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Spielt Israel mit dem Zorn Washingtons?

17. März 2010

Seit Israel ankündigte, den Bau weiterer 1.600 Wohnungen in Ramat Schlomo zu genehmigen, ist das Verhältnis zwischen den USA und Israel gestört. Weltweit macht sich die Presse Gedanken über die Gründe und Folgen.

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(Foto: AP)
Joe Biden zu Besuch bei Benjamin NetanjahuBild: AP

Die konservative britische Zeitung "The Times" mahnt in ihrem Kommentar zu den Spannungen zwischen Israel und Amerika zur Gelassenheit:

"Die Beharrlichkeit mit der Benjamin Netanjahu den geplanten Bau neuer jüdischer Siedlungen fortsetzt, hat zu einer der größten Krisen zwischen den USA und Israel geführt. Dass sich Amerika durch diese Unnachgiebigkeit provoziert fühlt und dementsprechend reagiert, ist verständlich. Doch darf die amerikanische Regierung nicht vergessen, dass Israel von großer strategischer Bedeutung ist. Der Iran und sein Streben nach Atomwaffen, Syrien, das die Politik der Hisbollah unterstützt und die radikal-islamische Hamas bedrohen den Frieden und die Stabilität der Region. Im Gegensatz dazu ist Israel sicherlich ein schwieriger Partner, doch ein seriöser und verlässlicher."

Einen anderen Standpunkt vertritt die liberale israelische Tageszeitung "Haaretz". Sie sieht die israelische Regierung in der Pflicht:

"Israels Einverständnis über die Kernpunkte des Konflikts inklusive den Status Jerusalems zu diskutieren, basiert auf dem Oslo Abkommen und der Roadmap. Auch ohne die dicken Wolken, die nun über den Beziehungen zu den USA hängen, muss eine israelische Regierung die wirklich und wahrhaftig ab der Beendigung des Konfliktes interessiert ist, den Status des palästinensischen Partners stärken. Sie muss Abstand nehmen von provokanten Entscheidungen und Gespräche über die Kernpunkte wieder aufnehmen an der Stelle, an der sie vor eineinhalb Jahren unterbrochen wurden."

Die französische Tageszeitung "La Croix" ist sich sicher, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Kalkül handelt und schreibt:

"Seit Monaten sträubt sich die israelische Regierung gegen den Baustopp jüdischer Siedlungen und die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen, so wie es Washington fordert. Die Ankündigung neuer Siedlungspläne hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Das könnte Folgen haben. Doch Benjamin Netanjahu scheint sich in Sicherheit zu wiegen, denn seine Überlegungen sind ganz anderer Art. Barack Obama braucht so viel Stimmen wie möglich, um seine umstrittene Gesundheitsreform demnächst im Kongress durchzubringen. Und dabei wird er nicht auf die zahlreichen Abgeordneten verzichten können, die Israel - bedingungslos - unterstützen."

Diese Meinung vertritt auch der "Tagesspiegel" aus Berlin. Er kommentiert:

"Man darf die Macht des US-Präsidenten nicht überschätzen. Er kann fehlenden Friedenswillen nicht ersetzen. Erst wenn die Völker und ihre Regierungen den Ausgleich wollen, kann er ihnen vermittelnd über die letzten Hürden hinweghelfen. Soweit ist der Friedensprozess noch nicht. Obama wird weiter drängen und mehr Druck auf Israel ausüben als seine Vorgänger. Die Scheidung dagegen, das übliche Ende einer Zerrüttung im Privaten, ist keine Option. Die große Mehrheit des christlichen Amerika hält Israel für einen unverzichtbaren Verbündeten. Eine vergleichbare emotionale Nähe zu arabischen Staaten gibt es nicht. Die ausbleibende Modernisierung dort ist für US-Bürger eine große Enttäuschung. Das weiß Obama. Netanjahu weiß das auch."

Ähnlich kommentiert die rechtsliberale spanische Tageszeitung "El Mundo" aus Madrid die Krise der Beziehungen zwischen den USA und Israel:

"Israels Initiative zu einer einseitigen Wiederaufnahme des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten bedeutet eine Ohrfeige für die Regierung von US-Präsident Barack Obama. Die Israelis vereitelten damit die Pläne der USA, eine neue Runde von Gesprächen im Nahen Osten zu starten. Obama erlitt nunmehr bereits den dritten Rückschlag in seiner Außenpolitik. Er wollte einen Dialog mit dem Iran aufnehmen, eine Öffnung in der Kuba-Politik einleiten und einen Ausweg aus dem Nahostkonflikt finden. An allen drei Fronten wurden die Hoffnungen zunichtegemacht, und die Lage hat sich sogar noch verschlechtert. In Nahost könnte Obama Israel allenfalls noch mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen. Dies wird er aber kaum wagen."

Viel grundsätzlicher beschäftigt sich die "Los Angeles Times" mit dem Thema und kommentiert:

"Das Problem ist nicht der Zeitpunkt der Ankündigung des Siedlungsausbaus während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden. Es ist der Plan selbst, den Israel beim Bau von jüdischen Siedlungen auf dem von Jordanien eroberten Gebiet seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 verfolgt. Sowohl Israelis als auch Palästinenser beanspruchen Jerusalem als Hauptstadt und sie werden niemals Frieden schließen bis sie in Verhandlungen eine Lösung für dieses Problem gefunden haben. Je mehr Israel im Alleingang in traditionell arabischen Vierteln in Ostjerusalem baut, wie es auch im Westjordanland passiert, desto schwieriger wird es Frieden zu schaffen."

Die Presseschau wurde zusammengestellt von Stephanie Gebert

Redaktion: Diana Hodali