dass die Jugendlichen über das zweiwöchige Schülerlager hinaus bis zum Ende der 8. Klasse weiter betreut werden. Bis zu den Sommerzeugnissen kümmern sich Lehrer und Sozialpädagogen intensiv um die Versetzungsgefährdeten, reden wenn nötig mit den Eltern oder in Ausnahmefällen auch mit dem Jugendamt.

Mehr als eine halbe Million Euro gibt das Land Sachsen jährlich für das Projekt aus, ein Teil kommt aus den Töpfen des Europäischen Sozialfonds. 80 Prozent der lernschwachen Jugendlichen schaffen so am Ende doch noch den Sprung in Klasse 9. Für Teamleiter Enrico Damme ist das ein Erfolg, denn "wenn wir sie heute verlieren, sitzen die morgen auf der Hartz IV-Wartebank". Deshalb kämpften sie hier bei "Camp Plus" um jeden einzelnen Schüler - wie eben um den 14-jährigen Jannes aus Zwickau.

Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Kay-Alexander Scholz