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Gewalt in Abyei

25. Mai 2011

Trotz neuer Gewalt will der Südsudan weiter ein unabhängiger Staat werden. Die Lage ist angespannt, doch von einem neuen Krieg wollen südsudanesische Politiker nichts wissen.

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Eine Rauchsäule steht hoch über einer Reihe Holzhütten. (Foto: dpa)
Brennende Hütten - in Abyei geht die Gewalt weiterBild: picture-alliance/dpa

Es ist nicht einfach dieser Tage, Barnaba Marial Benjamin ans Telefon zu bekommen. Seit nordsudanesische Soldaten in die Region Abyei einmarschiert sind, hetzt der Minister von einem Termin zum nächsten: Pressekonferenzen, Delegationen des UN-Sicherheitsrates, Besprechungen im Ministerium. Schließlich findet der Informationsminister des Südsudan ein paar Minuten für ein Interview. Der Einmarsch der nordsudanesischen Truppen am letzten Wochenende - für ihn war das ein "kriegerischer Akt". Die internationale Gemeinschaft und der UN-Sicherheitsrat müssten alles tun, um die Soldaten zum Rückzug aus Abyei zu bewegen, sagt der Informationsminister.

Umstritten ist, was genau in Abyei passiert ist, bevor die nordsudanesische Armee am letzten Wochenende (21./22.05.) das Gebiet besetzte. Als Auslöser gilt der bewaffnete Angriff auf einen Konvoi nordsudanesischer Truppen am Freitag. Der Norden macht dafür die Armee des Südens verantwortlich. Es gebe "südsudanesische Truppen, die sich in Abyei durchsetzen wollten, obwohl dies im Widerspruch zum Friedensvertrag" stehe, erklärte der nordsudanesische Minister Armin Hassan Omer. Die Regierung im Süden dementiert - sowohl, dass ihre Truppen in Abyei sind als auch, dass sie den Konvoi angegriffen hätten. Es seien nur sogenannte "Gemeinsame Einheiten" vor Ort gewesen, die aus Soldaten beider Truppen zusammengesetzt sind. Diese sind auch nach dem Friedensvertrag ausdrücklich erlaubt. Der Angriff auf den Konvoi, "das war nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei einzelnen Soldaten", sagte Südsudans Informationsminister Barnaba Marial Benjamin der Deutschen Welle. Doch in den Wochen zuvor hatte es bereits Berichte gegeben, dass die Spannungen zunehmen. Die Vereinten Nationen beschuldigten beide Seiten, Truppen in der Region zusammenzuziehen, obwohl dies nach einem Abkommen verboten ist.

Zwei Männer sitzen vor einer Reihe Mikrofone. Der Minister trägt einen grauen Anzug und eine rote Krawatte (Foto: AP).
Der südsudanesische Informationsminister Barnaba Marial Benjamin (r.)Bild: AP

"Westjordanland des Sudan"

Die wahren Gründe für den Konflikt um Abyei liegen in der besonderen ethnischen Zusammensetzung des Gebietes. "Abyei ist das Westjordanland des Sudan", sagt der britische Sudan-Experte Douglas Johnson lakonisch. Gewalt gibt es immer wieder. 2008 flohen mehr als 50.000 Menschen nach schweren Zusammenstößen aus der Stadt und der Umgebung - Abyei wurde angezündet und brannte nieder. "Die Region wird von den Ngok Dinka bewohnt, die dem Südsudan zugerechnet werden. Verwaltungstechnisch gehört Abyei aber nicht zum Süden", erklärt Johnson. Gleichzeit leben in dem Gebiet auch Misseriya-Nomaden aus dem Norden. Beide beanspruchen die dortigen Wasservorkommen und das Weideland. Entsprechend groß ist die Angst bei den Ngok Dinka, dass Abyei dem Norden zugesprochen wird. Umgekehrt fürchten die Misseriya, Abyei könnte Teil eines unabhängigen Südsudans werden.

Zudem haben auch beide Regierungen großes Interesse an dem Gebiet. Hier liegen wichtige Ölvorkommen. "Die übrigen Vorkommen liegen überwiegend auf dem Gebiet eines künftigen unabhängigen Südsudan", erklärt Douglas Johnson. Daher will vor allem der Norden Abyei nicht dem Süden in die Hände fallen lassen. Damit der Friedensprozess nicht an Abyei scheitert, fanden beide Seiten eine Sonderlösung: Die Einwohner der Region sollten Anfang Januar in einer Volksabstimmung klären, zu welchem Teil des Sudan sie künftig gehören sollten - Nord oder Süd. Doch die Regierungen der beiden Landesteile konnten sich nicht darauf einigen, wer in der Organisationskommission für die Abstimmung sitzen sollte. Außerdem gab es Streit, wer wahlberechtig sein würde.

"An der Klippe" zu einem neuen Krieg?

Seit nordsudanesische Panzer in Abyei stehen, wächst bei Teilen der internationalen Gemeinschaft die Angst. "Der Sudan steht in diesem Moment an der Klippe zu einem neuen Bürgerkrieg", sagte der US-Senator John Kerry. Doch Fouad Hikmat ist nicht so pessimistisch. Er ist Sonderbeauftragter für den Sudan beim Think-Tank "International Crisis Group" und verfolgt die Entwicklungen in der Gegend seit Jahren. "Beide Seiten wollen im Moment keinen neuen Krieg", sagt der Fachmann. Allerdings: Auch er geht davon aus, dass es weiterhin Gewalt und militärische Auseinandersetzungen in Abyei geben wird.

Nach Hikmats Meinung wollen beide Seiten vor allem eines: Vor der Unabhängigkeit des Südens Fakten schaffen und damit ihre Verhandlungspositionen verbessern. Seit Monaten laufen Gespräche zwischen beiden Seiten. Eine Reihe von Problemen müssen sie noch lösen, bevor der Süden unabhängig werden kann. Neben Abyei geht es dabei auch um die Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft oder die gemeinsame Grenze. Durch die Besetzung Abyeis wollte der Norden seine Verhandlungsposition stärken, meinen viele Experten. Trotz der militärischen Eskalation laufen die Verhandlungen offenbar weiter: "Wir sprechen weiter mit der Regierung in Khartoum über die noch offenen Fragen und hoffen, dass wir auch die Abyei-Frage klären können", sagt auch der südsudanesische Informationsminister Benjamin.

Ein weißer Panzer mit schwarzer Aufschrift "UN" fährt auf einer gelben Piste. (Foto: AP)
Eine UN-Streife vor dem Ausbruch der KämpfeBild: AP
Männer vor einem Transparenz recken ihre Fäuste in die Luft (Foto: AP)
Demonstrationen gegen den Einmarsch des Nordens in Süden des SudanBild: AP

Verhandlungen als einziges Mittel

Doch Verhandlungen allein reichen im Abyei-Konflikt nicht, meint Douglas Johnson. Er glaubt, dass es nur dann langfristig Frieden geben wird, wenn die vorgesehene Abstimmung stattfindet. "Dafür braucht man gar nichts - es müssen nur die Vereinbarungen umgesetzt werden, die schon längst vom sudanesischen Parlament verabschiedet worden sind", sagt Johnson. Doch auch dafür müssen sich beide Seiten einig sein. Das ist aber im Moment schwer. Denn bisher weigert sich die Regierung im Norden, ihre Panzer aus Abyei abzuziehen. Genau das ist aber die Forderung des Südens und der internationalen Gemeinschaft.

Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Lina Hoffmann