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Soviel "links" war lange nicht

Bernd Gräßler, Berlin26. Juni 2005

Alle Umfragen deuten für den Fall von Neuwahlen auf einen Sieg der Unionsparteien. Die noch Regierenden üben bereits Oppositions-Rituale: sie packen linke Slogans aus.

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Soviel "links" war lange nicht in Deutschland. Der Wahlkampf beschert dem Land drei Parteien, die unbedingt gern links sein wollen: die PDS sowieso, unter neuem Namen als "Die Linkspartei". Die Grünen ziehen als "moderne emanzipierte Linke" (Claudia Roth) in den Wahlkampf. Und den Sozialdemokraten schlägt ihr Herz wieder so stark links, dass sogar die Rechten in der Partei für eine "Millionärssteuer" sind.

Alle Hoffnungen ruhen nun darauf, dass wenigstens die Union (Risiko Seehofer!) und die FDP (kein Risiko) dem neuen Trend nicht nachgeben und vorerst auf die Kampfansage verzichten, eigentlich seien sie die authentischen Linksparteien (Schließlich schafft nur Leistung Wohlstand für alle!).

Vergesslichkeit

Der Wähler wiederum kann sich ohnehin schon ausreichend gelinkt fühlen. Beispielsweise von der rot-grünen Regierung, die gerade dabei ist, das Kanzleramt freiwillig zu räumen. Die SPD-Minister Clement und Eichel fordern - man höre und staune - ein Ende der jahrelangen Lohnzurückhaltung für die Arbeitnehmer, schließlich müsse die Binnenkonjunktur gestärkt werden. Außerdem sollen endlich die Reichen steuerlich stärker belastet werden, wenn Rot-Grün wieder regieren darf. Tja, das hatte man doch glatt vergessen in den sieben vergangenen Regierungsjahren ....

Die Grünen wollen plötzlich die Arbeitslosenhilfe im Osten auf Westniveau anheben, nachdem es immer hieß, das sei zu teuer. Motto: gestern ist gestern, heute ist heute, und morgen sind wir sowieso in der Opposition.

Grausamkeiten

Die Union als voraussichtliche neue Regierung ist stiller geworden, nachdem sie noch vor vier Wochen jubelte, jeder Tag ohne Rot-Grün an der Macht sei ein guter Tag für Deutschland. Die Frage ist, ob es auch gute Tage für die Union werden, angesichts der gewaltigen Haushaltslöcher. Man setze auf "Wachstumsmaßnahmen, die nichts kosten: Bürokratieabbau, Arbeitsrechtsveränderungen, Innovationsgesetze" (Angela Merkel).

Im Hintergrund wird fieberhaft am Grundproblem der kommenden Regierungszeit gearbeitet - auch Quadratur des Kreises genannt: wie gebe ich mehr Steuern aus, ohne mehr einzunehmen und ohne mehr Schulden zu machen. Sollte es nicht gelöst werden, könnte man notfalls doch die Mehrwertsteuer erhöhen, wobei die nächste Frage auftaucht: verkünden wir diese und andere Grausamkeiten schon vor der Wahl (was neu wäre) oder lieber erst danach (was Tradition hat).