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Spionage unter Freunden erlaubt

Kay-Alexander Scholz22. Mai 2015

Der BND geht in der Selektoren-Affäre in die Offensive. Präsident Schindler gibt vor dem NSA-Untersuchungsausschuss Einblicke in den Geheimdienst und bezieht Stellung. Schuld will aber auch er nicht gewesen sein.

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BND-Präsident Gerhard Schindler beim NSA-Untersuchungsausschuss (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

BND-Präsident Gerhard Schindler dankte den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses für die Versachlichung. Der Dank war keine Phrase, sondern eine Botschaft: Der Ausschuss habe eine längst überfällige Diskussion angestoßen über den Stellenwert des deutschen Auslandsgeheimdienstes, seine Rechtsgrundlagen und die Rahmenbedingungen der internationalen Zusammenarbeit. Das sei wichtig für die demokratische Verankerung des BND in der Gesellschaft. Er habe sich bei seinem Amtsantritt zu Jahresbeginn 2012 nicht vorstellen können, dass "das nicht ausdiskutiert ist".

Der Präsident erklärte den Abgeordneten und Journalisten dann, wie die Sachlage momentan sei. Der BND sei ausschließlich deutschen Interessen verpflichtet und nicht "europäisch vergemeinschaftet", wie Schindler es beschrieb. Das heißt: Eine Ausspähung von europäischen Zielen durch den BND ist demnach kein Gesetzesverstoß. Die politische Bewertung sei eine andere Sache, obliege aber nicht den Geheimdienstlern. Diese Bewertung hatte Angela Merkel vorgenommen mit dem Satz "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht!" Schindler gab zu verstehen, dass das allein politisch-diplomatisch zu verstehen sei.

"Wir brauchen die NSA"

Die in der deutschen Öffentlichkeit nach den Enthüllungen von Edward Snowden heiß diskutierte Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA sei politisch ausdrücklich so gewollt gewesen, erinnerte Schindler. Sie war noch unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder 2002 in einem Memorandum of Agreement (MoA) festgeschrieben worden. Interne Recherchen des BND hätten allerdings ergeben, dass es keine Handlungsanweisung für die BND-Mitarbeiter gegeben habe - vielleicht weil das Abkommen zu geheim war.

"Wir brauchen die NSA und nicht umgekehrt", sagte Schindler über die Bedeutung dieser Zusammenarbeit. Die NSA habe den BND großzügig mit Technik, Erfahrungen und Infos unterstützt, zum Beispiel im Nordirak, wo schon 19 Anschläge verhindert werden konnten. Aktuell seien diese Erfolge nun in Gefahr. Denn es gebe international inzwischen die Sorge um die Zukunftsfähigkeit des BND. Es habe erste Besprechungen in Europa gegeben, bei denen der deutsche Geheimdienst ausgeladen gewesen sei.

Falsche Ausspähziele

BND-Abhörstation in Bad Aibling
BND-Abhörstation in Bad AiblingBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Im BND-Stützpunkt Bad Aibling arbeite der BND seit 2004 mit der NSA zusammen. Der geografische Schwerpunkt dieser Arbeit liegt außerhalb Europas, genauer bei den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Außerdem werde noch ein weiterer Staat von dort aus überwacht, den Schindler aber zumindest im öffentlichen Teil nicht benennen wollte. Bei der Befragung wachte ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts über jedes Wort, passte auf, dass nur nicht zu viel verraten wird. Nicht wenige Antworten wurden in den nicht-öffentlichen Teil verlegt.

Das Ausspähen von Zielen in Deutschland und Europa sollte laut MoA vom BND-Standort Bad Aibling aus eigentlich nicht passieren. Durch das Bekanntwerden einer Selektorenliste aber war der Verdacht aufgekommen, dass auch deutsche und europäische Unternehmen und Politiker ausgespäht werden. Der Ausschuss möchte diese Liste gern sehen. Noch aber hält sie das Kanzleramt unter Verschluss und sagt, man müsse erst mit den USA darüber reden. Im Gespräch ist nun, dass ein Sonderbeauftragter Einsicht in die Liste bekommt. Doch vor Pfingsten wird sich in dieser Frage wohl nichts mehr tun, wie am Rande der Sitzung klar wurde.

Unzureichende Kontrolle der Selektoren

Warum aber fiel es dem BND nicht auf, dass die US-Selektoren verbotene Ausspähziele erfassten? Schindler, seit Anfang 2012 an der Spitze des BND, findet dafür zunächst eine technische Erklärung. Die Selektoren seien schon von Beginn im Jahr 2005 an nur unzureichend überprüft worden. Und obwohl kurz danach obskure Selektoren aufgefallen waren, hatte man das System im Jahr 2008 ohne wesentliche Änderungen auf maschinelle Verarbeitung umgestellt.

NSA-Untersuchungsausschuss zur BND-Affäre
Will's genau wissen: Der NSA-UntersuchungsausschussBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Nach irritierenden Zufallsfunden hätte dann ein Team der zuständigen "Technischen Aufklärung" im Jahr 2010 zwei Mal und 2011 noch ein Mal die nächsthöhere Ebene beim BND informiert. Da sei dann aber keine Reaktion erfolgt, berichtete Schindler. Für die Mitarbeiter sei dies wohl das Signal gewesen, dass sie die Sache selber in die Hand nehmen sollen. Zusätzlich habe wohl die interne Kommunikation zwischen der Zentrale in Pullach und der Außenstelle in Bad Aibling gehakt. Als dann im Sommer 2013 eine systematische Untersuchung durchgeführt worden sei, habe man ihn nicht informiert. Er habe erst im März 2015 davon erfahren und dann eine Ablehnungsdatei mit aussortierten Selektoren ans Kanzleramt geschickt.

Niemand will's gewesen sein

Wer wusste wann was - und hat es warum nicht seinem Chef gesagt? Um diese Fragen geht es viele Stunden lang im Untersuchungsausschus, auch bei vorhergehenden Zeugenbefragungen. SPD-Obmann Christian Flisek sprach von einem "fatalen Eindruck", dass niemand Verantwortung übernehmen wolle. Gibt es vielleicht eine Art soldatischen Ehrenkodex im BND, fragte Flisek? Schindler sagte, er könne sich das nicht vorstellen, vielmehr habe es typische Probleme einer Außenstelle gegeben und vielleicht eine höhere "Eskalationsschwelle", weil man um die Wichtigkeit der NSA-Zusammenarbeit wusste.

Vor Schindler war BND-Abteilungsleiter Hartmut Pauland befragt worden. Er sagte, er sei über keine Entwicklung informiert worden und habe auch nicht nachgefragt. Und das, obwohl nach den Enthüllungen von Edward Snowden das Thema Ausspähen ständig präsent war.

"Es gab ein No-Spy-Angebot"

Die Abgeordneten wollten auch noch wissen, ob es nun Verhandlungen über ein sogenanntes No-Spy-Abkommen mit den USA gegeben hat. Schindler bejahte, machte aber die Einschränkung, dass es zwar ein konkretes Angebot gab. Dies betraf aber nur die direkte Zusammenarbeit der Dienste und nicht einen völkerrechtlichen Vertrag. Er selbst habe diesbezüglich in Washington verhandelt und den damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla darüber informiert.

Warum dann aber nichts daraus wurde, das wollte Schindler den Untersuchern nur in nicht-öffentlicher Sitzung sagen. Auf jeden Fall sei ein solches No-Spy-Abkommen kein reines Ablenkungsmanöver im Wahlkampf von Angela Merkel gewesen.