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Kaum Geld für den deutschen Spitzensport

22. August 2019

Die meisten deutschen Spitzensportler außerhalb des Fußballs sind bereits froh, wenn sie den Kopf finanziell über Wasser halten können. Drei Beispiele, eine Botschaft: Auch an die Zukunft denken!

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Sophia Saller
Triathletin Sophia Saller wünscht sich mehr finanzielle Unterstützung für SportlerBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Von der finanziellen Absicherung deutscher Profifußballer können andere Sportler nur träumen. "Bei uns gibt es unter 1500 Athleten vielleicht zehn Topleute, die davon gut leben können", sagt Ruderer Felix Drahotta. "Und ich spreche da von einem monatlichen Einkommen von knapp über 1500 Euro. Alle anderen leben von weniger als Hartz IV." Sophia Saller sieht das ähnlich: "Ich glaube, es ist möglich, mit dem Geld der Sporthilfe gerade so zu überleben", sagt die Triathletin. "Aber es ist immer noch weit davon weg, dass man gut davon leben könnte." Die 25-Jährige weist jedoch darauf hin, dass sich in den letzten Jahren in Deutschland in Sachen Sportförderung einiges verbessert habe.

Förderung deutlich erhöht

Die Förderung läuft hierzulande über die Deutsche Sporthilfe, eine gemeinnützige Stiftung, die es sich zum Ziel gemacht hat, Spitzensportler ideell und materiell zu fördern - vor, während und sogar noch bis nach ihrer Karriere. Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte im vergangenen Mai an, dass rückwirkend zum Jahresbeginn die Athletenförderung deutlich erhöht werde. Rund 500 Sportlerinnen und Sportler mit Potential zur Weltspitze ("Top-Team") erhalten nun statt einer Grundförderung von 300 Euro monatlich 800 Euro. Hinzu kommen bis zu 300 Euro Ausbildungszuschuss sowie eine Eliteförderung zwischen 400 und 1400 Euro - "erfolgs- und perspektivabhängig", wie es bei der Sporthilfe heißt. Maximal können also 2500 Euro pro Monat zusammenkommen - netto. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Nettogehalt in Deutschland liegt aktuell bei 1890 Euro monatlich.

Darüber hinaus erhalten 1500 Mitglieder des so genannten "Top-Teams Future" eine Grundförderung von 700 Euro und Ausbildungszuschüsse von bis zu 300 Euro, also maximal 1000 Euro monatlich. Weitere 250 ausgewählte Talente können darüber hinaus in die "Nachwuchselite-Förderung" der Sporthilfe aufgenommen werden, die seit elf Jahren von der Stiftung der Deutschen Fußball Liga (DFL) finanziert wird. Diese ambitionierten jungen Sportler und Sportlerinnen erhalten 200 Euro pro Monat.

Auch für die Zeit des Berufseinstiegs unterstützt die Sporthilfe frühere Mitglieder des Top-Teams. "Ich habe schon jetzt einen Mentor aus der Wirtschaft, den ich jederzeit um Rat fragen kann", berichtet Sophia Saller.

Akademische Musterkarriere - trotz Sport

Die Triathletin ist ein Musterbeispiel dafür, dass sich Leistungssport und Ausbildung auf höchstem Niveau nicht ausschließen müssen: Mit 17 Jahren macht sie ihr Abitur (Noten-Durchschnitt 1,0), anschließend studierte sie Mathematik an der ehrwürdigen Oxford-Universität in England, mit 21 Jahren folgte der Masterabschluss mit Auszeichnung. Vier Jahre später hat sie ihre Doktorarbeit so gut wie fertig. Während ihres Studiums wurde Saller 2014 U23-Weltmeisterin - und das in einer sehr trainingsintensiven Sportart.

Sophia Saller
Sophia Saller im Sommer 2018 beim ITU World Triathlon in Hamburg Bild: picture-alliance/Beautiful Sports/J. Grontzki

Inzwischen lebt sie wieder in Deutschland, in Nürnberg, wo die Deutsche Triathlon Union einen ihrer vier Bundesstützpunkte hat. An die Zeit in England erinnert sich Saller gerne zurück. "Der Sport hat an englischen Unis eine höheren Stellenwert als an deutschen Universitäten", meint die Spitzensportlerin. "Oxford unterstützt seine Studenten, um ihnen die Zeit und die Umgebung für Höchstleistungen zu schaffen. Natürlich in erster Linie akademisch. Aber ich habe mich dort auch als Athletin weiterentwickelt. Und das funktioniert nur, wenn auch die äußeren Umstände passen." Auf dem Universitätsgelände konnte sie ihr Schwimm- und Lauftraining absolvieren. England sei in Sachen Sportförderung schon viel weiter als Deutschland, sagt Saller. So werden auf der Insel seit über 20 Jahren Erlöse aus einer staatlichen Lotterie verwendet, um Athleten erfolgreicher Sportarten direkt zu unterstützen.

2015 kürte die Sporthilfe Sophia Saller zur "Sportstipendiatin des Jahres". 18 Monate lang erhielt sie den doppelten Förderungssatz. "Ich weiß nicht, ob ich noch Sport machen würde, wenn mir die Sporthilfe nicht den Rücken frei gehalten und mein Verband hinter mir gestanden hätte", sagt die Triathletin, die durch einige Verletzungen und Krankheiten zurückgeworfen wurde. "Wenn man verletzt ist, ist der Sport am teuersten. Man trainiert und geht zum Physio, aber gewinnt nichts. Man hat keine mediale Aufmerksamkeit, die Sponsoren stehen nur eine gewisse Zeit hinter einem."

Sichere Variante: Bundeswehr, Polizei, Zoll

Christina Hering
Aktuell den Fokus auf Sport: Christina HeringBild: picture-alliance/Sven Simon/A. Waelischmiller

Christina Hering kann in dieser Hinsicht etwas ruhiger schlafen. "Seit 2014 bin ich bei der Bundeswehr", sagt die 24 Jahre alte Leichtathletin, die bereits viermal deutsche Meisterin über 800 Meter war. "Ich bin super dankbar für das Geld, das ich monatlich von der Bundeswehr erhalte. Das ist wirklich eine große Unterstützung." Neben ihren Einkünften als Sportsoldatin erhält sie als Mitglied des Top-Teams aus der Kasse der Sporthilfe weitere 400 Euro monatlich. Diese halbierte Grundförderung gilt auch für Spitzensportler, die von Polizei und Zoll gefördert werden.

Hering studiert Management im Masterstudiengang an der Technischen Universität München. "Natürlich gerate auch ich immer wieder mal an meine Grenzen", räumt die Läuferin im DW-Gespräch ein. "In diesen Augenblicken wünsche ich mir dann vielleicht, dass ich gerade nur Sportlerin oder eben nur Studentin wäre. Aber alles in allem ist beides zusammen machbar." Sie habe von Beginn an zweigleisig geplant. "Als rational denkender Mensch müsste man eigentlich wissen, dass man den Sport nur für eine begrenzte Zeit machen kann", meint Hering. "Aktuell lege ich den Fokus mehr auf den Sport, will aber trotzdem auf das Leben danach vorbereitet sein."

Für Sport und Ausbildung gebrannt

Brasilien Olympische Sommerspiele 2016 Rudern Deutschland-Achter
Felix Drahotta (oben l.): Olympiasilber im Deutschland-AchterBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Ruderer Felix Drahotta ist schon einen Schritt weiter. Vier Jahre lange saß er im Deutschland-Achter, wurde in dem Paradeboot viermal Europameister, dreimal Vizeweltmeister und gewann 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Silber. Der 30-Jährige ist sich nicht sicher, ob er seine Karriere weiter fortsetzen soll. Drahotta arbeitet in Dortmund als KFZ-Mechatroniker für einen Automobilkonzern: "Ich bin ein Freak, was Mobilität angeht. Daher konnte ich immer beides gut verbinden. Ich habe für den Sport und auch für die Ausbildung gebrannt." Er sei nicht neidisch auf die hochbezahlten Fußballprofis. "Ich habe mich halt für eine Breitensportart entschieden", sagt Drahotta und fügt lachend hinzu: "Ich hätte ja auch etwas anderes machen können."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter