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Kubas Regime kann seinem Volk nicht mehr helfen

4. August 2021

Die Wirtschaftskrise in Kuba hat sich dramatisch zugespitzt. Die jüngsten Massenproteste haben dies gezeigt. Nun hat sich das Regime durchgerungen und das Ausland um Hilfe gebeten.

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Menschen in Madrid zeigen sich solidarisch mit den Demonstrationen in Kuba
"SOS Cuba" - Menschen in Madrid zeigen sich solidarisch mit den Demonstrationen in KubaBild: Oscar Gonzalez/NurPhoto/picture alliance

Das Wort Wirtschaftskrise wird bereits seit vielen Jahren im Zusammenhang mit Kuba verwendet. Doch zuletzt hat sich die Situation deutlich zugespitzt. Zu den Auslösern gehöre die Anfang 2021 durchgeführte Währungsreform, erklärt Kuba-Experte Günther Maihold, sowie die Corona-Pandemie und damit einhergehend der ausgebliebene Tourismus.

"Die Corona-Krise war sicherlich das Tröpfchen obendrauf, mit dem die Leute dann nicht mehr zurechtkamen und das zu den Massenprotesten Mitte Juli geführt hat", so der stellvertretende Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Die Proteste scheint die kommunistische Führung des Inselstaates wieder unter Kontrolle gebracht zu haben. Zumindest erfährt man derzeit nichts über weitere regierungskritische Demonstrationen, das Regime hat viele Teilnehmer festnehmen lassen, die Präsenz von Sicherheitspersonal auf der Straße verstärkt und zeitweise den Zugang zum Internet eingeschränkt.

Kuba bittet um Hilfe

Die Krise hingegen ist geblieben - und anscheinend so drängend, dass Kuba sich mit Hilfsgesuchen an andere Länder sowie die Caritas gewandt hat. Der Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche wird von der kommunistischen Regierung normalerweise mehr geduldet denn geschätzt. Aber er ist eine der wenigen unabhängigen Organisationen in Kuba, die dort landesweit vernetzt sind.

Kilian Linder, Kuba-Referent der Caritas, sagt: "Eigentlich ist Kuba sehr stolz auf die Errungenschaften im Gesundheitsbereich: Es gibt mehr Ärzte pro Einwohner als in Deutschland und Kuba hat selbst schon oft Nothilfe im medizinischen Bereich geleistet." Dass die Regierung nun über ihren Schatten springe und selbst um Unterstützung bittet, zeigt nach Linders Einschätzung, wie dramatisch sie die Lage einschätzen müsse.

Transportflugzeug mit hochgeklappter Nase wird entladen
Hilfsgüter aus Russland werden ausgeladenBild: Yevgeny Zadorozhny/ITAR-TASS/imago images

Schutzmasken, Beatmungsgeräte, Medikamente, OP-Kittel - diese und weitere Medizinprodukte will die Caritas nun so bald wie möglich per Flugzeug nach Kuba bringen. Indessen sind bereits erste Hilfslieferungen einiger - mehr oder weniger - mit Kuba befreundeter Staaten eingetroffen. Russland hat nach eigenen Angaben mehr als 88 Tonnen humanitäre Hilfsgüter geschickt, darunter Nahrungsmittel sowie Masken. China hat 30 Beatmungsgeräte geliefert, weitere Hilfsgüter sollen folgen.

Venezuela hat Ende vergangener Woche per Schiff Nahrungsmittel geliefert. Medienwirksam traf auch ein mexikanisches Militärschiff mit Essen und Sauerstoff im Hafen von Havanna ein, zwei weitere sollen folgen. Kubas Minister für Außenhandel und Ausländische Investitionen, Rodrigo Malmierca, erklärte: "Wir werden immer dankbar sein für Regierungen und Menschen wie Mexiko, die versuchen, die Freundschaft und Brüderlichkeit, die uns verbindet, nach Kuba zu exportieren. Und nicht Krieg und Gewalt." Letzteres war wohl ein Seitenhieb Richtung USA.

USA antworten mit Strafmaßnahmen

Denn die US-Regierung hat wegen der Unterdrückung der Proteste am 11. und 12. Juli weitere Strafmaßnahmen gegen den Karibikstaat verhängt. Sie setzte den Chef der kubanischen Polizei, Oscar Callejas Valcarce, und seinen Stellvertreter Eddy Sierra Arias auf ihre Sanktionsliste. Präsident Joe Biden drohte, es würden weitere Schritte folgen, "sollte es in Kuba keine drastischen Veränderungen geben".

Dabei hatten viele beim Amtsantritt des Demokraten gedacht, dass dieser eine Rückkehr zum Obama-Kurs einleiten könne. Das Verhältnis der USA zu Kuba hatte sich unter US-Präsident Barack Obama etwas entspannt, doch dessen Nachfolger Donald Trump hatte die zaghafte Annäherung durch neue harte Sanktionen wieder rückgängig gemacht.

Demonstrantin als Freiheitsstatue mit zugenähten Lippen verkleidet
Demonstrierende in den USA forderten, dass die USA in Kuba einschreiten müssenBild: Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Kuba-Experte Maihold sieht Bidens Festhalten an einer restriktiven Kuba-Politik vor allem innenpolitisch begründet: "Er möchte keine zusätzliche Front gegenüber Trump-Wählern und gegenüber der kubanischen Exilgemeinde in Florida eröffnen, die eine wichtige Wählergruppe in den USA darstellt."

Hilfsgüter als Beruhigung für die Unzufriedenen?

Doch auch die kubanische Führung hat die Hoffnungen auf einen offeneren Politikstil nach dem Ende der Ära Castro  enttäuscht. Im vergangenen April hatte Raúl Castro seine offizielle Führungsrolle in der Kommunistischen Partei aufgegeben, nachdem er 2018 bereits das Amt des Staatspräsidenten an Miguel Díaz-Canel abgegeben hatte.

Maihold sieht das Regime nun in einer "Grauzone zwischen repressivem Vorgehen und dem Versuch, ein wenig auf die Nöte der Bevölkerung einzugehen, indem man jetzt beispielsweise bei Einreisenden die Grenzen der einzuführenden Produkte aufgehoben hat. Sie können nun bis Dezember kofferweise Lebensmittel und Medikamente ins Land bringen". Dies wie auch die Gratisverteilung der Hilfslieferungen auf den Straßen Kubas seien letztlich ein Versuch, "dem Protest die Spitze abzubrechen".

Menschen fordern grundlegenden Wandel

Dass dieser Plan aufgeht, bezweifelt Maihold indes. Denn die mehrheitlich jugendlichen Demonstranten seien "mit den Castros und der Revolutions-Mystik zwar in der Schule behelligt worden, haben aber von der eigenen Lebenserfahrung her damit nichts mehr zu tun. Deren Erwartung ist, dass sich jetzt wirklich an den Lebensumständen etwas ändert."

Und das ist so kaum zu erreichen, zumindest nicht langfristig. Hilfslieferungen werden nicht ändern, dass der Alltag vieler Kubaner von Strom- und Lebensmittelknappheit und seit dem Beginn der Corona-Pandemie auch von Medikamentenmangel geprägt ist.  

Ein Mann bekommt in Havanna eine Impfung gegen Corona
Verimpfung des "Abdala"-Vakzins in HavannaBild: Ramon Espinosa/AP/picture alliance

Kilian Linder von Caritas International glaubt, dass viel vom weiteren Verlauf der Impfkampagne abhängt. Zwar habe Kuba es geschafft, zwei eigene Impfstoffe zu entwickeln und die Fallzahlen lange gering zu halten. Seit Ende Juli liegt die Sieben-Tage-Inzidenz jenseits der 500 und weniger als ein Viertel der Kubaner ist voll geimpft, nur weitere zwölf Prozent sind teilweise geimpft. Und sowohl "Abdala" als auch "Soberana" müssen insgesamt dreimal gespritzt werden. "Die Frage ist, wie gut die Produktion und die Verimpfung der Corona-Vakzine angesichts der Mangelsituation in den kommenden Monaten funktionieren wird", sagt Linder. "Wenn Kuba das Coronavirus bis Ende des Jahres nicht eindämmen kann, wird es kritisch."

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis