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Sparen am Schutz für geschlagene Frauen

Gisela Schinawa 29. April 2006

Was vor allem konservative Politiker von der Türkei fordern, wollen sie per Sparbeschluss im eigenen Land zurückzufahren: Die Chancen für geschlagene Frauen, Zuflucht in einem Frauenhaus zu bekommen, wird geringer.

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Geschminkte Teilnehmerin einer Frauen-Demo in HildesheimBild: dpa
Demo für Frauenhaus
Demonstration in Hamburg gegen Kürzungen bei den Frauennotrufen (2003)Bild: PA/dpa

Manuela ist 23 Jahre alt, Mutter von zwei kleinen Kindern und kommt aus einer süddeutschen Großstadt. Demütigungen und Schläge von ihrem Lebensgefährten hat sie eineinhalb Jahre lang ertragen, bevor eine Freundin ihr Mut machte, und sagte: "Geh in ein Frauenhaus!" Und so paradox es nach ihren traumatischen Erfahrungen klingen mag: Manuela ist überglücklich, dass sie schnell, unbürokratisch und unentgeltlich einen Platz für sich und ihre Kinder im zweiten Autonomen Frauenhaus in Köln gefunden hat.

Kürzung um ein Drittel

In Deutschland suchen rund 45.000 Frauen jährlich Schutz in einem Frauenhaus vor ihren gewalttätigen Partnern. Allein 5000 Frauen und 5000 Kinder sind es in dem am dichtesten besiedelten Bundesland NRW. 68 Zufluchtsstätten finden Frauen in Not hier, 62 der Frauenhäuser erhalten finanzielle Zuwendungen von der Landesregierung. "Es geht um Rechtsberatung, was Scheidung angeht, Kinder angeht, auch Aufenthaltsrechte angeht. Und auch um die Beratung in Sachen Sozialhilfe", erklärt Stefanie Föhring, Mitarbeiterin des Zweiten Autonomen Frauenhauses in Köln. "Auch die Berufsfindung möglicherweise. Sprachkurse müssen Frauen finden und besuchen. Ja, einfach Perspektiven entwickeln!" Ihre Kollegin Hamila Vasiri sagt: "Für uns ist Gewalt nicht nur körperliche, sondern seelische nennen wir auch Gewalt. In jeder Situation, in der sie uns anrufen."

"Autonomes Frauenhaus" bedeutet, dass es unabhängig von der Trägerschaft einer Kirche oder eines Wohlfahrtsverbandes ist. Das inhaltliche Konzept solcher Häuser sieht neben akuter Hilfestellung auch vor, den Frauen einen Weg in ein neues, selbst bestimmtes, autonomes Leben zu ebnen. Doch genau dieses Ziel sehen sie in Zukunft gefährdet. Zwar hält die Landesregierung den Kampf gegen häusliche Gewalt für wichtig. Aber trotzdem hat sie vor, die Zuschüsse für die Frauenhäuser in NRW um 30 Prozent zu kürzen.

Mehr Übergriffe

Der Minister für Frauen und Integration, Armin Laschet, hat keine Zeit für ein Interview, um seine Entscheidung zu begründen. Auch die Leiterin des Frauenreferats ist nicht abkömmlich. Nein, die Gewalt gegen Frauen sei nicht zurückgegangen, beteuert man im Düsseldorfer Ministerium. Seit das Gewaltschutzgesetz im Jahr 2002 in Deutschland eingeführt wurde, kämen sogar deutlich mehr Übergriffe zur Anzeige. Ja, die Arbeit der Frauenhäuser erachte man als sehr wichtig! Man habe auch die Einführung einer Datenbank im Internet gefördert. Hier können sich Frauen informieren, welche Frauenhäuser in der Region über freie Plätze verfügen. Aber nun müsse leider gespart werden.

Häusliche Gewalt verursacht Kosten: Polizeieinsätze, Krankentransporte, Krankenhausaufenthalte, Zivil- und Strafverfahren, Therapiekosten. Gewalt setzt sich generationenübergreifend fort. "Wir wollen nicht wie die Automaten mit den Menschen umgehen", sagt Hamila Vasiri. "Meine Furcht ist, dass wir dafür nicht genug Zeit haben." In dem selbstverwalteten Projekt müssen die Mitarbeiter die ganze Verwaltungsarbeit erledigen und zehn Prozent der Mittel in Form von Spenden mobilisieren. "Wir sollen außerdem Öffentlichkeitsarbeit machen, damit die Frauen auch mitkriegen, dass es diese Möglichkeiten gibt."

Eine Stelle pro Haus fällt weg

Hamila Vasiri ist gebürtige Iranerin. Neben ihrer Muttersprache beherrscht sie deutsch und türkisch. Seit elf Jahren arbeitet sie im Kölner Frauenhaus mit Frauen, die häusliche Gewalt erfahren haben - deutschen Frauen und solchen mit Migrationshintergrund. Und sie weiß aus Erfahrung, dass trotz des Gewaltschutzgesetzes kaum eine Frau in der Wohnung bleiben möchte, in der sie so leidvolle Erfahrungen gemacht hat. Im Durchschnitt nehmen die Frauen stattdessen ein halbes Jahr Zuflucht im Frauenhaus, um Stabilität zu erlangen, ihr Leben zu ordnen und eine neue Wohnung zu beziehen.

Bisher wurden 60 bis 80 Prozent der anfallenden Personalkosten durch die Landesregierung gedeckt. Nun fällt im Zuge der geplanten Kürzungen eine ganze Mitarbeiterinnenstelle pro Haus weg. Die Gefahr, dass dadurch qualifizierte Tätigkeit ins Ehrenamt abgedrängt wird, ist groß.

Forderungen an die Türkei

Die Europäische Union fordert von ihren Mitgliedsstaaten den Schutz der Menschenwürde. So ist unter anderem auch für die Türkei bei einer zukünftigen Mitgliedschaft der Schutz der Frauenrechte eine Voraussetzung. Aus diesem Grund hat die türkische Regierung im Dezember 2004 ein Gesetz erlassen, dem zufolge jede Gemeinde mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Frauenhaus einrichten soll.

Es ist ein trauriger Fakt, dass Zufluchtsstätten für Frauen nötig sind. Um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, hat die EU für die Initiative DAPHNE 50 Millionen Euro bereitgestellt: Zur Unterstützung von grenzüberschreitenden Frauenprojekten ihrer Mitglieder- und Anwärterstaaten. Vielleicht besteht da noch Hoffnung, dass auch die nordrhein-westfälische Landesregierung sich zum Schutz der Frauen vor Gewalt vom europäischen Geist anregen lässt. Denn Stefanie Föhring vom Zweiten Autonomen Frauenhaus in Köln sieht die wertvolle Arbeit der Frauenhäuser in Zukunft gefährdet: "Wir merken, dass uns die Zeit fehlt, um mit den Frauen und Kindern zusammen zu sein und Anstöße zu geben. Inzwischen stellen wir uns einfach die Frage, ob es noch möglich ist, diese Aufgaben in Zukunft zu erfüllen."