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Staatliche Repression in Äthiopien

Ludger Schadomsky13. Juli 2012

Äthiopien wirbt zwar mit zweistelligen Wachstumsraten um Investoren und Premierminister Meles Zenawi gibt sich als Fürsprecher Afrikas. Innenpolitisch hingegen herrscht Repression.

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Foto von Meles Zinawi auf einem Protestplakat äthiopischer Demonstranten (Foto: Ludger Schadomsky/DW)
Bild: DW

Als die Universität von Addis Abeba in der vergangenen Woche zu der jährlichen Graduiertenfeier aus "Sicherheitsgründen" keine privaten Fotografen zuließ, schüttelten selbst diejenigen Äthiopier den Kopf, die sich inzwischen an die Paranoia des Sicherheitsapparates gewöhnt haben.

Am Freitag (13.07.2012) verhängte das Gericht in Addis Abeba nun lebenslängliche Haftstrafen gegen drei Oppositionspolitiker. Ihnen werden Terroraktivitäten im Umfeld der Exilpartei Ginbot 7 vorgeworfen. Das Gericht begründete das Strafmaß mit der "besonderen Schwere des Falles" - die Partei wird von der Regierung als Terrorgruppe angesehen. Der Blogger Eskinder Nega, der bereits nach den manipulierten Wahlen 2005 verhaftet worden war, seine regierungskritischen Inhalte aber weiterhin im Internet verbreitete, erhielt 18 Jahre. Die übrigen im Juni Verurteilten erhielten Haftstrafen ab acht Jahren. Vier Verfahren wurden abgetrennt und werden separat verhandelt. Die meisten der Verurteilten leben im Exil.

Grundlage ist das 2009 verabschiedete Anti-Terror-Gesetz, das Äthiopiens repressivem Staatsapparat seitdem eine Blankovollmacht bei der Verfolgung kritischer Stimmen erteilt. Mit den Urteilen demonstriert die Regierung einmal mehr ihre Politik der harten Hand: Jede Form von Kritik wird bestraft.

Laut Laetitia Bader, die den Fall für Human Rights Watch aus Nairobi verfolgt, benutzt die Regierung "jedes nur erdenkliche Instrument, um unabhängige Medien mundtot zu machen und die Meinungsfreiheit einzuschränken". So seien von den bis dato insgesamt 34 unter dem Anti-Terror-Gesetz Angeklagten elf Journalisten. "Ganz offensichtlich ist also die Anwendung dieses Gesetzes eines der effektivsten Instrumente, um unabhängige Berichterstattung und Kritik im Keim zu ersticken", so Bader.

Boomtown oder "Beka"!

Äthiopien - der strategische Partner des Westens - zeigt sich wie nie zuvor mit zwei sehr unterschiedlichen Gesichtern. Auf der einen Seite lockt es als "afrikanischer Tiger" mit zweistelligen Wachstumsraten. In der Hauptstadt Addis Abeba werden Bürotürme und neue Hotels im Wochentakt hochgezogen. Und Premierminister Meles Zenawi gibt auf der internationalen Bühne in Klima- und G-20-Runden den wortgewandten Fürsprecher Afrikas. Auf der anderen Seite stehen jedoch politische Repressionen, ethnische Teilung, explodierende Lebenshaltungskosten und grassierende Jugendarbeitslosigkeit - ein Nährboden für eine Revolution nach nordafrikanischem Vorbild. Bereits einmal haben Aktivisten 2011 unter dem Motto "Beka" (Amharisch für "Genug!") den Aufstand geprobt. Allerdings fand der Protest fast ausschließlich im Internet und auf Facebook statt - zu übermächtig ist der Sicherheitsapparat.

Zenawi, hier mit Kenias Präsident Kibaki (Foto: rtr)
Repräsentant Afrikas: Zenawi (li.), mit Kenias Präsident KibakiBild: Reuters


Skandal um Skype

Studenten demonstrieren 2005 in Addis Abeba (Foto: AP)
Studenten demonstrieren 2005 in Addis AbebaBild: AP

Nach der umstrittenen Reform des Mediengesetzes aus dem Jahr 2008 sorgt derzeit eine weitere Novellierung für Unruhe: Das gerade verabschiedete sogenannte Telecom Fraud-Gesetz beschränkt nach Auffassung von Kritikern die Kommunikation über das Voice Over Internet Protocol (VoIP), wie es etwa im Internetdienst Skype benutzt wird. Bereits in der Vergangenheit legte Äthiopiens Telefon-Monopolist Ethio Telecom nach Gutdünken den SMS-Dienst im Land still - schließlich hatten Studenten 2005 darüber mobil gemacht.

Nun wittern Aktivisten einen ähnlichen Eingriff. Die Tatsache, dass das Gesetz laut Medienberichten im Ausland von der Geheimdienstagentur INSA (Information Network Security Agency) auf den Weg gebracht wurde, scheint die Befürchtungen zu erhärten. Hailu Araya von der Oppositionspartei UDJ (Unity for Democracy and Justice Party) sieht das Telekom-Gesetz in einer Reihe mit früheren Gesetzen: "Bereits das sogenannte NGO-Gesetz diente dazu, die Zivilgesellschaft mundtot zu machen, ebenso das Anti-Terror- und das Mediengesetz", so der Oppositionelle. Der aktuelle Entwurf diene dazu, den freien Fluss von Information zu verhindern. "Wir reden hier von einem System der allumfassenden Kontrolle", so Araya im Gespräch mit der DW.

Die Geber Äthiopiens, die zwischen 1991 und 2009 dem Land 26 Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe bezahlt haben und Äthiopien somit zu einem der Top-10-Empfänger weltweit machten, äußern derweil nur zaghaft Kritik. Zwar bemängelt die EU in ihrem Menschenrechtsbericht 2011 das Anti-Terrorgesetz, doch im Gespräch mit der DW relativiert der EU-Vertreter in Addis Abeba, Xavier Marchal: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Äthiopien ein souveräner Staat ist". Jenseits des Mikrofons geben Äthiopiens Partner freilich zu, dass es ihnen nach dem Einfrieren der direkten Budgethilfe in Folge des Wahlchaos von 2005 schlicht an Sanktions-Möglichkeiten mangele.

Äthiopier flüchten in Scharen

Wie verzweifelt viele Äthiopier derweil über die Lage in ihrem Land sind, zeigt ein tragischer Zwischenfall von Ende Juni. Da wurden in einem Lastkraftwagen in Tansania die Leichen von 40 äthiopischen Flüchtlingen gefunden, die auf der Route über Kenia und Malawi in den Süden Afrikas qualvoll erstickt waren. Sie zogen trotz der bekannten Skrupellosigkeit der Menschenhändler eine waghalsige und teure Flucht einem Verbleib in ihrem Heimatland vor.

Äthiopier liegen verletzte auf dem Bürgersteig (Foto:AP/dapd)
Diese Äthiopier überlebten die Flucht aus ihrem LandBild: AP