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SPD diktiert Bedingungen für Fiskalpakt

Sabine Kinkartz24. Mai 2012

Der Fiskalpakt und der Euro-Rettungsschirm ESM könnten noch vor der Sommerpause im Bundestag ratifiziert werden – falls die Regierung die Bedingungen von SPD und Grünen akzeptiert.

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Der Bundesvorsitzende der SPD Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag, Frank-Walter Steinmeier (foto:ap)
Bild: dapd

Angela Merkel wird gewusst haben, was auf sie zukommt, als sie die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen an diesem Donnerstag ins Kanzleramt bat. Über den EU-Sondergipfel wollte die Bundeskanzlerin berichten, aber vor allem auch mit der Opposition über die weitere Marschroute bei der Bekämpfung der Schuldenkrise sprechen. Denn die hat bei der anstehenden Ratifizierung des Fiskalpakts ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.

Der Pakt über strengere Haushaltsregeln wurde Anfang März von 25 der 27 EU-Staaten unterzeichnet. Er soll spätestens Anfang 2013 in Kraft treten, sofern ihn bis dahin zwölf Euro-Länder ratifiziert, also in nationales Recht überführt haben. Dazu ist in Deutschland im Bundestag und im Bundesrat jedoch eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition braucht also die Stimmen von SPD und Grünen.

Konstruktive Gespräche

Die Opposition versetzt das in eine komfortable Lage. Sie kann die Bedingungen für ihre Zustimmung diktieren. Entsprechend selbstbewusst traten der Spitzen von SPD und Grünen nach dem rund zweistündigen Treffen im Kanzleramt auf. "Unser Eindruck ist, die Regierung hat ihre Blockade aufgegeben", fasste der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel das Ergebnis der Gespräche zusammen "Wir können die Abstimmung noch vor der Sommerpause hinkriegen, aber das hängt davon ab, ob die Bundesregierung in der Lage ist, ein konkretes Wachstums- und Investitionspaket vorzulegen und zwar eines, das in der Europäischen Union einigungsfähig ist."

Opposition mauert bei Fiskalpakt

Es seien konstruktive Gespräche gewesen, bestätigt auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder. Man habe sich wechselseitig gut zugehört. Dabei dürften die Spitzen von CDU, CSU und FDP allerdings wenig Neues erfahren haben. SPD und Grüne machen seit Wochen keinen Hehl daraus, dass ihrer Meinung nach in Europa nicht nur gespart werden soll. Doch wie definiert man Wachstum und welche Maßnahmen sind die richtigen? Reicht die Liberalisierung der Märkte aus, oder muss mit Geld in Form von Investitionsprogrammen nachgeholfen werden?

Der aufgeschlagene EU-Vertrag zur Haushaltskonsolidierung. Foto:Francois Lenoir, Pool/AP/dapd
Anfang März einigten sich 25 von 27 EU-Länder auf strengere HaushaltsregelnBild: dapd

Umsonst ist Wachstum nicht zu haben

Eine Idee ist, die Europäische Investitionsbank mit mehr Kapital zu versorgen, damit sie Konjunkturprogramme lancieren kann. Einigkeit besteht auch darüber, dass Länder, in denen die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch ist, mehr Hilfen brauchen als andere. Diese Maßnahmen über eine europaweite Finanztransaktionssteuer zu finanzieren, dürfte allerdings am Veto vor allem aus Großbritannien scheitern.

Die Zeit dränge sehr, mahnte Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Situation in der Euro-Zone sei "geradezu dramatisch", wenn man das Wahlergebnis in Griechenland betrachte, wenn man sehe, wie extreme Parteien an Zustimmung gewinnen würden und wie die Europa-Verdrossenheit zunehme. "Darauf muss man Antworten geben, da kann man nicht einfach achselzuckend zur Tagesordnung übergehen."

Eurobonds sind kein Thema mehr

Wie falsch es sei, nur überall den Rotstift anzusetzen, sei in Spanien gut zu sehen. "Spanien setzt das Rezept der Bundesregierung geradezu idealtypisch um und kommt nicht aus der Krise heraus, weil die Refinanzierung von Krediten mit Zinsen belastet ist, die Spanien keine Möglichkeit geben, auf die Beine zu kommen", so Özdemir.

Die Grünen schlagen daher vor, über das Modell eines Schuldentilgungsfonds noch einmal genauer nachzudenken. Diesen haben die sogenannten "Wirtschaftsweisen", wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung genannt wird, bei ihrer Vorstellung des Jahresgutachtens im November 2011 erstmals ins Gespräch gebracht. Danach würde der Teil der Schulden der Euro-Länder in eine gemeinschaftliche Haftung überführt, der über die Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgeht. Für die Abzahlung würden 25 Jahre angesetzt. Allerdings ist ungeklärt, ob ein solcher Fonds mit europäischem Recht zusammenzubringen wäre.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Unterzeichnung des Fiskalpaktes. REUTERS/Francois Lenoir
Sie gilt als große Verfechterin des Fiskalpaktes: Bundeskanzlerin Merkel bei der UnterzeichnungBild: Reuters

"Wir haben über alle diese Elemente heute nur sehr ansatzweise diskutiert", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach dem Gespräch im Kanzleramt. "Es wird jetzt auf Seiten der Bundesregierung darum gehen, sich diesen Vorstellungen zu nähern." Bis zum 13. Juni soll "auf Arbeitsebene" zwischen Regierung und Opposition geklärt werden, wie die doch im Einzelnen noch recht unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut gebracht werden können.

Gleichzeitig muss die Bundesregierung aber auch die europäische Ebene im Blick haben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin formulierte es so: "Wenn der Fiskalpakt in Deutschland ratifiziert werden soll, dann muss klar sein, dass es eine Einigung mit den wichtigsten Bündnispartnern geben muss. Das sind vor allem Frankreich, Italien und Spanien."