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Soldaten oder Terroristen?

Daniel Scheschkewitz18. Januar 2002

Die USA haben einige Taliban- und El-Kaida-Kämpfer auf Kuba interniert. Völlig unklar ist, was die Gefangenen juristisch erwartet. Denn der Rechtsstatus der Inhaftierten ist offen.

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"Camp X-Ray" heißt der US-Außenposten auf KubaBild: AP

Gegenwärtig halten die USA etwa 400 Taliban- und El-Kaida-Kämpfer gefangen. Die meisten von ihnen sind in der südafghanischen Stadt Kandahar interniert, einige geflohene Kämpfer im benachbarten Pakistan und eine wachsende Zahl auf dem Marine-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba. Deren Behandlung hat den USA von verschiedenen Seiten Kritik eingebracht - nicht zuletzt von Menschenrechtsgruppen.

USA bestreitet Kriegsgefangenen-Status

UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson warnte etwa davor, durch eine "inadäquate Behandlung eben jene Werte aufs Spiel zu setzen, für die man in Afghanistan gekämpft" habe. Am Freitag (18.1.2002) ist eine Delegation des Internationalen Roten Kreuz (IKRK) in Guantanamo eingetroffen. Ihr Sprecher Urs Bögli: "Wir werden uns die Behandlung und Unterbringung der Gefangenen ansehen. Über unsere Erkenntnisse werden wir uns vertraulich mit der Lagerleitung austauschen."

Dass IKRK-Vertreter Zugang zu den Gefangenen erhalten, ist ein wesentlicher Bestandteil der Genfer Kriegsgefangenen-Konvention. Verteidigungs- und Justizministerium in Washington stellen sich jedoch auf den Standpunkt, dass die Gefangenen keinen Kriegsgefangenen-Status beanspruchen können. Denn: Bei ihrer Gefangennahme hätten sie weder eine Uniform getragen, noch seien klare Befehlstrukturen zu erkennen gewesen. Das sind aber zwei Kriterien, die die Genfer Konvention als Voraussetzung für die Anerkennung des Kriegsgefangenen-Status nennt.

Menschliche Unterbringung und Versorgung

Dennoch würden die USA die gut einhundert Gefangenen in der Tat so behandeln, als hätten sie den Status von Kriegsgefangenen, sagt Lagerkommandeur Michael Lehnert: "Wir bemühen uns, die Gefangenen human und im Einklang mit dem Völkerrecht zu behandeln." Die Gefangenen würden medizinisch betreut. Sie erhielten drei Mahlzeiten am Tag, zwei davon seien gar warme Mahlzeiten, wobei die Nahrung ihren religiösen Ernährungsvorschriften entspreche, so Lehnert. Zum Schlafen stehe ihnen eine Schaummatratze zur Verfügung. Nach Angaben des Pentagon können sie sogar Sport treiben.

Kritik wird vor allem an den etwa 6,5 Quadratmeter großen Zellen der Gefangenen geübt. Diese Unterbringung ist offenbar jedoch provisorischer Natur: Bis zum Monatsende sollen 320 überdachte Zellen zur Verfügung stehen. In denen werden dann jeweils zwei Gefangene untergebracht, heißt es.

Ungewissheit über die Zukunft der Gefangenen

Völlig unklar ist hingegen, was die Gefangenen juristisch erwartet. US-Verteidigungsminister Rumsfeld nennt verschiedene Möglichkeiten: " Einige könnten vor ein Militärtribunal gestellt werden, andere könnten sich vor zivilen US-Gerichten wiederfinden. Eine dritte Gruppe wiederum könnte in ihre Ursprungsländer abgeschoben und dort vor Gericht gestellt werden."

Genau dies aber dürfen die USA nur dann tun, wenn sie vorher Garantien eingeholt haben, dass die Gefangenen in diesen Ländern nicht gefoltert werden. Usbekistan oder Saudi-Arabien, von wo viele der Gefangenen kommen, sind nicht unbedingt für ihre Rechtstaatlichkeit bekannt.

Und noch in einem anderen Punkt müssen die USA eine Lösung finden: Nach der Genfer Konvention hat jeder Gefangene das Recht, seinen Status von einem Militärtribunal klären zu lassen. Dies ist ein individuelles Recht jedes einzelnen Gefangenen. Es kann auch nicht durch eine Erklärung eines US-Verteidigungsministers außer Kraft gesetzt werden. Donald Rumsfeld bezeichnet die Gruppe der Taliban- und El-Kaida-Kämpfer summarisch als "unlawful combatants", also als Kämpfer, die außerhalb des Gesetzes stehen. Zumindest was die Taliban anbetrifft ist diese Einschätzung durchaus fraglich: Auch die Taliban-Regierung besoldete eine reguläre Streitkraft, deren Angehörige in Kampfhandlungen mit US-Soldaten verwickelt waren.