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Gäste aus dem Feindesland

Tania Krämer, Tel Aviv1. September 2007

In Israel halten sich rund 1000 sudanesische Flüchtlinge auf - Papiere haben sie nicht, nur die Hoffnung, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Doch Israel sieht in den Sudanesen ein Sicherheitsrisiko.

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Sudanesische Flüchtlinge im Lager in Südisrael
Flüchtlinge im Ketziot-Gefängnis bei Beer ShevaBild: pa / dpa

Sudan gilt als feindliches Land, und die Angst ist groß, dass unter den Flüchtlingen auch islamische Extremisten sein könnten. Für die sudanesischen Flüchtlinge in Israel eine hoffnungslose Situation. "Ob in Israel oder einem anderen Land - ich will ein neues Leben. Ich will einfach nur vergessen, was damals passiert ist. Ich will jetzt nur noch nach vorne blicken." Nach vorne blicken - nichts anderes als das will der 21-Jährige Akon nach langen Jahren der Flucht aus seiner Heimat, dem Sudan.

Erst seit wenigen Wochen ist der junge Sudanese in Israel. Doch aufatmen kann er nicht: Akon ist illegal hier - und jeden Tag droht ihm die Abschiebung zurück nach Ägypten. Dabei dachte der junge Mann, in Israel würde er ganz sicher Asyl bekommen - schließlich sei er ja im Land der Holocaust-Überlebenden: ”Was den Juden passiert ist, ist doch auch uns passiert. Ich weiß nicht, was morgen sein wird.”

Bisher wurde kein Sudanese als Flüchtling anerkannt

Akon teilt sein Schicksal mit rund tausend anderen Sudanesen, die momentan in Israel sind. Etwa ein Drittel davon sind vor den mordenden Janjaweed-Milizen im Darfur geflohen. Die anderen flohen während des Bürgerkriegs im Südsudan, der erst vor zwei Jahren beendet wurde.

Auch Akon stammt aus dem Südsudan. Im Krieg wurden seine Mutter und seine Schwestern ermordet, er wurde Kindersklave. Irgendwann gelang ihm die Flucht nach Ägypten: Doch dort sei er im Gefängnis misshandelt worden, sagt er, und habe sich dann nach der Entlassung weiter durch die harsche Sinai-Wüste bis nach Israel durchgeschlagen. Mehr als sechs Jahre hat seine Odyssee gedauert - und ein Ende ist nicht in Sicht.

Denn der jüdische Staat hat bislang keinen der Asylsuchenden als Flüchtling anerkannt und politisches Asyl geboten, sagt die Israelin Sigal Rozen. Sie ist bei der israelischen Nichtregierungsorganisation “Hotline für eingewanderte Arbeiter” aktiv: ”Bis vor kurzem hat die israelische Regierung alle Flüchtlinge ins Gefängnis gesteckt. Aber als in den letzten Monaten mehr und mehr Flüchtlinge aus Ägypten über die Grenze gekommen sind, waren die Gefängnisse auf einmal voll und sie haben sie einfach in den Straßen ausgesetzt."

Flüchtlingslager im Gefängnis

Die, die nicht mehr in den Gefängnissen sind, darunter viele Frauen und Kinder, wurden in Kibbuzim oder bei Familien untergebracht. Immer wieder berichten israelische Medien davon, dass Neuankömmlinge einfach ausgesetzt und dann auf den Straßen aufgelesen werden. Erstmals hat Israel jetzt ein Lager für die Flüchtlinge eingerichtet - innerhalb eines Gefängniskomplexes im Süden des Landes.

Grundsätzlich geht die israelische Regierung davon aus, dass all diese Flüchtlinge illegale Einwanderer sind, die in Israel Arbeit suchen. Zudem kommen sie aus einem feindlichen Staat - zwischen dem Sudan und Israel bestehen keine diplomatischen Beziehungen - und die Angst ist groß, dass auch islamistische Extremisten unter den Flüchtlingen sein könnten, sagt Marc Regev, Sprecher des israelischen Außenministeriums. ”Jeder, der illegal die Grenze überquert, wird befragt. Zunächst um sicher zu stellen, dass sie kein Sicherheitsrisiko darstellen."

Danach werden sie vom UN-Flüchtlingshochkommissariat befragt, das dann feststellt, ob dem Flüchtling ein spezieller Status als Genozid-Flüchtling zugesprochen wird. Wenn ja, bekommen sie den Flüchtlingsstatus. Wenn nicht, dann fallen sie in die erste Kategorie der illegalen Einwanderer die aus wirtschaftlichen Gründen hierher kommen. Sie bekommen den Flüchtlingsstatus nicht.

Rückkehr wäre eine Katastrophe

Doch Israel tut sich gerade mit den Flüchtlingen aus dem Sudan schwer, sagt Sigal Rozen. Dabei sollte die Nationalität keine Rolle spielen, denn Israel hat die internationale Vereinbarung zur Flüchtlingsaufnahme unterzeichnet: "Als wir bei der Staatsgründung die Genfer Convention unterzeichnet haben, waren wir es, die den Artikel Nummer 44 gefordert haben: Der besagt, dass die Nationalität eines Asylsuchenden nicht ausschlaggebend sein darf, auch nicht, wenn er aus einem Feindesland stammt. Aber Israel will nicht verstehen, dass diese 'Enemy nationals', von denen die ganze Zeit geredet wird, eigentlich Opfer des sudanesischen Regimes sind.”

Ob aus der Krisenregion Darfur oder dem Südsudan: Kaum einer der Flüchtlinge hier kann sich vorstellen, je wieder in die Heimat zurückzukehren. Auch Akon nicht, obwohl der Krieg im Südsudan seit zwei Jahren beendet ist. Er hat schlichtweg Angst: “Wenn ich zurückgehe, dann werde ich bestraft. Wie könnte ich je in den Sudan zurückgehen? Ich will doch bleiben. Aber letztlich habe ich ja keine Wahl. Die Welt bleibt uns verschlossen, keiner hört uns zu, keiner fragt danach, was mit uns passieren wird. ”

Eine Wahl haben die Sudanesen wahrlich nicht: Im Sudan hat die Regierung bereits Strafen für Rückkehrer angekündigt, die sich in Israel aufgehalten haben. Auch eine Abschiebung nach Ägypten wäre für die Flüchtlinge eine Katastrophe: Denn viele befürchten, von dort aus wieder in den Sudan, womöglich in den Darfur, zurückgeschickt zu werden. So können alle hier nur hoffen, dass sie eine Chance auf einen Neuanfang bekommen: wenn nicht in Israel, dann in einem anderen Land.