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Städte entscheiden Kampf gegen den Klimawandel

19. September 2019

Die Welt muss ihre CO2-Emissionen bis 2050 drastisch senken, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Ein neuer Bericht zeigt, dass Städte mit Umweltinitiativen viel bewirken können.

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USA Hull Windkraftanlage
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Savoia

Immer mehr Städte verpflichten sich, Bäume zu pflanzen, Dieselfahrzeuge zu verbieten und zu erneuerbaren Energien zu wechseln. Urbane Regionen, in denen schon über die Hälfte der 7,5 Milliarden Menschen weltweit leben, spielen laut einer neuen Studie der Koalition für Urbanen Wandel (CUT) eine zentrale Rolle beim Bekämpfen der Klimakrise. "Der Kampf um unseren Planeten wird in Städten gewonnen oder verloren werden", so die Studie. 

Städte sind für rund drei Viertel des weltweiten CO2-Austoßes verantwortlich. Das bedeutet auch: Ob Städte es schaffen, Treibhausgase zu vermindern, oder nicht, wird entscheidend dafür sein, ob bis 2050 global ein Netto-Null Ausstoß  erreicht wird, und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann.

An dem Bericht haben mehr als 50 Organisationen, darunter das Weltressourceninstitut (WIR) und das C40 Städtenetzwerk, mitgearbeitet. Finanziert wurde er unter anderem vom Bundesumweltministerium.

Laut der Studie können klimafreundliche Pläne für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht nur helfen, Emissionen zu reduzieren, sondern auch den "ökonomischen Wohlstand zu erhöhen und Städte zu lebenswerteren Orten zu machen".

"Das zeigt, dass es durchaus möglich ist, mit bewährten Technologien und Praktiken die Emissionen aus städtischen Gebieten bis 2050 um 90 Prozent zu senken, allein mit den Technologien und Praktiken, die wir bereits haben", sagt Sarah Colenbrander, Hauptautorin der CUT-Studie.

Die CO2-Einsparungen in Städten würden mehr als die Hälfte der weltweit benötigten CO2-Reduktionen ausmachen und gleichzeitig "Orte schaffen, an denen die Menschen gesünder und produktiver sind".

 

Infografik Prognose der globalen Emissionen DE

Einige Möglichkeiten, die Städte mit der Hilfe von Regierungen umsetzen könnten:

·     Finanzierung von nachhaltigen urbanen Initiativen und Infrastruktur. Zum Beispiel: Subventionen für fossile Brennstoffe abschaffen und Alternativen zum Autofahren fördern, Zersiedelung begrenzen, die Entwicklung eines tragfähigen und effektiven CO2-Preises mit Vorreiterfunktion für den privaten Sektor.

·     Entwicklung von Strategien, die CO2-armes, klimastabiles, ökonomisches und soziales Wachstum für alle Bürgerinnen und Bürger fördern. Zum Beispiel: Unterstützung von CO2-armen Industrien und Entwicklung von Übergangsplänen und Alternativen für Arbeiter und Industrien des Ölsektors.

·     Koordinieren und Unterstützen von urbanen Klimaaktionen und Strategien. Zum Beispiel: Durch das Erlassen von Gesetzen, die Städteverdichtung fördern und Zersiedelung verhindern, die Dekarbonisierung der Stromversorgung ermöglichen oder grüne Alternativen im Bausektor fördern.

Kolumbien Barrios Pobre von Medellin
Blick auf Medellín, KolumbienBild: picture-alliance/robertharding/O. Goujon

Wo der Wandel stattfindet

Der CUT-Bericht zeigt an zahlreichen Beispielen, wie sich Städte und Regionen durch CO2-arme, partizipative Entwicklung bereits positiv verändert haben. 

Kolumbien

Medellín, das vor 30 Jahren die von Armut geplagte "tödlichste Stadt der Welt" und das Zentrum des kolumbianischen Drogenhandels war, bietet inzwischen einen deutlich besseren Lebensstandard. Der Grund: solide kommunale Entwicklungspläne für vernachlässigte Viertel und eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs. Seilbahnen für die Anbindung ärmerer Stadtteile und andere Maßnahmen ermöglichten bedeutende Innovationen für das Verkehrsnetz, das heute 256 Millionen Fahrgäste pro Jahr transportiert.

Seilbahn-Boom: Weniger Kriminalität durch Himmel-Metro?

Indien

Noch 2016 litten die Bewohner der Megastadt Indore unter hoher Belastung durch giftige Abgase und Exkremente in den Straßen. 2018 avancierte Indore zu Indiens sauberster Stadt - dank ambitioniertem Abfallmanagement, finanziert von öffentlichen und privaten Partnern, sowie Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene.

Deutschland

In Deutschland hat die Energiewende dazu geführt, dass mittlerweile 38 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. 2016 waren es gerade mal 6 Prozent. Diese Wende hat Hunderttausende neue Jobs geschaffen und wurde durch eine Kombination von bundesweiten Strategien, Partnerschaften zwischen Städten und Landesregierungen sowie durch Energieinitiativen von Bürgerinnen und Bürgern erreicht.

Die Zeit drängt

Trotz der bisherigen Erfolge: Städte können es sich nicht leisten, Zeit zu verlieren. Der CUT-Bericht warnt, dass es nur ein sehr kleines Zeitfenster gibt. Denn Stadtentwicklungspläne für Transport, Infrastruktur, Energieversorgung und Gebäudeverwaltung, die heute angegangen werden, wirken sehr wahrscheinlich noch Jahrzehnte nach.

"Die Strategien und Investitionen, die in den nächsten zwei Jahrzehnten verabschiedet werden, werden die Lebensqualität auf diesem Planeten in den nächsten Generationen maßgeblich bestimmen", schreibt der britische Ökonom Nicholas Stern von der London School of Economics in der Studie.

"Städte können das nicht alleine machen", erklärt dazu Christiana Figueres. Figueres ist stellvertretende Vorsitzende des Globalen Bürgermeisterkonvents, einer Koalition von mehr als 10.000 Bürgermeistern aus aller Welt, die sich mit dem Klimawandel befassen.

"Alle diese Bürgermeister arbeiten an der Dekarbonisierung ihrer urbanen Gebiete, aber was sie tun können, ist begrenzt, wenn es keine entsprechende Politik auf nationaler Ebene gibt."

Die Autoren des Berichts betonen jedoch: selbst dann, wenn die Unterstützung für Klimastrategien auf nationaler Ebene fehlt, können Bemühungen auf lokaler Ebene dennoch einen großen Unterschied machen.

"Die Städte warten nicht darauf, dass jemand etwas tut", sagt auch Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles. Er weist darauf hin, dass die Städte viele notwendige Maßnahmen selbst ergreifen könnten. In den USA, "wo die Trump-Regierung uns im Kampf gegen den Klimawandel aktiv zurückhält, leisten Bürgermeister und Städte immer noch die Arbeit, die unseren Bürgern und unserer Zukunft dient".

Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Indien und vielen afrikanischen Staaten gibt es viele schnell wachsende urbane Zentren. Alle davon zu überzeugen, den einfachen Weg zur Entwicklung mit fossilen Brennstoffen, den bisher reiche Industrieländer in Nordamerika und Europa gingen, aufzugeben, sei nicht immer einfach, erklärte Felix Creutzig vom Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der Technischen Universität Berlin vor der Veröffentlichung des Berichts gegenüber der DW.

 "Der 'American way of life' hat für viele Länder immer noch eine Vorbildfunktion", betont Creutzig. "Es ist daher wichtig, Visionen und Bildwelten aufzubauen, die ein CO2-armes aber trotzdem statusreiches Leben aufzeigen, das integrativ und gerecht ist".

Wird die EU den Weg ebnen?

Eines der Hauptthemen beim UN-Gipfel in New York wird sein, wie die Welt eine "volle Wirtschaftswende in Einklang mit nachhaltigen Entwicklungszielen" erreichen kann. Laut CUT-Bericht sind Städte in der besten Ausgangslage, zu diesem Wandel beizutragen.

Die 'Koalition für Urbanen Wandel' mahnt, dass die nächsten 15 Monate "ausschlaggebend sind, um die Klimakrise anzugehen". Die Staatschefs der Welt müssten sich bemühen, ihre Klimaziele für 2020 zu intensivieren, um die globalen CO2-Emissionen innerhalb des nächsten Jahrzehnts um 45 Prozent zu reduzieren.