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Politik

Slowakischer Enthüllungsjournalist ermordet

26. Februar 2018

Die slowakische Öffentlichkeit ist geschockt: Ein Investigativreporter und seine Verlobte werden eiskalt erschossen. Jan Kuciak war mächtigen Männern des EU-Staates auf die Füße getreten.

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Slowakei Investigativ-Journalist Jan Kuciak ermordet
Polizisten am Tatort in Velka Maca, rund 50 Kilometer von Bratislava entferntBild: Getty Images/AFP/V. Simicek

Polizisten fanden die Leichen des 27-Jährigen und seiner Verlobten in deren Privathaus. Wahrscheinlichstes Motiv des Doppelmordes sei die Tätigkeit des Mannes gewesen, erklärte Polizeipräsident Tibor Gaspar in Bratislava. "Die Indizien weisen darauf hin, dass die Ermordung geplant war und nicht bei einer spontanen Auseinandersetzung erfolgte", sagte Gaspar. Beide Opfer seien durch Schüsse in Kopf und Brust getötet worden.

Ministerpräsident Robert Fico sprach von einem "beispiellosen Angriff auf Pressefreiheit und Demokratie in der Slowakei", sollte Kuciak tatsächlich wegen seiner journalistischen Arbeit ermordet worden sein. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die EU könne nicht dulden, dass ein Journalist getötet werde, weil er seinen Job mache. Tajani rief die slowakischen Behörden auf, "gründliche Ermittlungen - bei Bedarf mit internationaler Unterstützung - einzuleiten".

Im Schatten der organisierten Kriminalität

Auch im benachbarten Tschechien sorgt der Fall für Aufsehen. Der dortige Regierungschef Andrej Babis verurteilte die Ermordung. Er sei "schockiert", teilte er auf Twitter mit. Er lehne jedwede Form von Gewalt gegen Journalisten ab, fügte der Gründer der populistischen ANO-Bewegung und gebürtige Slowake hinzu.

Slowakei Ermordung Jan Kuciak, Journalist
Jan Kuciak wurde 27 Jahre alt (Archivbild)Bild: aktuality.sk

Kuciak hatte im Internetportal Aktuality.sk regelmäßig über Fälle von mutmaßlichem Steuerbetrug berichtet. Im Visier hatte er dabei vor allem prominente Unternehmer, die den Recherchen zufolge Geschäftsverbindungen zu den regierenden Sozialdemokraten ebenso wie zur organisierten Kriminalität unterhalten haben sollen.

Einer dieser Unternehmer hatte Kuciak zuletzt öffentlich wegen dessen Aufdeckungsberichten gedroht. Dabei ging es allerdings nicht um Gewaltanwendung. Er wolle über Kuciak und dessen Familie ähnliche "Schmutzberichte sammeln" wie dieser über ihn, hatte der Unternehmer Marian Kocner gegenüber Medien erklärt.

Kocner gilt vielen in der Slowakei seit Jahrzehnten als besonders schillernde Symbolfigur für Verbindungen zwischen Politik und zwielichtiger Geschäftemacherei. Der nun ermordete Kuciak und andere Journalisten sagten ihm zuletzt geschäftliche Verbindungen zu Spitzenpolitikern bis hin zum umstrittenen Innenminister Robert Kalinak nach.

Schützende Hand des Innenministers?

Polizeipräsident Gaspar erklärte: "Die Slowakei hat noch nie einen solch beispiellosen Angriff auf einen Journalisten erlebt." Gaspar selbst hatte indes wiederholt Innenminister Kalinak bei dessen heftiger Kritik an Aufdeckungsjournalisten unterstützt. Kalinak wird von den Medien seit längerem vorgeworfen, mutmaßliche Steuerbetrüger zu schützen. Der Minister wies bisher jedoch alle solchen Vorwürfe zurück.

Robert Fico
"Beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit": Ministerpräsident Robert Fico (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Der Medienkonzern Axel Springer erklärte: "Wir sind entsetzt und fassungslos über die Nachricht, dass Jan Kuciak und seine Lebensgefährtin offenbar Opfer eines grausamen Attentats geworden sind. Auch wenn die Hintergründe noch nicht vollständig aufgeklärt sind, liegt der Verdacht nahe, dass das Verbrechen im Zusammenhang mit einer laufenden Recherche unseres Kollegen steht."

Kuciak war seit 2015 Redakteur des Newsportals Aktuality.sk, das zu Ringier Axel Springer gehört. "Sollte das Attentat ein Versuch sein, einen unabhängigen Verlag wie Ringier Axel Springer Slovakia davon abzuhalten, Missstände aufzudecken, werden wir dies zum Anlass nehmen, unseren journalistischen Auftrag noch gewissenhafter und konsequenter auszuüben", kündigte Springer an.

jj/uh (dpa, afp)