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Gesellschaft

Malteser: "Migration sachlich diskutieren"

13. Oktober 2019

Ein ungewöhnliches Staatsoberhaupt kommt nach Deutschland und wird hochrangig empfangen. Giacomo Dalla Torre steht für viele tausend humanitäre Malteser-Helfer weltweit. Und eine lange Geschichte.

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Großmeister Malteserorden Fra‘ Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto
Bild: Malteserorden Rom/Remo Casilli

Da kommt ein Fürst aus traditionsreichem italienischem Adel, der Großmeister des gut 900 Jahre alten Souveränen Malteser Ritter-Ordens, der damit auch ein Staatsoberhaupt ist. Aber ganz modern wirbt Großmeister Fra‘ Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto für mehr Möglichkeiten geordneter Einwanderung. Ab Montag ist er zu Gast in Deutschland, am Donnerstag auch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Die Frage der Migration, sagt der 74-Jährige mit seinem gepflegten aristokratischen Italienisch im Gespräch der Deutschen Welle, werde auch in den nächsten Jahrzehnten eines der kritischen Themen für Europa bleiben. "Mich besorgt, dass dieses Thema nicht auf sachlicher, sondern auf emotionaler Ebene diskutiert wird. Dabei müssten wir doch einfach dem folgen, was Papst Franziskus fordert, nämlich dass mehr legale Einwanderung und mehr humanitäre Korridore gedacht und geschaffen werden."

Von Jerusalem nach Rom

Dalla Torre ist der höchste Repräsentant einer weltweit ziemlich einmaligen Vereinigung. Gegründet wurde der Malteserorden vor über 900 Jahren als Krankenpflege-Orden in Jerusalem. Mit den Kreuzzügen wurde daraus ein Ritterorden. Später war, von 1530 bis 1798, die Insel Malta Sitz des Ordens – daher der heutige Name. Dann vertrieb Napoleon die Malteser von der Insel. Aber der Orden fasste in Italien und Österreich wieder Fuß. Und er ist seit vielen Jahren ein eigenes Völkerrechtssubjekt. Er darf Briefmarken herausgeben, Münzen prägen und hat eine eigene Diplomatie. Seit 2017 hat auch die Bundesrepublik, wie über hundert andere Länder, volle diplomatische Beziehungen zum Orden.

Italien Sitz des Malteserordens in Rom
Sitz des Malteserordens in RomBild: Remo Casilli

Für das Oberhaupt ist der Malteserorden mit seiner langen Geschichte und seiner Ausrichtung auf soziale Verantwortung der historische "Vorreiter" für das vielfältige Engagement von Laien in der katholischen Kirche. Hinter dem Orden stehen nach offiziellen Angaben rund 13.500 männliche und weibliche Ordensmitglieder sowie mehr als 120.000 ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter. Allein in Deutschland sind sind es 55.000. Ein bemerkenswerter Anteil der Flüchtlingsarbeit auf Seiten der katholischen Kirche in Deutschland läuft über die Malteser. So wird Dalla Torre mit seiner Delegation während des Deutschland-Aufenthalts auch eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Berlin-Spandau besuchen und mit Bewohnern sprechen.

Lob für Deutschland

"Deutschland ist das Land, das in Europa in diesem Bereich der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten am meisten geleistet hat. Die Malteser Deutschland mit ihren Aufnahme- und Integrationseinrichtungen ist stolz darauf, diese Bemühungen unterstützt zu haben", sagt Dalla Torre der DW. Der Großmeister hofft, dass sein Besuch die mit Deutschland entwickelten Aktivitäten des Ordens in Deutschland und Ländern "wie dem Kongo, Syrien, Irak, Libanon und der Türkei, in denen wir gemeinsam tätig sind, weiter verstärken kann". Wer in Jordanien, dem Libanon oder dem Irak ein größeres Lager für syrische Flüchtlinge besucht, trifft vermutlich auch Helfer der Malteser. "Der Einsatz für Flüchtende ist uns eben ein besonderes Anliegen", so Dalla Torre. Vor seiner Wahl zum 80. Großmeister hatte ein heftiger Richtungsstreit den Malteserorden erschüttert und für Aufsehen gesorgt. 

Malteserorden Rom
Integration ist ein Schwerpunkt der Bemühungen bei den Maltesern Bild: Malteserorden Rom

"Ein schwieriger Moment, eine wirkliche Krise"

"Gott sei Dank konnten wir diesen schwierigen Moment überwinden", sagt Dalla Torre und spricht von der "ersten und hoffentlich letzten wirklichen Krise des Ordens im 21. Jahrhundert." Seit zwei Jahren arbeite die Leitung an einer neuen Ordensverfassung; man versuche, die tiefer liegenden Gründe für den Streit zu erkennen und einen erneuten Konflikt zu verhindern. "Der Malteserorden braucht keine Streitigkeiten an seiner Spitze, um sichtbar zu werden", so der Großmeister. Er verweist stattdessen auf die Aktivitäten des Ordens zugunsten älterer Menschen, Obdachloser, Behinderter oder die Arbeit für Vertriebene, Migranten und Bedürftige in Europa, Afrika und weiteren Regionen.

Von diesem Engagement für die Menschen am Rande von Gesellschaft und Weltgesellschaft kommt Großmeister Dalla Torre wieder auf den Status als souveräne völkerrechtliche Körperschaft. "Unser Netzwerk diplomatischer Beziehungen erleichtert die Arbeit der medizinischen, sozialen und humanitären Einrichtungen vor Ort erheblich", sagt er.

Und dann wirbt er noch einmal für humanitärere Einwanderungsregelungen und wendet sich gegen Abschottung: "Wenn die Grenzen gepanzert sind, ist das nur profitabler für die, die mit illegaler Einwanderung Geschäfte machen. Ohne eine Integrationspolitik entsteht eine Subkultur. Das begünstigt Kriminalität und Terrorismus. Auf lange Sicht kann das für niemanden von Interesse sein."