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Spinnens Wortschau

11. April 2010

Modewörter unter die Lupe genommen - von unserem Kolumnisten Burkhard Spinnen. Diesmal geht es um einen der klammheimlichen Wort-Karrieristen unserer Zeit: das unscheinbare 'Format'.

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Burkhard Spinnen (Foto privat)
Burkhard SpinnenBild: privat

Als ich ein Junge war, gab es hauptsächlich zwei Formate im täglichen Sprachgebrauch. Das eine war das der Papierabzüge von Fotos: In welchem Format bitte? Natürlich neun mal dreizehn, damit es ins Album passt. Das zweite Format gab es bloß im Singular und meistens in der Werbung. Wenn da der Herr eine bestimmte Krawatte trug oder einen bestimmten Cognac trank, war er eindeutig ein Mann von Format. Aber Bilder auf Papier drucken zu lassen ist als Alltagskulturübung ein Auslaufmodell, und der Mann von Format wirkt auch schon ziemlich antiquiert. Daher ist das Wort Format wohl in die Gefahr geraten, beschäftigungslos zu werden. Worauf es sich ein neues Betätigungsfeld gesucht hat.

Formatradio

Eine erste Festanstellung erhielt Format dann in der digitalen Welt, als es galt, die verschiedenen Codierungssysteme zu benennen. Das sind jetzt die Formate. Eine weitere Beschäftigung fand es in der Medienpraxis. Das Formatradio zum Beispiel ist eines, dessen Programmbestandteile derart genormt worden sind, dass es keine besonderen Spitzen oder harten Übergänge mehr gibt. Das soll eine stärkere Bindung der Zuhörerschaft garantieren. Auch beim Fernsehen spricht man schon lange und sehr geläufig von Formaten. Gemeint sind damit bestimmte Genres oder Gattungen wie Krimi oder Spielshow, für die vom Sender feste Rahmenregeln entwickelt werden.

Format auf Wanderschaft

Fernsehbildschirme
...alles FormatBild: Illuscope

Man kann sagen: Format hat Karriere gemacht. Es ist längst eines der von Medienpraktikern meistverwendeten Wörter. Aber wie das so ist, wenn einer Karriere macht, irgendwann ist ihm nichts mehr genug. So auch dem Wort Format, das vor einiger Zeit zu einem Eroberungsfeldzug durchs Alltagssprechen aufgebrochen ist. Und das mit großem, ja überwältigendem Erfolg!

Wir sind heute längst so weit, dass wir praktisch alles ein Format nennen können: eine Podiumsdiskussion, eine Preisverleihung, einen Sektempfang, einen Kindergeburtstag, einen Spaziergang mit dem Hund, ein Abendessen mit Freunden, eine Beerdigung. Das fällt gar nicht unangenehm auf, im Gegenteil, selbst wer sein Privatleben als eine Abfolge von Formaten darstellt, wirkt nicht lächerlich, sondern professionell. Denn wir reden nun einmal gerne so wie die, die das Sagen haben. Und das sind momentan neben den Leuten aus der Wirtschaft die aus Funk und Fernsehen. Unsere Vorstellung vom Leben ist bereits zutiefst geprägt von unserer Erfahrung mit den Medien. Kein Wunder also, wenn wir die einschlägige Terminologie gerne übernehmen. Aber Vorsicht! Wenn alles Format ist, werden die Spielräume knapp. Wenn alles formatiert ist, kommt nichts Neues mehr. Wer in Formaten denkt, denkt nicht mehr unendlich. Und unser Leben lebt nicht von Formaten, sondern von dem, was alle Formate sprengt.

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuletzt ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

Redaktion: Gabriela Schaaf