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Spürbare Veränderungen in Bulgarien

3. Januar 2008

Es hat sich was getan in Bulgarien, nicht erst seit Anfang 2007, als das Land der EU beitrat. Reformen konnten durchgesetzt werden. Viele Probleme sind geblieben. Aber die Zustimmung zu Europa ist da.

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Bulgaren sind nun selbstbewussterBild: AP

Das Wirtschaftswachstum in Bulgarien soll 2008 bereits bei sechs bis sieben Prozent liegen. Und der Staatshaushalt, einst vor dem Bankrott, verzeichnet wachsende Überschüsse. Als im Oktober 2007 fast 100.000 Lehrer bei der größten Demonstration seit der Wende auf die Straße gingen, um für eine Bildungsreform und eine Anhebung ihrer Gehälter von 150 auf 300 Euro zu kämpfen, wurde ihren Forderungen nach über sechs Wochen weitgehend nachgegeben, ohne dass der Finanzminister dadurch schlaflose Nächte bekam.

Zeichen des Wandels

Das junge EU-Land Bulgarien verändert sich spürbar. Seit neuestem gibt es an den Straßenbahnhaltestellen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia nicht nur wieder Kästen, in denen der Linienweg verzeichnet ist, sondern auch elektronische Säulen, die die Ankunftszeit der einzelnen Bahnen in Minuten angeben. Die Zahl der Autos hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Doch es sind weniger Gebraucht-, sondern immer mehr Neuwagen, die über die mit Eurogeldern renovierten Straßen Bulgariens rollen.

Als Stellvertretende Ministerin für Europafragen begleitete Antoanetta Primatarova von Anfang an, also seit 1998, den EU-Beitrittsprozess. Sie hat beobachtet, wie positiv sich das strenge Monitoring seitens der Europäischen Kommission auf den Transformationsprozess in Bulgarien ausgewirkt hat. „Die größten Probleme in Bulgarien gibt es derzeit in den Bereichen, wo es keine EU-Vorschriften gibt. Aus diesem Grunde wurden sie zum Teil vernachlässigt. Zum Teil war das Bewusstsein da, dass diese Bereiche auch reformbedürftig sind. Aber hier war es viel schwieriger, einen Konsens zu erreichen, wie man das machen sollte. Und da hat man am liebsten nichts gemacht.“

Widerstände gegen Reformen

Es war schon schwierig genug, die nötigen Reformen dort durchzusetzen, wo es unumgänglich war. Der Widerstand kam anfangs nicht nur aus den Kreisen der organisierten Kriminalität, die an internationaler Einflussnahme und der

Schaffung einer rechtsstaatlichen Ordnung kein Interesse hatten, sondern auch von den einfachen Leuten, die so verarmt waren, dass jeder Versuch, unrentable Strukturen zu beseitigen, sie zunächst hart traf. Umso bemerkenswerter, dass laut einer Befragung, die das Institut Alpha Research seit zehn Jahren halbjährlich durchführt, die Zustimmung zum EU-Beitritt unter den Bulgaren immer deutlich über 80 Prozent lag.

In Europa angekommen

Dabei spielten nicht nur die Hoffnung auf die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Sanierung eine Rolle, sondern auch die Hoffnung auf mehr innere Sicherheit, auf den Schutz der Bürgerrechte, der grundlegend ist für die Demokratisierung des Landes.

Vladimir Zarev, ein Autor, der viel über die Folgen der Wende in Bulgarien geschrieben hat, unterstreicht in diesem Zusammenhang den vielleicht wichtigsten Effekt des EU-Beitritts seines Landes: „Weggefallen ist das erniedrigende Gefühl, Bulgare zu sein. Wir haben unser Selbstbewusstsein wiedergefunden. Zwar sind die großen Probleme unseres Landes bedauerlicherweise noch nicht gelöst, wofür die Politiker eine große Schuld tragen. Doch die Menschen selbst haben das Gefühl, dass wir endlich dort sind, wo wir immer waren und hingehörten, zu Europa.“

Thomas Frahm