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Sonar treibt Wale in den sicheren Tod

2. Februar 2019

Wale geraten durch Sonargeräte in Panik, sie tauchen viel zu schnell auf, werden orientierungslos und stranden. Verantwortlich sei die auch Tauchern bekannte Dekompressionskrankheit, so eine neue Studie.

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Schnabelwal
Bild: picture-alliance/J. Büttner

Schon vor Jahren hatten Forscher bei der Autopsie angeschwemmter Wale Gasbläschen in Blutgefäßen und Organen gefunden. Im schlimmsten Fall zerstören die Bläschen Gewebe und lösen Blutungen und Geweberisse aus. Die Wissenschaftler vermuteten, dass die Bläschen entstehen, wenn die Wale aufgeschreckt werden und dann zu schnell aus der Tiefe auftauchen. 21 Experten haben jetzt im "Royal Society Journal " eine Studie präsentiert, der zufolge unter anderem Cuvier-Schnabelwale an der Dekompressionskrankheit verenden.

"In Anwesenheit des Sonars sind sie gestresst und schwimmen heftig von der Schallquelle weg und ändern ihr Tauchmuster", sagt Yara Bernaldo de Quiros, Hauptautorin der Studie. Sie forscht am Institut für Tiergesundheit der Universität Las Palmas de Gran Canaria. "Die Stressreaktion übersteuert also die Tauchreaktion, wodurch die Tiere Stickstoff ansammeln", fügte sie hinzu. "Es ist wie ein Adrenalinschuss."

Verlängerte Tauchzyklen

US-Forscher hatten bereits 2017 im Fachmagazin Royal Society Open Science berichtet, dass die 16 von ihnen mit Sendern ausgestatteten  Cuvier-Schnabelwale heftig auf Sonargeräusche bei militärischen Übungen reagierten. Um dem Lärm der Schallwellen zu entkommen, blieben die Wale länger in der Tieftauchphase, durchschnittlich 90 statt 60 Minuten. 

Ein Pottwal schwimmt dicht unter der Meeresoberfläche
Wale wie dieser mächtige Pottwal sind eigentlich perfekte Taucher Bild: picture-alliance/OKAPIA/A. & W. Steffen

Dabei sind die Meeressäuger eigentlich perfekte Taucher, die mittels Echoortung Beutetiere oder einen Feind wahrnehmen können. Während der Tauchphase verlangsamt sich die Herzfrequenz, die Blutzirkulation lässt nach, der Sauerstoff bleibt im Blut erhalten. 

Zusammenhang zwischen Manövern und Massenstrandungen

Vor allem eine Art von Sonar bringt diese Wale aus dem Gleichgewicht: Das in den 1950er Jahren zur Erkennung von U-Booten entwickelte Mittelfrequenz-Aktivsonar (MFAS). Es wird heute bei Marinepatrouillen und Übungen eingesetzt, insbesondere von den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten.

Ab etwa 1960 begannen Schiffe, Unterwassersignale in einem Bereich von etwa 5 Kilohertz (kHz) zu senden. Damals begann auch das Massenstranden von Schnabelwalen, vor allem im Mittelmeer. Zwischen 1960 und 2004 fanden 121 dieser sogenannten "atypischen" Massenstrandungen statt, von denen mindestens 40 zeitlich und örtlich eng mit den Manövern verbunden waren. 

Manöver Flotex 2015
Akustischer Alptraum: Vor allem militärische Sonar-Signale bei Manövern setzen Walen massiv zu Bild: Forsvaret/Elias Engevik

2002 strandeten während eines NATO-Manövers vor den Kanarischen Inseln in nur 36 Stunden 14 Wale. Äußerlich war ihnen nichts anzusehen. Sie hatten ein normales Körpergewicht und keine Hautveränderungen oder Infektionen. Aber ihre Venen waren voller Stickstoffgasblasen und Blutungen hatten ihr Gehirn massiv verletzt. Die Autopsie ergab weitere Schäden an anderen Organen sowie am Rückenmark und am zentralen Nervensystem. 

Verbot von Manövern in Walregionen gefordert

Seit 2004 hat Spanien solche Marine-Übungen vor den Kanarischen Inseln verboten. "Bis dahin waren die Kanaren ein Hotspot für diese Art von "atypischen" Strandungen" so die Wissenschaftlerin Bernaldo de Quiros. "Seit dem Moratorium ist nichts mehr passiert."

Gestrandeter Pottwal-Kadaver
Keine Rettung mehr möglich: Gestrandeter Pottwal-Kadaver an der NordseeküsteBild: picture-alliance/I. Wagner

Die Autoren der neuen Studie forderten, ähnliche Verbote auch auf andere Regionen auszudehnen, in denen sich gefährdete Wale versammeln. Der Cuvier Schnabelwal wird bis zu sieben Meter groß und isst hauptsächlich Tintenfische und Fische aus der Tiefsee. Der Wal wird auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion ( IUCN) als "anfällig" eingestuft und hat vermutlich eine globale Population von 5.000 bis 7.000 Tieren. 

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DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund