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Gesellschaft

So campen die Deutschen

Maria Bravo | Johann Schrof
6. September 2018

Ob Luxusfreunde, Traditionscamper oder Retrofans - Camping im Wohnwagen erreicht in Deutschland alle Schichten und Altersklassen. Während die meisten den Komfort genießen, geht manchem auch etwas verloren.

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Symbolbild Wohnmobil Camping Campingplatz
Bild: picture-alliance/dpa/R. Kungel

Die Zeiten, in denen sich viele Deutsche am liebsten auf Liegestühlen in der prallen Sonne am Hotelpool rösten ließen, sind vorbei. Immer mehr zieht es deutsche Urlauber in die Natur. Seit Jahren schon liegt das Wandern im Trend. Jetzt wird auch das Camping im rollenden Eigenheim immer beliebter: Der Caravaning Industrie Verband (CIVD) verzeichnet Rekordverkäufe. Im ersten Halbjahr 2018 wurden über 46.000 Wohnmobile und Wohnwagen in Deutschland neu zugelassen - mehr als je zuvor. Bereits seit Jahren ist die Caravaning-Industrie auf Wachstumskurs. Auch deutsche Campingplätze profitieren: Der Bundesverband der Campingwirtschaft rechnet bis Ende 2018 mit zehn Prozent mehr Übernachtungen als im Vorjahr.

Daniel Onggowinarso, Geschäfsführer des CIVD, erklärt den Erfolg des Caravanings mit der gestiegenen Attraktivität "in allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen“. Vor noch nicht langer Zeit sah das ganz anders aus: Caravaning und Campen waren das Gegenteil von cool und angesagt. Vom deutschen Wohnmobil-Camper gab es ein bestimmtes Bild in der Gesellschaft: Spießig sei er, potentiell ein Wurst- und Grill-Liebhaber, und er richte sich stets so ein wie zu Hause. Wie bei Vorurteilen üblich, sind auch diese nur begrenzt zutreffend: Der deutsche Camper lässt sich heute auf keine bestimmte Gruppe festlegen.

Deutschland Dauercamper
Beim Dauercamping bleibt der Wohnwagen an Ort und Stelle. Die Camper richten sich ein wie zu Hause.Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Junge Familien: Campen mit Komfort

Familie Hanke aus Aachen etwa kann wohl kaum als klassische Camper bezeichnet werden: Der junge Familienvater Michael karrt mit Kinderwagen und Frau im Schlepptau durch Halle 14 des Caravan Salons, der weltgrößten Messe für Freizeitfahrzeuge. "Ich versuche, meine Frau davon zu überzeugen, dass Campingurlaub mit Kindern am besten ist", berichtet er, während sie noch etwas skeptisch wirkt. Er selbst kennt Campingurlaube aus seiner Kindheit und ist der Meinung: "Campingplätze sind für Kinder besser als das Hotel." Eigentlich sei er eher der klassische Camper ohne viel Schnickschnack, "aber da ich meine Frau überzeugen muss, geht es schon eher in die Luxusklasse, wo man dann im Wohnwagen eine Dusche und alles Drum und Dran hat".

Auch bei den Kavcis aus Wolfsburg ist es der Komfort, der Campen für sie als frischgebackene Eltern interessant macht: "Totalen Luxus brauche ich nicht, aber jetzt mit dem Kind sollte das Wohnmobil natürlich schon gewisse Extras haben, sodass man sich wohlfühlt", erzählt Mutter Ebru Kavci. Ihr sind mehr Platz und verstellbare Betten bei einem Wohnmobil wichtig. Anders kann sie sich Campen mit Baby nicht vorstellen.

Aber auch diejenigen, die "Luxus pur" suchen, werden fündig: Beim sogenannten "Glamping" wird zwar auch Urlaub in der Natur gemacht, das einfache Zelt aber reicht vielen nicht mehr. Sie entscheiden sich zum Beispiel für luxuriöse Ausstattungen wie eine Poolanlage auf dem Campingplatz oder ein Himmelbett im Zelt.In Wohnmobil und -wagen steht Glamping für Annehmlichkeiten wie ein Kingsize-Bett, eine Regendusche oder eine integrierte Garage für das Auto. Wer bereit ist, eine sechs- bis siebenstellige Summe zu zahlen, kann in einer mobilen Luxussuite residieren. Das teuerste Modell auf der diesjährigen Caravan Salon lag bei knapp 1,5 Millionen Euro.

Caravan Salon Messe 2018 - Concorde Centurion 1165 GSI
Luxus pur: Die Einrichtung dieses Caravans erinnert eher an eine Hotelsuite als an einen Wohnwagen.Bild: DW/J. Schrof

Die Mittzwanziger: Back to the roots

Doch Caravan bedeutet nicht immer gleich Luxus. Als Gründer eines VW-Bus-Verleihs haben sich Jerome und Michelle auf eine Version des beliebten VW-Transporters aus den 1980er Jahren spezialisiert. Jerome ist gelernter Automechaniker, seine Freundin Michelle arbeitet bei der Post. Die beiden wollen hauptsächlich junge Menschen ansprechen, bei denen Camping-Fahrzeuge von früher gut ankommen. "Wir gehen selbst campen, damit hat es bei uns angefangen", erklärt der 27-Jährige: "Letztes Jahr haben wir uns den ersten (VW-Camper) T3 gekauft und sind damit im Urlaub gewesen, nachdem wir ihn generalüberholt hatten."

Auch bei Festivals oder Wochenendausflügen nutzen die beiden ihren Bulli. Für sie steht Camping für Freiheit, Natur und Mobilität. "Für Luxuscamping sind wir eigentlich nicht zu haben", sagt Jerome und seine 24-jährige Freundin nickt zustimmend. Ihr Prinzip: "Back to the roots". Beim Einsteigen in einen T3 fühle man sich 30 Jahre zurückversetzt.

Die Neueinsteiger: Selbstbestimmt reisen

Ob Jung oder Alt, wie der Caravaning-Verband der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte, sind Gründe für die Beliebtheit von Camping im Wohnmobil: "Unabhängigkeit, Flexibilität, Selbstbestimmtheit". Neben jungen Menschen sind es auch Rentner wie das Ehepaar Kloos, die auf den Geschmack gekommen sind. "Wir wollen nächstes Jahr das erste Mal eine Reise mit dem Wohnmobil machen", erzählt Franz Kloos: "Bisher waren wir noch nie campen."

40 Jahre lang haben die Kloos Hotelurlaub gemacht, nun wollen sie "auf die letzten Tage" etwas anderes kennen lernen. Für Rosemarie Kloos bietet Campen einen entscheidenden Vorteil: "Da kann man überall hinfahren. Ansonsten ist man ja immer an einen Ort gebunden und das haben wir jetzt 40 Jahre lang gehabt." Eine Route haben die beiden auch schon im Kopf: Nach Polen, Süddeutschland und Österreich soll es gehen.

Symbolbild Wohnmobil Camping Campingplatz
Mobiles Reisen: Übernachten kann man auch an ganz abgelegenen Plätzen.Bild: Colourbox

Wie die Kloos zieht es eine Mehrheit der deutschen Camper mit ihrem Wohnmobil oder -wagen ins Ausland: Dem Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland zufolge bleibt nur etwa jeder vierte von zehn Campern im Land. Die anderen reisen vor allem nach Italien, Frankreich und Kroatien. Auf deutschen Campingplätzen kamen im vergangenen Jahr gut 13 Prozent aller Besucher aus dem Ausland. Besonders bei den Niederländern ist Deutschland ein beliebtes Ziel zum Campen, sagt Geschäftsführer Christian Günther.

Die Dauercamper: Alles wie zu Hause

Aber nicht allen geht es darum, möglichst viele Orte in der fahrbaren Unterkunft zu erkunden. Rolf Schmieder aus Euskirchen ist so jemand: Schon viele Jahre fährt er campen, doch seit über 30 Jahren hat er seinen Wohnwagen fest auf einem Campingplatz in Frankreich am Mittelmeer stehen. "Das ist was anderes, als wenn man mobil ist", sagt er. Früher sei er auch herumgereist, heute gehe es ihm eher darum, sich wie zu Hause zu fühlen. Ein großer Kühlschrank, Liegestühle und ein voll eingerichtetes Vorzelt sorgten dafür, dass es an nichts fehlt.

Dank seiner jahrelangen Campingerfahrung hat Schmieder die Entwicklung der Kultur auf den Campingplätzen beobachten können. Er kann nicht nur Positives berichten: “Früher sprang der Nachbar raus und hat einem geholfen, wenn man irgendwo auf den Campingplatz kam.“ Mittlerweile aber seien die Menschen weniger auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. “Die Leute kommen heute mit Riesen-Wohnmobilen, sie brauchen nicht mehr die Nachbarschaft, sie sind autark. Und damit hat der Zusammenhalt auf dem Campingplatz einfach abgenommen“, berichtet er etwas wehmütig. Doch mit seinem Campingplatz in Frankreich ist er glücklich: "Die Franzosen sind lockerer und man lebt dort leichter".