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Politik

"CDU betreibt Geschäft der AfD"

7. Dezember 2016

Aufstand der Jungen in der Union: Der mühsam ausgehandelte Kompromiss mit der SPD über die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder gekippt werden. Eva Högl (SPD) hält den Parteitags-Beschluss für ein schlechtes Signal.

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Kampagne Ein Leben, zwei Pässe
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Noch bis zum Dezember 2014 mussten sich die meisten Kinder ausländischer Eltern zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr entscheiden, ob sie den deutschen Pass oder den ihrer Eltern behalten wollten. Das betraf vor allem Kinder türkischer Eltern. 

Diese Gesetzeslage wurde nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Unionsparteien und der SPD, die zusammen die Große Koalition in Berlin bilden, 2014 verändert. Seitdem dürfen die Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen beide Pässe führen - und zwar dauerhaft.

Kaum zwei Jahre später macht die CDU die doppelte Staatsangehörigkeit zum Thema auf ihrem Parteitag in Essen. Die Junge Union forderte in einem Antrag die Optionspflicht und holte sich dafür nach hitziger und kontroverser Debatte eine knappe Mehrheit - gegen den ausdrücklichen Willen der Bundeskanzlerin und des Innenministers. Damit ist das Thema wieder auf der Tagesordnung.

DW: Frau Högl, Die Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern soll wieder eingeführt werden. Was ist so schlimm daran, dass sich erwachsene junge Menschen entscheiden dürfen?

Eva Högl: Da habe ich ein ganz klares Statement: Ich bin wirklich entsetzt über diesen Beschluss der CDU. Damit stellt sich die Partei ja auch gegen die Bundeskanzlerin Angela Merkel und gegen den Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Meiner Meinung nach betreibt die Union mit dem Votum das Geschäft der AfD. Und was ist so schlimm daran? Es ist überhaupt nichts schlimm daran, wenn Menschen sich entscheiden. Aber mit der doppelten Staatsangehörigkeit und der Möglichkeit dazu, respektieren wir, dass Menschen zunehmend internationale Biografien haben. Sie kommen aus einem bestimmten Land oder ihre Eltern und Großeltern, sind aber hier geboren. Sie bekennen sich zu Deutschland, sie wollen Deutsche werden und sein, aber sie wollen auch eine Verbindung zu ihrem Heimatland behalten und das finde ich absolut in Ordnung und das sollten wir erleichtern und nicht erschweren.

CDU Parteitag in Essen
319 CDU-Delegierte votierten für die Optionspflicht, 300 dagegen - auch Peter Tauber und Angela MerkelBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Es war die Junge Union, die eine Mehrheit auf dem Parteitag ein Votum gegen Merkel und für die Optionspflicht herbeigeführt hat. Was heißt das nun für die Koalition?

Zunächst einmal stellt sich die CDU gegen die Kanzlerin und den Innenminister und das heißt für die Koalition überhaupt gar nichts, denn das wird es mit der SPD nicht geben. Wir haben einen klaren Koalitionsvertrag, wir haben diesen umgesetzt. Wir haben die Optionspflicht abgeschafft, jedenfalls nahezu. Das ist die Vereinbarung in der Koalition und die CDU hat nicht ansatzweise eine Mehrheit im Deutschen Bundestag für eine Änderung. Das hätte sie übrigens auch nicht mit anderen Koalitionspartnern. Außer sie entscheidet sich irgendwann dafür, mit der AfD zu koalieren.

Gibt es überhaupt Verhandlungsmasse mit der SPD, um den Kompromiss von 2014 noch zu retten?

Nein, keine einzige. Da sind wir ganz klar, es war schon ein Kompromiss mit der Union. Wir hätten gerne noch mehr gehabt und wären gerne noch weiter gegangen und da sind wir ganz klar unterschiedlicher Auffassung. Die SPD will mehr doppelte Staatsangehörigkeit, auch mehr Partizipation für Menschen mit ausländischen Biografien, zum Beispiel beim kommunalen Ausländerwahlrecht. Wir werden da auf keinen Fall Rückschritte mitmachen.

Was behindert denn die Integration, wenn sich die Betroffenen für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden - wie die SPD nun kritisiert?

Es spricht ja gar nichts dagegen, dass sich Menschen für eine Staatsangehörigkeit entscheiden, das ist natürlich der Idealfall. Aber ich finde, man muss es wirklich respektieren. Es ist ja für Millionen von Menschen eine Realität, dass sie verschiedene Staatsangehörigkeiten haben, dass sie die doppelte Staatsangehörigkeit haben. Und das ist etwas, was Integration fördert. Die Menschen bekennen sich ja zu Deutschland, indem sie die deutsche Staatsangehörigkeit haben und ich finde, wir sollten diese Realität auch anerkennen und der Integration nicht noch Steine in den Weg legen, sondern Integration unterstützen.

Eva Högl
Eva Högl: "Entsetzt über diesen Beschluss".Bild: dapd

Können in Deutschland geborene Kinder türkischer Eltern - denn um die geht es hauptsächlich - nicht auch mit dem deutschen Pass die Kultur ihrer Eltern und Großeltern pflegen? Es ist doch keine Frage, welche Farbe der Pass hat.

Nein, das ist es selbstverständlich nicht und das überlegt ja auch jeder Mensch ganz sorgfältig, gerade die Jungen aber auch die Älteren. Aber trotzdem ist es doch so, dass mit der Staatsangehörigkeit auch eine Verbindung zu dem Herkunftsland der Eltern oder Großeltern besteht. Wenn ich selbst nach Brasilien auswandern würde und dort 30 Jahre leben würde, würde ich trotzdem Deutsche bleiben wollen, deswegen kann ich das sehr gut verstehen, wenn Menschen sich entscheiden die Herkunftsstaatsangehörigkeit behalten zu wollen.

Was passiert gerade in der Union? Das Votum für die Rücknahme des Kompromisses mit der SPD war sehr knapp.

Die Union macht einen ganz gewaltigen Rechtsruck und vor allen Dingen fällt die Union offensichtlich ihrer Bundeskanzlerin in den Rücken. Sie hat sie zwar wiedergewählt als Parteivorsitzende, aber irgendwas geht da nicht zusammen, denn ganz offensichtlich entspricht das ja nicht der Auffassung der Kanzlerin und des Bundesinnenministers und vielen anderen Führungspersönlichkeiten der Union. Also Partei- und Führungspersonal passen da nicht zusammen. Es ist auf jeden Fall sehr gefährlich, denn das geht in Richtung AfD. Und das muss sich die Union gut überlegen, ob das der richtige Kurs ist.

Eva Högl ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag.

Das Gespräch führte Volker Wagener.