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Sorbisch soll nicht sterben

Curtis Klaus4. Februar 2003

Minderheiten leiden unter Anpassungsdruck, auch in Deutschland. Die Sorben in der Lausitz haben den Kampf gegen das Ende ihrer Kultur aufgenommen - der Erfolg bleibt fraglich.

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Neues Selbstbewusstsein: Sorben in DeutschlandBild: AP

Wer eine Tour durch die Lausitz im östlichen Sachsen und südlichen Brandenburg unternimmt und dabei das Ortsschild von Bautzen passiert, dem fällt sofort der Untertitel "Budyšin" auf - die sorbische Übersetzung. So soll deutlich gemacht werden, dass die slawische Sprache in dieser Region gleichberechtigt neben dem Deutschen existiert.

Die Minderheit der Sorben, oft auch "Wenden" genannt, sind hier schon seit 1300 Jahren beheimatet. Im siebten Jahrhundert kam der slawische Volksstamm im Zuge der Völkerwanderung aus seiner Urheimat nördlich der Karpaten in die damals dünn besiedelte Gegend. Heute leben in der Lausitz etwa 60.000 Sorben. In der Niederlausitz in Brandenburg sind sie vorwiegend protestantisch, in der sächsischen Oberlausitz meist katholisch.

Langer Weg

Der Weg der Sorben bis zur vollständigen Anerkennung ihrer Kultur war lang. Das bäuerlich geprägte Volk wurde unter der Nazi-Diktatur unterdrückt. Die Sorben sollten "eingedeutscht" werden. Ihre Sprache durfte nicht unterrichtet werden und der Dachverband der Sorben, die "Domowina" (altsorbisch für "Heimat"), wurde verboten. In der ehemaligen DDR allerdings genossen die Sorben einen Minderheitenschutz. Die kulturellen Einrichtungen wurden gefördert, weil die DDR damit ihre Toleranz demonstrieren wollte. Doch der starke Rückgang des Sorbentums war damit nicht aufzuhalten, zumal viele sorbische Dörfer dem Braunkohletagebau weichen mussten.

Neuer Aufschwung kam zunächst mit der Wende 1989. In Chosebuz (Cottbus) wurde mit dem "Wendischen Haus" ein Kulturzentrum eröffnet, die Domowina wurde neu organisiert, und eine "Stiftung für das sorbische Volk" wurde gegründet. Die Sorben prägen die Kultur der Lausitz mit ihren zahlreichen Festen, bunten Trachten, Stickereien und Folkloretänzen. Besonders bekannt sind ihre farbenfroh bemalten Ostereier und das Osterreiten, ein Prozessionszug von Kirchengemeinden.

Sprache spielerisch lernen

Vogelhochzeit
Sorbische TrachtBild: AP

Allerdings ist die sorbische Sprache trotz aller Bemühungen nach wie vor vom Aussterben bedroht, da immer weniger junge Menschen die Sprache aktiv sprechen. In Malschwitz, einem 4000-Seelen-Dorf in der Lausitz, wurde deshalb ein Kindergarten für inzwischen über dreißig Kinder eröffnet. Dort wird nach dem sogenannten Immersionsmodell unterrichtet. Dieses Modell kommt aus Frankreich und wurde bereits erfolgreich an sprachlichen Minderheiten wie den Bretonen "erprobt". Die Kinder sollen dabei die Sprache spielerisch lernen und somit einen sorbischen Bezugspunkt bekommen.

Ziel des Kindergartens ist es, die Kinder mit zwei gleichberechtigten Muttersprachen aufwachsen zu lassen. Zur Zeit lernen gut 3000 Kinder Sorbisch im Kindergarten und in der Schule. Die Kultur wird jährlich mit 16 Millionen Euro vom Staat gefördert, für Theateraufführungen, Kulturvereine und sogar für einen sorbischen Verlag.

Neues Selbstbewusstein entwickeln

Trotz all dieser Bemühungen geht das Sorbische aber weiter zurück. Meist sind es nur noch ältere Menschen, die Sorbisch untereinander als Erstsprache verwenden. Viele junge Sorben müssen ihre Heimat verlassen, da die strukturschwache Lausitz wenig Arbeit bietet. Werner Frocka von der Domowina glaubt, dass das mangelnde, öffentliche Prestige das größte Problem darstellt. "In den Behörden ist oft nicht bekannt, dass dort genauso Sorbisch gesprochen werden kann wie Deutsch. Viele Sorben trauen sich deshalb nicht, selbstbewusst mit ihrer Sprache umzugehen," so Frocka im Gespräch mit DW-WORLD.

Die Domowina möchte aber zumindest die Zweisprachigkeit fördern und das Sorbentum damit neu beleben. Die Sprache soll auch in den Familien wieder vermehrt gesprochen werden. "Viele Eltern haben damit aufgehört, weil sie glauben, dass ihre Kinder mit Deutsch bessere Berufschancen haben", beklagt Frocka. Aber um eine Sprache neu zu beleben, muss man sie gerne sprechen wollen. "Erst wenn die Geringschätzung der eigenen Sprache aufhört, werden wieder mehr Menschen motiviert sein, Sorbisch zu sprechen."