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Europa-Kommentar

22. Juli 2011

Der Euro-Gipfel hat die Krise um die Zahlungsfähigkeit Griechenlands vorerst entschärft. Trotzdem befindet sich die EU in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte. Schuld daran sind die Politiker, meint Bettina Marx.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Der Euro ist gerettet – vorerst. Die gemeinsame Währung bleibt uns erhalten – bis auf weiteres. Die europäische Idee aber hat schweren Schaden genommen in den letzten Wochen und Monaten der Dauerkrise. "Die macht mir mein Europa kaputt", soll Altbundeskanzler Helmut Kohl über seine Nachfolgerin Angela Merkel gesagt haben. Er hat dies zwar umgehend dementiert, klar ist aber, dass Kohl, dessen historisches Verdienst sein unermüdlicher Einsatz für die Einigung Europas bleiben wird, enttäuscht, entsetzt und deprimiert ist über die deutsche Europa-Politik. Die Leidenschaft, die ihn antrieb, die tiefe Überzeugung, dass nur ein geeintes Europa Frieden und Sicherheit auf dem leidgeprüften Kontinent garantieren kann, sucht man bei der pragmatischen Angela Merkel vergebens.

Dabei muss es nicht falsch sein, wenn eine nüchterne und effiziente Politik an die Stelle der pathos-geladenen Europa-Euphorie der Kohl-Jahre tritt. Was man Merkel und mit ihr den meisten anderen Staats- und Regierungschefs der EU jedoch vorwerfen muss, ist, dass sie die Vision von Europa durch ein technokratisches Durchwursteln ersetzt haben, dass sie die Idee des geeinten Europa auf die Währungsunion und eine unsoziale Wirtschaftspolitik reduziert haben und dass sie nichts für die Demokratisierung der Gemeinschaft tun.

Technokratisches Durchwursteln

Die Nachkriegsgenerationen, geprägt durch die Erfahrung von Unrecht, Unfreiheit und Gewalt, wollten einen geeinten Kontinent schaffen, der seinen Bürgern Mitsprache und Teilhabe ermöglicht, ein Europa, das auf den Werten von Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten gründet. Doch statt dessen hat Europa sich zu einem bürokratischen Ungeheuer entwickelt, einem Binnenmarkt, der sich nach außen abschottet, einem neoliberalen Wirtschaftsraum, in dem die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufgeht, in dem immer mehr Menschen durch den Rost der Sozialpolitik fallen, in dem das Leben für immer breitere Schichten zu einem ständigen Kampf um das wirtschaftliche Überleben wird, in dem Zukunftsängste an die Stelle des Optimismus getreten sind.

Die ehemaligen Lokomotiven der europäischen Einigung, Deutschland und Frankreich, haben sich zur Speerspitze einer egoistischen Ellbogen-Gesellschaft entwickelt. Vor allem Deutschland hat mit seinem jahrelangen Lohndumping und seiner rücksichtslosen Exportpolitik erheblich beigetragen zum Ungleichgewicht in der EU.

Schwache Institutionen

Darüber hinaus wurden die europäischen Institutionen von den Staats- und Regierungschefs planmäßig geschwächt und ihre demokratische Legitimation wird immer fragwürdiger. An der Spitze der Kommission wurde ein beschämend farbloser Präsident installiert, von dem gerade in den Zeiten der Krise keinerlei Impulse ausgehen. Die europäische Außenministerin ist ihren Aufgaben nicht gewachsen und vom ständigen Ratspräsidenten ist in der aktuellen, für die EU existenzbedrohenden Lage nichts zu hören und nichts zu sehen.

So aber wird man der Vision von der europäischen Einigung nicht gerecht. So schafft man nicht ein Europa, dem die Bürger vertrauen und an dem sie sich beteiligen wollen. Den europäischen Politikern, einschließlich Angela Merkel, kann man daher nur zurufen: so macht ihr unser Europa kaputt.

Autorin: Bettina Marx
Redakteur: Peter Stützle