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So sehen wir euch

Christoph Hasselbach26. August 2015

Die neue GIZ-Studie "Deutschland in den Augen der Welt" hält dem Land den Spiegel vor. Nicht alles ist schmeichelhaft.

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Mann mit Fernglas Foto: Fotolia/unpict
Bild: Fotolia/unpict

2014 war Deutschland in einer von der BBC beauftragten weltweiten Studie das beliebteste Land der Welt. Viele Deutsche trauten ihren Augen kaum. Jetzt hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eine neue Untersuchung zum Bild Deutschlands in der Welt veröffentlicht. Menschen aus 26 Ländern in allen Kontinenten und aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen und sozialen Schichten haben Aussagen zu Deutschland gemacht.

Interessant ist die Studie auch deshalb, weil die GIZ einen Vergleich zu 2011/12 ziehen kann, als sie schon einmal nach dem Bild Deutschlands in den Augen der Welt fragte. Seitdem hat sich die Welt zum Teil deutlich verändert: Der IS-Terrorismus, große Fluchtbewegungen nach Europa, der Ukraine-Konflikt und die Griechenland-Krise waren vor wenigen Jahren entweder noch gar kein Thema oder haben zumindest nicht eine so große Rolle gespielt wie heute.

Der Vorteil gegenüber der BBC-Studie ist: Die GIZ-Befragung ist viel differenzierter. Trotzdem ist auch hier das Bild von Deutschland "konstant positiv", so Nikola Seiler, die für die Studie mitverantwortlich war, gegenüber der DW.

Mann mit riesigem Turnschuh Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte
Langsam scheint sich Deutschland an seine größeren Schuhe zu gewöhnenBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die großen Schuhe passen

Bereits vor drei Jahren ging Deutschland - nicht unbedingt freiwillig und im Zuge der europäischen Schuldenkrise - daran, eine größere Rolle zu übernehmen. Damals, so Nikola Seiler, habe ein Befragter eine Metapher gebraucht: "Zieht die größeren Schuhe an, sie werden Euch passen." Inzwischen sehe die Welt, sagt sie, "dass Deutschland die größeren Schuhe angezogen hat, vielleicht nur noch ein bisschen lernen muss, darin zu laufen."

Hatten die Nachbarländer vor wenigen Jahren noch Bedenken, ob Deutschland seine Machtposition ausnutzen würde, scheinen sie sie nach der neuen Studie zu akzeptieren. Ein Franzose sagt zum Beispiel: "Wenn man wirtschaftlich so stark ist, muss man auch mehr Verantwortung übernehmen und das Gesamte im Blick haben."

Andere drängen das Land sogar zu mehr Handeln. Eine Stimme aus Polen stellt erstaunt fest: "Alle europäischen Länder schauen in unsicheren Zeiten auf Berlin. Deutschland versteht das aber nicht. Da haben sie alles auf dem Teller, aber sie essen es nicht."

Der Bus fährt wirklich um 13:28 Uhr

Typisch deutsch? Gibt's das noch? Und ob! Nach wie vor nennen Befragte Dinge wie Pünktlichkeit, Disziplin und Ordnung als typisch deutsch - und auch als Grund für deutschen Erfolg. Eine Person aus der Mongolei stellt nach einem Deutschlandaufenthalt verblüfft fest: "Deutschland ist das einzige Land, in dem du Leitungswasser trinken kannst, ohne darüber nachzudenken."

Nikola Seiler hat festgestellt: "Als typisch deutsch werden funktionierende Systeme gesehen: dass auf unserem Busfahrplan steht, der Bus fährt um 13:28 Uhr, und dann kommt er auch um 13:28 Uhr, dass die Bildungssysteme funktionieren, dass das Gesundheitssystem funktioniert. Das wird im Ausland mit Bewunderung gesehen."

Windräder Foto: "picture-alliance/dpa
Deutscher Sonderweg Energiewende: Viele verstehen es einfach nichtBild: picture-alliance/dpa

"Panikreaktion" Energiewende

Doch es gibt Fälle, da gehen mit den rationalen Deutschen die Pferde durch. So sehen es jedenfalls viele Ausländer. Die plötzliche Entscheidung nach der Atomkatastrophe in Japan, aus der Kernkraft auszusteigen, ist so ein Beispiel. Ein Brite spricht von einer "Panikreaktion".

"Die Energiewende", erläutert Seiler, "wird vor allem von unseren europäischen Nachbarn nicht ganz verstanden, wie das funktionieren soll und weil Deutschland die europäischen Nachbarn nicht mitgenommen hat." Andererseits gebe es auch Bewunderung für den Mut dieses weitreichenden Schritts und die Anerkennung: "Wer, wenn nicht Deutschland?"

Das deutsche Wesen

Ein Amerikaner wird aus dem deutschen Wesen nicht schlau: "Die Ironie ist: Trotz dieser Zögerlichkeit und Skepsis - wie sind der Erfolg und die innovative Kraft ihrer Unternehmen zu erklären? Da ist etwas im deutschen Wesen, was am Ende nicht zu fassen, aber sehr erfolgreich ist."

Die Deutschen, sagt Seiler, "werden weltweit als risikoscheu wahrgenommen". Im Ausland frage man sich, ob Deutschland zum Beispiel den digitalen Wandel verschlafe und wie es in Zukunft mit den deutschen Stärken aussehe. Andererseits gebe es die Einsicht, "dass durch das solide Wirtschaften und Arbeiten des Deutschen vielleicht der Erfolg zu erklären ist."

Merkel guckt skeptisch Foto: picture-alliance/dpa
Die Kanzlerin steht für vieles, was Ausländer als typisch deutsch sehenBild: picture-alliance/dpa

Mehr lächeln!

Aber Deutschland besteht nicht nur aus Technik, Wirtschaft und Organisation. Manche vermissen etwas an den Deutschen. "Sexappeal? Der fehlt Deutschland", stellt jemand aus Mexiko lapidar fest.

Andere bedauern, dass Deutschland seine kulturelle Seite zu wenig darstelle. Ein Ägypter sagt: "Ich würde gern mehr von der deutschen Kultur sehen. Künstler, Dichter, Schriftsteller aus Deutschland treten hier wenig auf."

Nikola Seiler hat durch die Befragung festgestellt, dass Deutschland "noch viel, viel Potenzial bei der Selbstvermarktung nachgesagt wird, als Reiseland, bei der deutschen Sprache", die im Ausland mehr gelehrt werden solle. Doch viele Befragte wünschten sich auch mehr englischsprachige Angebote von Universitäten in Deutschland.

Wenn es jemanden gibt, der in den Augen vieler Menschen in der Welt für das deutsche Wesen steht, dann ist das die Bundeskanzlerin. Ihr Führungsanspruch ist unbestritten. Man hat viel Lob für sie. Doch eine Person aus Brasilien gibt Angela Merkel einen kleinen Rat: "Vielleicht sollte sie noch öfter lächeln."