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Sportler des Jahres: Sven Hannawald

Hanspeter Detmer28. Dezember 2002

Nur wer große Sprünge macht, konnte 2002 in Deutschland Sportler des Jahres werden. Da die Sprünge der Skiflieger letztlich größer sind als die von Dirk Nowitzki, siegte Sven Hannawald vor dem Basketballnationalspieler.

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Hannawald freut sich zusammen mit Franziska van Almsick über die EhrungBild: AP

Es gibt im Sport Momente, denen eine historische Dimension angehängt wird: Erstmals Wimbledon-Sieger im Tennis; oder erstmals Gewinner der Tour de France im Radsport. Noch nie hatte ein Skispringer die berühmte Vierschanzentournee mit vier Einzelsiegen zunächst in Oberstdorf, dann in Garmisch-Partenkirchen, auf der dritten Station in Innsbruck und abschließend in Bischofshofen gewonnen. Vier Einzelsiege gegen absolute Weltklassekonkurrenz in Folge; somit Gesamtsieg in der Tour-Wertung, das war eine sporthistorische Tat.

Anfang Januar 2002 auf der 50. Jubiläumstour war es so weit: Sven Hannawald schrieb Skisprunggeschichte und eine Nation fieberte mit ihm. Denn die Sportart Skispringen, früher eher etwas für sportliche Exoten, war von geschickten Vermarktungsstrategen längst in den Blickwinkel der Fernsehkameras gerückt und zur sogenannten Formel 1 des Winters aufgebaut worden. Skispringer, die früher nur absoluten Wintersport-Insidern bekannt waren, wurden zu Helden der Lüfte und einem breiten Publikum bekannt.

Dabei stand Sven Hannawald zunächst einmal etwas im Schatten seines Kollegen Martin Schmitt. Schmitt war der Alleskönner und Dauersieger. Hannawald war bestenfalls guter Zweiter. Zudem konnte sich Hannawald nicht so glamourös verkaufen wie sein Teamkollege Schmitt, der kein Interview ausließ, derweil der eher zurückgezogene Hannawald am Mikrophon wortkarg war.

Und noch etwas brachte Hannawald ins Hintertreffen. Die meisten Skispringen finden auf sogenannten Groß- oder Normalschanzen statt. Da hatte Konkurrent Schmitt öfters die Chance, sich in Szene zu setzen. Denn Sven Hannawalds Stärken lagen im Skifliegen, bei dem der Mensch wirklich langsam zum Adler wird. Als Spezialist für die ganz, ganz großen Schanzen mit Flügen von über 200 Metern hat Hannawald dann auch bereits vier Weltmeistertitel eingeheimst.

Wie es sich für einen Skispringer gehört, hat Sven Hannawald viele Höhen und Tiefen hinter sich. Zu den Tiefen gehört die Phase seiner Magersucht, als der 1,84-Meter große Mann nur noch 60 Kilogramm wog. Von der Magersucht ist Hannawald inzwischen jedoch befreit.

Auch psychisch gut getan hat Sven, dass er endlich mit Beginn des Winters 2001/2002 aus dem Schatten seines Teamkollegen Martin Schmitt treten konnte und nicht nur beim Skifliegen, sondern auch beim normalen Skispringen erfolgreich war.

Als Hannawald den sporthistorischen Sieg gelandet hatte, glaubte alle Welt ihn anschließend auch als Topfavoriten bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City setzen zu müssen. Doch da hatte man die Rechnung ohne den zuvor weitgehend unbekannten Schweizer Amann gemacht, der die beiden Einzelspringen gewann und Hannawald lediglich beim Springen von der Normalschanze Silber ließ. Um so größer war dann die Freude der deutschen Skispringer-Mannschaft am Ende des Teamwettbewerbs mit dem Gewinn der Goldmedaille.

Die glanzvollen Ergebnisse des letzten Winters mußten gefeiert und vor allem im Sommer vermarktet werden - das war noch nie Hannawalds Stärke. Und prompt stellten sich zu Beginn dieser Saison die Folgen ein: Hannawalds Leistungen bei den ersten Weltcup-Wettbewerben waren katastrophal. Der Mann, der noch bei seinen Eltern wohnt und eher die familiäre Geborgenheit als die Glitzerwelt liebt, zog sich daraufhin zunächst einmal total zurück.

Zur Ehrung des Sportlers des Jahres aber wollte er wieder als Super-Skispringer ganz oben stehen. Das schaffte Sven Hannawald dann auch. Wenige Stunden vor der Sportlerehrung meldete er sich mit einem Sieg beim Weltcupspringen in Engelberg zurück in der Weltelite.