1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Spurensuche: Mit dem Rad den ehemaligen "Eisernen Vorhang" entlang

3. August 2006

Jahrzehnte teilte der „Eisernen Vorhang“ Westeuropa und den damaligen Ostblock. Jetzt macht sich ein Kölner Radsportler auf Spurensuche: Vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer radelt er den Grenzverlauf entlang.

https://p.dw.com/p/8tpF
Radsportler Frank Hülsemann (34)Bild: Frank Hülsemann

Über 14.000 km ist der Kölner Radsportler Frank Hülsemann schon mit seinem Mountainbike unterwegs gewesen - über die Seidenstraße, in der Mongolei, in Sibirien und der Wüste Gobi. Für seine aktuelle Tour hat er sich eine Strecke mitten in Europa ausgesucht - vom Eismeer in Norwegen bis zum Schwarzen Meer und zurück nach Deutschland will er den Verlauf des ehemaligen "Eisernen Vorhangs" nachradeln.

Grenzerfahrungen

Die Atmosphäre an der einstigen Grenze zwischen Westeuropa und dem damaligen Ostblock hat er als Kind noch selbst erlebt - bei einem Ausflug mit seinen Eltern an der innerdeutschen Grenze im Jahr 1986. Ein Erlebnis, das ihm in Erinnerung geblieben ist: „Für mich als Kind war das sehr beeindruckend“, erzählt Hülsemann, „Dieser Zaun, dass man drüben keine Menschen gesehen hat beziehungsweise nur zwei Grenzsoldaten, die einen auch beobachtet haben mit dem Fernglas. Man hat eigentlich überhaupt nicht richtig verstanden, warum man da nicht rüber konnte. Und wenn man sich dann einmal überlegt, dass das Ganze ja vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer ging und nicht nur Deutschland geteilt hat, sondern auch andere Länder, die vorher einen großen Austausch hatten, dann ist das schon sehr interessant und hat mich fasziniert. Und dann habe mir gesagt: Da fahre ich mal hin und guck mir das an.“, so der Kölner Radsportler.

Mühsame Recherche

Einfach mal hinfahren und sich umschauen - damit ist es nicht getan. Fast ein Jahr lang hat Frank Hülsemann sich vorbereitet, im Internet recherchiert, Karten zusammengesucht. Keine ganz einfache Angelegenheit: „Hier für Russland sind das die schönen kyrillischen Karten, das ist hier Karelien. Die Karten habe ich aus dem Internet. Insbesondere aus der ehemaligen UdSSR findet man ziemlich viele gute Karten im Internet inzwischen, die von Russen, Tschechen, da hineingestellt werden. Das ist teilweise ziemlich viel Flickwerk. Ich werde da auch irgendwo langfahren in ein Dorf und mich da durchfragen müssen."

Dabei wird er auf Zeichensprache oder Dorfbewohner mit Englisch-Kenntnissen angewiesen sein. Sein Weg führt ihn über Norwegen, Finnland, Russland bis in die Türkei und Griechenland - zu viele Länder, um vorher die Sprachen zu lernen.

Keine detaillierte Routenplanung

Eine genau ausgearbeitete Route verfolgt Frank Hülsemann nicht. Fest steht: Kleine Straßen sollen es sein, immer so nah wie möglich entlang dem ehemaligen "Eisernen Vorhang". „Ich denke, man kann das gar nicht so genau planen“, meint Frank Hülsemann. „Wenn die russischen Grenzbeamten mir sagen, hier kann ich nicht lang, fahr außen rum, dann kann ich nichts machen. Es macht keinen Sinn, sich für jede 5-10 km- Abschnitte genau die Strecke auszusuchen. Ich weiß, wie lang die Strecke ist, wann ich wo sein muss, wo die Grenzübergänge sind - und dann taste ich mich da vor. Es ist wirklich eine spannende Sache, sich durch so ein Gebiet vorzuarbeiten, auch wenn es mitten in Europa ist."

Sport steht nicht im Vordergrund

Die wichtigste Ausrüstung für seine Reise ist das Mountainbike - ein ganz normales Rad, verstärkt mit besonders guten Bremsen und bepackt mit allem, was er unterwegs braucht: Zelt und Schlafsack, Kocher und Flickzeug, ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln.

Etwa sechs Wochen lang wird Frank Hülsemann unterwegs sein. Jeden Tag will er gegen neun Uhr morgens starten, sechs bis acht Stunden unterwegs sein - und sich genug Zeit nehmen, um alles in Ruhe zu erkunden. Er sieht seine Reise nicht nur als sportliche Herausforderung: „Ich bin schon fit, und das werden schon 150-200 km pro Tag werden - aber der Sport steht nicht im Vordergrund. Es ist einfach nur die Möglichkeit, relativ viel Strecke in kurzer Zeit zu machen und es bleibt immer noch genug Zeit, rechts und links sich die Sachen anzugucken und mit den Leuten zu sprechen."

Zeit für Begegnungen

Auf die Begegnungen und Entdeckungen vor Ort sowie viel Zeit in der Natur freut sich der Kölner Sportler am meisten. Für ihn ist das Fahrrad dabei das ideale Fortbewegungsmittel: „Man ist so langsam unterwegs, dass man alles mitkriegt. Das heißt, mit dem Auto rauscht man ziemlich schnell vorbei an der Landschaft. Mit dem Fahrrad hat man die Möglichkeit, kleine Wege zu fahren, überall hin zu gehen, anzuhalten, wo es einem gefällt. Und man kommt wirklich die kleinen Wege entlang, die kleinen Straßen, man kann es mal schieben, irgendwo hochtragen - und das ist das Faszinierende."

Mitte September will Frank Hülsemann wieder zurück in Deutschland sein, nach einigen Tausend Kilometern über kleine Pisten, Schotterstraßen, asphaltierte Wege und Alpenpässe. Immer entlang dem ehemaligen "Eisernen Vorhang", auf Spurensuche nach einer Grenze, die Europa jahrzehntelang geteilt hat.

Britta Kleymann

DW-RADIO, 1.8.2006, Fokus Ost-Südost