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Eine Revolution

11. September 2011

Strom aus der Sonne wird immer billiger und schon bald eine ernstzunehmende Konkurrenz für Kohle- und Atomstrom. Und das wird nach Meinung von Solarforscher Eike Weber die Energieversorgung weltweit revolutionieren.

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Solarforscher Eicke Weber (Foto: Fraunhofer-Institut)
Solarforscher Prof. Eicke WeberBild: Fraunhofer ISE

Wo steht die Solarenergie jetzt und wo wird sie in zehn Jahren stehen? Professor Eike Weber, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg gibt Antworten.

DW-WORLD.DE: Herr Weber, wo steht derzeit die Solarenergie?

Eicke Weber: In der Photovoltaik sind die Schlüsselworte höhere Effizienz und geringere Kosten. In beiden Bereichen gibt es in den vergangenen Jahren beeindruckende Fortschritte. Bei den Solarzellen mit Silizium haben wir eine Effizienz zwischen 16 und 20 Prozent, zum Teil sogar schon darüber. Und die Kosten der installierten Photovoltaiksysteme liegen in Deutschland bei zweieinhalb Euro pro Watt. Umgerechnet auf den Preis heißt dies, dass eine Kilowattstunde Strom ungefähr 20 Cent kostet. Und in sonnenreichen Regionen wie Nordafrika oder Südkalifornien liegen die Kosten bei zehn Cent pro Kilowattstunde. Da fängt es schon an ökonomisch wirklich interessant zu werden.

Wie sind die Perspektiven für 2020?

Die Photovoltaik folgt seit 1980 einer Lernkurve. Diese zeigt, dass mit jeder Verdoppelung der global installierten Leistung die Kosten und Preise um die 20 Prozent sinken. Und bis 2020 erwarten wir, dass sich die global installierte Menge nicht verdoppelt, sondern sicherlich vervierfacht oder mehr. Dies bedeutet, dass wir deutliche Preissenkungen sehen werden.

Wir gehen davon aus, dass 2020 in Deutschland Solarstrom 12 bis 15 Cent pro Kilowattstunde kosten wird und in sonnenreichen Ländern fünf oder sechs Cent. Und diese Preise sind dann absolut vergleichbar mit der fossilen oder nuklearen Stromerzeugung. Dies bedeutet, dass dann die Photovoltaik vollkommen aus der Ecke der hoch subventionierten Energien heraus kommt und wirklich wirtschaftlich interessant wird für einen ganz breiten Markt auf der ganzen Welt.

Wird durch diese Entwicklung die Energiewirtschaft komplett umgekrempelt?

Ich habe da ein sehr gutes Beispiel. Das haben wir schon mal erlebt. 1850 wurde ein Drittel des US-Bruttosozialproduktes mit der Produktion von Walfischöl erwirtschaftet. Walfischöl war damals der einzige flüssige Brennstoff, war beispielsweise wichtig für die Beleuchtung. Zehn Jahre später war dieser Zweig der Industrie vollkommen ausgelöscht, weil man Erdöl gefunden hat. Und ähnlich sehe ich das jetzt mit der Energie. In 30, 40 Jahren werden sich unsere Kinder und Enkel fragen, mein Gott, warum wart ihr damals nur so dämlich und habt Erdöl verbrannt.

Das ist eine Revolution in der Energiewirtschaft. Wie reagiert diese?

Ich glaube, dass die Energiewirtschaft diese Entwicklung noch nicht kapiert hat. Natürlich sagen alle großen Energiekonzerne, dass sie für die Erneuerbaren Energien sind und diese fördern wollen. Aber wenn man sieht, was sie wirklich konkret tun, dann würden sie am liebsten neue Atomkraftwerke, große Kohle- und Ölkraftwerke bauen. Und wenn es um Windkraft geht, dann wollen sie nur große Windfarmen im Meer errichten, weil auch das wieder für die großen Konzerne interessant ist.

Das heißt also, keiner der großen Energieversorger hat es geschafft, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, wie man mit moderner Solar- und Windenergie, also dezentral aufgestellter Energieerzeugung ein Geschäft machen kann. Und ich glaube, das ist sehr dumm und sehr schade, denn in Wirklichkeit hätten die Energieerzeuger genug Geld in ihren Taschen, um die führenden Anbieter etwa von Solarzellen zu werden. Aber das tun sie nicht, weil sie kurzfristig ihr klassisches Geschäft damit beschädigen würden. Die Energiekonzerne haben nicht die Weitsicht zu sehen, dass sie eben immer noch Walfischöl verkaufen.

Es gibt einen Boom der Photovoltaik in Europa und jetzt auch in Asien. Welche unterschiedlichen Entwicklungen sehen Sie derzeit in der Welt?

Das erste Land in Asien, das man besprechen muss, ist China. China hat schon vor vielen Jahren erkannt, dass Photovoltaik eine wichtige Zukunftstechnologie ist. Die Regierung hat den Bau von Fabriken für Solarmodule strategisch unterstützt. Gleichzeitig hat die Regierung aber noch nicht viel getan, um die Installation von Photovoltaik-Systemen in China zu unterstützen. Und deswegen wurden die meisten Systeme auch nach Deutschland und Europa exportiert. Jetzt beginnt sich langsam das Ruder zu drehen und die Photovoltaik wird in China massiv ausgebaut. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Im Moment ist auch die Entwicklung in Indien sehr interessant. Die Regierung will bis 2020 rund 20 Gigawatt Photovoltaik installieren. Ich sehe aber noch nicht wie dies realisiert wird. Im Rest der Welt tut sich bis heute sehr wenig. Trotzdem glaube ich, dass bei zukünftigen Preisen von fünf Cent pro Kilowattstunde in sonnenreichen Ländern plötzlich erkannt wird, dass dies auch eine ökonomisch vernünftige Technologie ist. Und dies wird weiter den Markt beschleunigen. Aber das wird noch ein paar Jahre dauern. Sagen wir 2020 wird ein gutes Zieljahr.

Bedeutet dies, dass die Photovoltaik in Afrika und Lateinamerika in den nächsten zehn Jahren noch keine große Rolle spielen wird?

Es kommt in Gang. Aber wie schnell, das ist für mich schwer abzuschätzen. Also, ob das jetzt in Gang kommt, ab 2015 oder erst ab 2020, das ist sehr schwer vorauszusagen. Aber ich bin sicher, bis 2020 werden wir dort überall einen sehr aktiven Markt haben.

Deutschland gilt als Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien, hat jetzt den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Was kann die Welt von Deutschland lernen?

Ich glaube, das ist wirklich ein ganz wichtiger Aspekt. Dadurch, dass wir in Deutschland aus der Atomkraft aussteigen, verändern wir die globale Gefährdung durch Atomkraft nicht nennenswert. Es gibt ja noch immer 400 Kernkraftwerke. Dadurch, dass wir in Deutschland auf Erneuerbare Energien umsteigen, verändern wir den Ausstoß an CO2 der Welt nicht nennenswert.

Aber in der Beispielwirkung haben wir wirklich einen ganz entscheidenden Effekt. Wenn wir zeigen, dass man eine hoch industrialisierte Gesellschaft wie Deutschland umstellen kann in Richtung Erneuerbare Energien, die auf Kernkraft verzichtet, später dann zunehmend auf die Kohle, dann ist dies sehr bedeutsam.

Darüber hinaus zeigt damit Deutschland, dass sich auch die CO2-Bilanz ganz schnell verbessert, neue Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft profitiert, weil neue Technologie für den Weltmarkt entwickelt wird. Diese Beispielwirkung wird viel wichtiger sein als all das, was man durch CO2 Einsparungen hätte bewirken können. Und ich glaube, da macht Deutschland etwas sehr wichtiges. Man kann wirklich sehr erfreut sein, daran teilzunehmen und dafür zu arbeiten. Diese Beispielwirkung halte ich für den allerwichtigsten Teil bei der Energiewende.

Das Interview führte Gero Rueter
Redaktion: Martin Muno