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Sondersitzung des ukrainischen Parlaments

27. November 2004

Die Abgeordneten beraten am Samstag (27.11.) über das umstrittene Wahlergebnis in der Ukraine. Allerdings besteht Oppositionsführer Juschtschenko auf Neuwahlen. Janukowitsch will eine gerichtliche Klärung.

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Orange ist die Farbe des Protests in der UkraineBild: AP

Das ukrainische Parlament ist am Samstag (27.11.2004) zu einer Sondersitzung über die tiefe Krise nach der Präsidentenwahl zusammengekommen. Alle Fraktionen der Werchowna Rada seien fast vollständig vertreten, meldete in Kiew die Agentur Interfax. Kurz vor Beginn der Sitzung sind laut Agenturangaben mehrere 1000 Oppositionsanhänger vor das Plenargebäude gezogen.

Seit den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am 21. November haben Zehntausende Menschen im Land gegen einen vermuteten Wahlbetrug demonstriert. Auch unabhängige Wahlbeobachter hatten den Abstimmungsprozess kritisiert. Die Wahlkommission hatte am Mittwoch den pro-russischen Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch zum Sieger erklärt. Der westlich orientierte Oppositionsführer Viktor Juschtschenko betrachtet sich ebenfalls als rechtmäßigen Sieger der Präsidentenwahl.

Neuwahlen oder Gerichtsentscheidung

Umstritten ist nun, wie der Konflikt gelöst werden kann: Janukowitsch will die Beschwerden um das Wahlergebnis vor Gericht prüfen lassen. Juschtschenko bleibt bei seiner Forderung nach Neuwahlen. Noch am Freitagabend nannte er als Datum dafür den 12. Dezember. Zuvor hatten internationale Vermittlungsbemühungen um eine friedliche Lösung ein erstes Ergebnis: Die beiden Kontrahenten vereinbarten Gespräche innerhalb einer Arbeitsgruppe, in der über das weitere Vorgehen verhandelt werden soll. Allerdings hat Oppositionsführer Juschtschenko vor seinen Anhängern in Kiew angekündigt, er werde bei den vereinbarten Gesprächen ausschließlich über Neuwahlen verhandeln.

"Drei Wochen nach der Stichwahl am 21. November wäre nach unserer Meinung ein korrektes Datum für eine neue Stichwahl", sagte Juschtschenko vor Journalisten. Der Oppositionsführer hatte im Anschluss an das Krisentreffen vom Freitag mit "Maßnahmen" seines Lagers gedroht, sollten die Verhandlungen scheitern. "Wir werden den Verhandlungen nur ein paar Tage geben" sagte Juschtschenko seinen Anhängern. Sollte Janukowitsch die "Dinge verzögern, werden wir zu aktiven Maßnamen schreiten". Den Einsatz von Gewalt hatten jedoch sowohl Juschtschenko als auch der von Moskau unterstützte Janukowitsch in einer vom scheidenden Präsidenten Leonid Kutschma nach dem Treffen am Freitag verlesenen Erklärung ausgeschlossen.

"Blutbad vermeiden"

In der gemeinsamen Erklärung heißt es, alle Parteien wollten eine "Zuspitzung des Konflikts und ein Blutbad" vermeiden. Vom Obersten Gerichtshof, der am Montag (28.11.) zusammentritt, werde "Transparenz" bei der Prüfung der von der Opposition eingereichten Beschwerde wegen Wahlbetrugs bei der Stichwahl um die Präsidentschaft erwartet. An der Arbeitsgruppe, die einen Ausweg aus der Krise suchen soll, sind laut Kutschma neben Janukowitsch und Juschtschenko er selbst sowie der ukrainische Parlamentspräsident Wolodimir Liwin beteiligt.

Bei dem Treffen am Freitag waren auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana, der russische Parlamentspräsident Boris Grislow, der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski und der litauische Präsident Valdas Adamkus zugegen. Solana betonte, die Beziehungen der Ukraine mit der EU hingen vom Respekt des Landes vor demokratischen Normen ab. Die EU wolle eine "tiefe Beziehung" mit einer demokratischen Ukraine eingehen. Aber die Qualität dieser Beziehung hänge ab "von der Qualität des demokratischen Lebens in der Ukraine", sagte Solana in Kiew.

"Legitime Interessen"

Bundesaußenminister Joschka Fischer forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, einen demokratischen Machtwechsel in der Ukraine zu akzeptieren. "Niemand will Russland etwas wegnehmen", sagte Fischer in einem Zeitungsinterview. "Aber wenn sich die Menschen in der Ukraine in freien und fairen Wahlen für einen neuen Weg entscheiden, muss jeder das akzeptieren." Russland, habe in der Ukraine "legitime Interessen. Aber sie dürfen nicht mehr mit den alten Mitteln von Fremdbestimmung und Fremdherrschaft durchgesetzt werden". (kap)