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Politik

Somalia verschiebt Präsidentschaftswahl erneut

Ludger Schadomsky
27. Dezember 2016

Am Mittwoch sollte es endlich soweit sein – nun werden die langerwarteten Präsidentenwahl in Somalia ein weiteres Mal verschoben. Trotz Stimmenkauf und Korruption gibt es einige Fortschritte im Wahlprozess.

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Somalia Frau mit Flagge
Bild: PHIL MOORE/AFP/Getty Images

14.025 Wahlmänner. Angesichts von elf Millionen Somalis ist die Zahl nicht hoch. Dennoch markiert sie womöglich eine politische Zeitenwende für das Land, das lange als gescheiterter Staat galt. Die Wahlmänner - ihrerseits bestimmt von den traditionellen Autoritäten, den in Somalia so wichtigen Clan-Chiefs - haben in den vergangenen Wochen stellvertretend für das somalische Wahlvolk das Parlament gewählt. Und das sollte eigentlich am Mittwoch (28.12.2016) über den Präsidenten abstimmen. Nach der erneuten Verschiebung soll die Wahl nun laut somalischer Wahlkommission am 24. Januar 2017 abgehalten werden.

Besser fehlerhaft als gar nicht

Eigentlich sollte das Prinzip "ein Wähler, eine Stimme" gelten. Doch die dafür nötigen politischen Reformen wurden verschleppt. Nun sollen erst 2020 alle Wahlberechtigten Somalias zur Urne gehen können.

"Das wichtigste ist, dass der Wahlprozess überhaupt stattfindet. Viele haben ja bezweifelt dass es überhaupt eine Wahl geben würde", sagt Michael Keating, UN-Sondergesandter für Somalia, im DW-Interview.

Die diesjährigen Wahlen sind schließlich erst die zweiten seit dem Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre 1991, der das strategisch wichtige Land am Horn von Afrika ins Chaos stürzte. Nachfolgende Regierungen, die in wochenlangen Clankonferenzen teilweise im Ausland zustande kamen, scheiterten - an Clan-Kämpfen, Korruption und schlechter Regierungsführung.

Bei der letzten Wahl 2012 bestimmten gerade mal 135 Chiefs ein Ein-Kammer-Parlament - entsprechend chaotisch verlief die nachfolgende Legislaturperiode. Zum ersten Mal besteht das Parlament jetzt aus zwei Kammern – am Mittwoch sollen deren Mitglieder nun zunächst vereidigt werden.

Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud
Hassan Sheikh Mohamud ist der amtierende Präsident SomaliasBild: picture-alliance/AP Photo/K. Jebreili

Vorwürfe: Wahlfälschung und Korruption

Bis zur Präsidentschaftswahl geht es nun darum, den diesjährigen Wahlgang zu legitimieren - zu haarsträubend sind die Berichte über Korruption und Stimmenkauf. Jimale Farah, Somalias oberster Rechnungsprüfer, bezifferte die aufgerufenen Summen für einen einzelnen Sitz zwischen 5.000 und 1,3 Millionen US Dollar.

"In der Tat hat es viele Vorwürfe und Fälle von Stimmenkauf, Schikane und Manipulation gegeben", sagt UN-Gesandter Keating. "Diese sind sehr ernst und müssen entsprechend ernst genommen werden. Wenn diesen Vorwürfen nicht nachgegangen wird, können sie dem Ruf dieses Wahlprozesses ernsthaft schaden."

Sollte es bei dem 24. Januar bleiben, dann stehen etwa 20 Kandidaten für das Präsidentschaftsamt zur Wahl. Unter ihnen war bis vor kurzem auch als einzige weibliche Anwärterin Fadumo Dayib. Sie wollte nach eigener Aussage die nach wie vor sehr patriarchische somalische Gesellschaft aufrütteln. Mitte des Monats kündigte sie dann aber an, sich aus dem von "Korruption und Wahlfälschung" geprägten Wahlprozess zurückzuziehen.

Amtsinhaber Hassan Sheikh Mohamud von der "Partei für Frieden und Entwicklung" und der parteilose Premier Omar Abdirashid Ali Sharmarke gelten als Favoriten. Den übrigen Kandidaten werden allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt.

Wer sind die Favoriten?

Der amtierende Präsident ist ein Vertreter des dominanten Hawiye-Clans. Zwar konnte der 61-Jährige die internationale Gemeinschaft für sich einnehmen und vor allem den Internationalen Währungsfonds zurück nach Somalia holen. Doch das somalische Grundübel, die grassierende Korruption, konnte auch er nicht eindämmen und überlebte 2015 ein Amtsenthebungsverfahren nur knapp.

Somalias Premierminister Omar Abdirashid Ali Sharmarke
Premierminister Omar Abdurashid Ali Sharmarke gilt als einer der Favoriten der WahlBild: M. Abdiwahab/AFP/Getty Images

Sein größter Herausforderer, Ministerpräsident Omar Abdi Rashid Ali Shermarke, ist der Sohn des 1969 ermordeten und bis heute verehrten früheren Ministerpräsidenten und Präsidenten Somalias, Abdi Rashid Ali Shermarke. Der Politökonom mit kanadischem und somalischem Pass gehört dem zweiten großen Clan in Somalia an: den Darod.

Letztlich wird die Clan-Verteilung zwischen Präsident, Ministerpräsident und dem mächtigen Parlamentspräsident ausschlaggebend sein. Sollte der am 4. Januar 2017 zur Wahl stehende Posten des Parlamentspräsidenten an einen Hawiye gehen, dürfte der amtierende Präsident Mohamud nicht an der Macht bleiben. Denn beide Ämter dürfen nicht mit Mitgliedern desselben Clans besetzt werden.

In schlechter Nachbarschaft

Mit Blick auf die anstehende Wahl sagt Ahmed Soliman, Somalia-Experte am Chatham House in London: "Es sollte jetzt Druck sowohl von einheimischen wie regionalen und internationalen Akteuren geben. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Aufsicht über den Wahlprozess glaubwürdig ist." Letztlich aber gehe es darum, den Somalis selbst den Entscheidungsprozess in die Hände zu legen.

In einer Analyse verweist Soliman auf einseitige Wahlprozesse in der Nachbarschaft - Äthiopien, Sudan und Dschibuti - und stellt Somalia ein vergleichsweise gutes Zeugnis aus. Vor allem die enorme logistische Herausforderung angesichts der Sicherheitslage hebt er hervor. In den letzten Wochen hatte die radikalislamistische Miliz Al Shabaab wiederholt versucht, den Wahlprozess durchtödliche Attentate zu stören.

Szenerie eines Autobombenanschlags in Mogadischu am 11. Dezember
Im Dezember kamen in Mogadischu viele Menschen bei Anschlägen ums LebenBild: picture-alliance/abaca/N. Gelle Gedi

Auch das im Entstehen begriffene föderale System und der Aufbau der jeweiligen Regionalstaaten sei eine besondere Herausforderung. "Wir müssen diese Wahlen in den Kontext stellen. Wir sprechen hier von hoch umkämpften politischen Wahlen und Somalia befindet sich in einem Übergangsprozess", sagt Soliman.

Mit Blick auf die politische Entwicklung am Horn von Afrika fügt UN-Mann Michael Keating hinzu, er sei "vorsichtig optimistisch", dass 2020 das Prinzip "ein Wähler, eine Stimme"ein universelles Wahlrecht in Somalia zur Anwendung komme. "Aber ich sage nicht, dass das  einfach wird."

Zunächst müssen nun die Wahlen des Parlamentssprechers sowie des Präsidenten wie geplant über die Bühne gehen – eine erneute Verschiebung würde den somalischen Wahlprozess wohl endgültig diskreditieren.

Mitarbeit: Tesfalem Waldyes Erago