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Somalia auf dem Weg zum "failed state"

Ute Schaeffer8. August 2006

Mit dem Zerfall der somalischen Übergangsregierung platzt der Traum vom Staatsaufbau – radikale Islamisten gewinnen zunehmend an Boden. Ute Schaeffer über das Drohpotential einer afrikanischen Taliban.

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Somalische Islamisten verbrennen äthiopische FlaggenBild: picture-alliance/ dpa

Einen stabilen Staat wird es nicht geben, der Unruhe-Staat Somalia droht ins Chaos zurückzufallen. Die Folgen für die empfindliche Region am Horn von Afrika, die in der Sicherheits-Architektur der Europäer und Amerikaner einen so wichtigen Platz einnimmt, sind noch nicht absehbar.

Eine schöne, aber auf die Bedingungen und die Vorgeschichte des Landes nicht zugeschnittene Idee ist geplatzt. Mit Blick auf die laufenden Friedensbemühungen in weit größeren schwachen Staaten wie in der demokratischen Republik Kongo sollte das zu denken geben. Staaten, in denen Demokratie noch nie existierte, deren Landesgrenzen sich durch Kriege immer wieder verschoben haben, in denen die Menschen nur Armut und Not kennen - sie werden so schnell keine Demokratien und kein Rechtsstaat.

Islamisten als vermeintliche Friedensgaranten

Im Falle Somalias hat die internationale Gemeinschaft viel investiert - doch es kam, wie in vergleichbaren Fällen auch: sobald das Gerüst der internationalen Hilfe und der Vermittlungsbemühungen von außen langsam wieder abgebaut wird, fallen die wackligen Grundmauern des Staatswesens in sich zusammen. Mühsam war für Somalia eine Übergangsregierung aufgestellt worden. Doch hinter ihr stand nicht die Bevölkerung. In der Hauptstadt konnte sie aus Sicherheitsgründen nie residieren. Von daher erklärt sich der Rückhalt der Truppen des "Rats der Islamischen Gerichte": Die verwahrlosten Milizen, die seit Jahren die Menschen terrorisieren und rund 300.000 Menschen ermordet haben sollen, sind verschwunden. Nach 15 Jahren Bürgerkrieg hoffen die Menschen im Land auf Ruhe und Frieden - mit Hilfe der Islamisten.

Kriegstreibende Kräfte von außen

Auch für Somalia gilt: ohne die kriegstreibenden Kräfte von außen wäre die Lage nicht eskaliert. Waffen und Geld von den verfeindeten Nachbarn Äthiopien und Eritrea, sicher auch finanzielle und logistische Unterstützung arabischer Staaten für die Islamisten in Mogadischu, die nun die Macht beanspruchen, haben Anarchie und Gewalt genährt. Auch Somalia ist Schauplatz des asymmetrischen Krieges, den radikale Gruppen überall auf der Welt führen.

Somalia ist zudem ein Beispiel für das Scheitern von Reißbrett-Entwürfen für das Gelingen von Staaten: Mit der Finanzierung einer Anti-Terror-Koalition aus verschiedenen Warlords, die gegen den Rat der Islamischen Gerichte kämpfen sollten, haben die USA ungewollt Gewalt und Unruhe im Land geschürt und die somalische Bevölkerung in die Arme der neuen Machthaber getrieben.

Afrika als Handlungsfeld islamistischer Terroristen

Deshalb ist das Scheitern der guten Idee von Rechtsstaat und Demokratie in Somalia auch eine Niederlage für die Sicherheitsstrategen weltweit. Denn den radikalen Islamisten um den wahhabitischen Extremisten Scheich Hassan Dahir Awejs in Mogadischu dürfte es nicht schwer fallen, im Osten Afrikas weitere Mitstreiter zu finden. Somalia könnte hier gar zum entscheidenden Faktor einer Radikalisierung in der Region werden, denn der Scheich soll enge Kontakte zum Al-Kaida-Terrornetz unterhalten. Immer noch gilt die Region als Rückzugsgebiet für Al-Kaida-Terroristen. Afrika könnte - aufgrund seiner schreienden Not, seiner Isolation von der internationalen Entwicklung - von einem Rekrutierungs- und Rückzugsgebiet islamistischer Fundamentalisten und Terrorgruppen zu einem weiteren Handlungsfeld solcher Gruppen werden. Somalia ist dafür das beste Beispiel.