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Spanien spielt erfolgreich den Klapperstorch

Stefanie Claudia Müller
12. Januar 2022

In Sachen Reproduktionsmedizin ist das Land führend in Europa. Risikokapital-Fonds stürzen sich auf neue Möglichkeiten infolge sinkender Fruchtbarkeit.

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Baby, Neugeborenes l Spanien
Bild: Cavan Images/imago images

40 Prozent aller künstlichen Befruchtungen innerhalb der EU werden inzwischen in Spanien durchgeführt, so die Sociedad Española de Fertilidad (SEF). Francina Islas ist eine der Frauen, die sich hier ihren Kinderwunsch erfüllt hat. Die 43jährige war schon Mitte 30, als sie heiratete und eine Familie gründen wollte: "Ich hatte nicht wirklich ein gesundheitliches Problem, wollte aber keine Zeit verlieren und habe mich in Madrid bei einer Klinik angemeldet, damit die Schwangerschaft zeitnah klappt."

Ab 35 Jahre sinkt die Fruchtbarkeit von Frauen deutlich. Immer mehr Spanierinnen wollen aber erst dann Kinder haben, wenn sie finanziell abgesichert sind. Der Gesundheitsmarkt hat sich darauf eingestellt. Nach offiziellen Angaben sind in Spanien bereits neun Prozent der Geburten das Resultat von Fruchtbarkeitsbehandlungen, die in Spanien in der Regel günstiger sind als zum Beispiel in Deutschland. Das brachte Investmentfonds auf den Plan, bei dem Wachstumsgeschäft mitzumischen.

Investmentfonds mischen mit beim Babywunsch

In 2023 rechnet Allied Market Research mit einem globalen Branchenumsatz von 27,5 Milliarden Euro und einem jährlichen Wachstum von neun Prozent, einige Experten gehen sogar von zehn Prozent aus. In Spanien gibt es inzwischen fast 300 Kliniken, die sich auf künstliche Befruchtung spezialisiert haben. Außerdem entstehen auch Unternehmen wie das Startup Woom, das Frauen per App hilft, ihre Fruchtbarkeit zu messen.

Symbolbild Illustration künstliche Befruchtung einer Eizelle
Jede sechste Frau in Deutschland, die sich ein Kind wünscht, kann nicht auf natürlichem Wege schwanger werden. So das 2021 erschienene Jahr­buch des Deutschen IVF-Registers, in dem die Daten fast aller Kinder­wunsch­zentren auswertet werden. Bild: Cigdem Simsek/Zoonar/picture alliance

Schon 2020 hat die deutsche Fresenius die Eugin-Gruppe mit einem globalen Netz von Reproduktionskliniken und einem Jahresumsatz von rund 160 Millionen Euro übernommen. Die spanische Klinikkette GeneraLife ging vergangenes Jahr für 400 Millionen Euro an den US-Investor KKR. Aktuell steht die auf rund 1,8 Milliarden Euro geschätzte IVIRMA Global, bereits eine Fusion zwischen dem renommierten Fruchtbarkeits-Institut IVI Valencia und der amerikanischen RMA, zum Verkauf. Um den Zuschlag buhlen Investoren wie CVC, Advent und Cinven.

Immer weniger natürliche Geburten in Spanien 

Unfruchtbarkeit ist ein weltweites Problem, aber in Spanien bekommen die Frauen im Durchschnitt am wenigsten Kinder im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, so die SEF. Während 1980 die Spanierinnen noch 2,6 Kinder im Durchschnitt bekamen, sind es heute nur noch 1,3.

Islas gehört zu den Erfolgsgeschichten der spanischen Reproduktionsmedizin, weil es direkt beim ersten Versuch mit der Schwangerschaft klappte, und sie heute stolze Mutter eines zweijährigen Jungen und eines fünfjährigen Mädchens ist. Dieser Erfolg hat auch mit den hohen technologischen Standards und der Expertise der Spanier auf diesem Feld zu tun. Die technischen Möglichkeiten überschreiten inzwischen die gesetzlichen Grenzen vieler anderer EU-Länder.

Im Urlaub ein Baby

So können sich in Spanien auch Ledige und Homosexuelle ihren Kinderwunsch erfüllen. Das zieht seit Jahren auch zahlreiche Menschen mit Kinderwunsch aus Deutschland ins südliche Urlaubsparadies. In Städten wie Barcelona und Alicante, wo mit der Grupo UR einer der größten Unternehmen aus dieser Branche sitzt, hat sich ein regelrechter "Baby-Tourismus" entwickelt. Hotels und andere Dienstleister haben sich auf diese Art der Gesundheitsurlauber mit speziellen Angeboten eingestellt.

Menschlicher Fötus
In Deutsch­land gibt es mehr als 150 Kinder­wunsch­zentren. Sowohl Krankenkassen als auch einige Bundesländer helfen in Deutschland bei der Finanzierung einer künstlichen Befruchtung. Bild: Last Refuge/Mary Evans Picture Library/picture alliance

Die Kliniken helfen den Paaren meist bei der Planung des Aufenthalts und haben Kooperationen mit Hotelketten. Das IVI Valencia bietet nicht nur einen deutschsprachigen Beratungsservice an, sondern verfügt wie viele andere Wettbewerber auch über deutsche Ärzte, die in Spanien auch mit gespendeten Eizellen- und Embryonen Behandlungen durchführen können. Auch die Analyse auf Erbkrankheiten der befruchteten Eizellen vor dem Einpflanzen ist in Spanien erlaubt.

Eine künstliche Befruchtung kosten zwischen 1.000 und 10.000 Euro. Für jüngere in Spanien lebende Frauen mit Fruchtbarkeitsproblemen bietet der Staat inzwischen sogar Hilfe an, um die Geburtenrate zu erhöhen. "Ich war schon zu alt, hatte auch nicht wirklich ein gesundheitliches Problem und musste deswegen den privaten Weg gehen", berichtet Islas. Es war für sie klar, dass es schnell klappen musste, um sich den doppelten Kinderwunsch auch finanziell leisten zu können: "Dass es dann ein Junge und ein Mädchen wurde, war pures Glück." Denn die Auswahl des Geschlechts ist auch in Spanien verboten.

Künstliche Befruchtung ist gesellschaftlich akzeptiert in Spanien

Attraktiv ist das Land für Investoren und Kinderlose auch, weil hier Personen auf der Suche nach einer künstlichen Befruchtung nicht stigmatisiert werden. Gesellschaftliche Debatten über die Ethik von Eizellen- oder Embryonenspenden gibt es wenig, obwohl das spanische Fernsehen bereits einige kritische Berichte über das Geschäft mit Samen-, Eizellen und Embryonen-Spenden ausgestrahlt hat und auch Universitäten einige Methoden in diesem Bereich kritisieren. Ebenso sehen Kirchenvertreter das Geschäft mit dem Leben nicht gerne. Aber allgemein ist die künstliche Befruchtung für viele Spanier einfach eine medizinische Behandlung.