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Stahlstandort Bochum

15. Dezember 2010

Trotz internationaler Konkurrenz: Qualitätsstahl aus Deutschland ist weltweit gefragt. ThyssenKrupp produziert alleine in Duisburg über 200 Sorten. In gigantischen Hochöfen geht es dabei höllisch-heiß zur Sache.

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Ein Stahlarbeiter im ThyssenKrupp-Werk in Bochum steht vor einer glühenden Stahlrolle (Foto: dpa)
Ein Stahlarbeiter steht vor einer glühenden StahlwalzeBild: dpa
Luftbild der Stahlstadt in Duisburg (Foto: Thyssen Krupp 2010)
Luftbild der Stahlstadt in DuisburgBild: ThyssenKrupp

Das Herz der deutschen Stahlindustrie schlägt nach wie vor in Duisburg. Gut ein Drittel des in Deutschland erzeugten Rohstahls stammt aus der Stadt im Ruhrgebiet. Den Großteil davon produziert die ThyssenKrupp Steel AG mit jährlich 14 Millionen Tonnen.

Schon von weitem gesehen krönen unübersehbar zwei gigantische Hochöfen das Produktionsgelände: Auf über neun Quadratkilometern dreht sich alles um Stahl - eine Stadt innerhalb der Stadt mit einem eigenen Hafen.

"Dieser Stahlstandort in Duisburg", erläutert Unternehmenssprecher Erwin Schneider, "ist ein integriertes Hüttenwerk". Das heißt, ein Werk mit einer eigenen Kokserzeugung. Koks, den man für die Befeuerung der Hochöfen benötigt, in denen aus Erz Roheisen erschmolzen wird und das man dann zu Stahl verarbeitet. In einem nächsten Produktionsschritt erfolgt die Bearbeitung zu unterschiedlichen Stahlsorten. An allen Produktionsphasen sind in Deutschlands größtem Hüttenwerk rund 14.000 Mitarbeiter beteiligt.

Weltweite Nachfrage

Der größte Hochofen von ThyssenKrupp. (Foto: Thyssen Krupp 2010)
Kapazität von 12.000 Tonnen Roheisen täglich - der größte HochofenBild: ThyssenKrupp

Qualitätsstahl aus Deutschland ist weltweit gefragt. Und davon, merkt Markus Tenhonsel beim Gang durch das Hüttenwerk an, habe ThyssenKrupp eine Menge zu bieten. "Es gibt über 2.000 verschiedene Stahlsorten, wobei wir hier einige hundert zu bieten haben." Das beginnt schon bei der Abmischung der Zutaten in den riesigen Hochöfen. "Unsere beiden Hochöfen in Duisburg gehören zu den größten der Welt: Der eine hat eine Produktionskapazität von 10.000 Tonnen Roheisen täglich, der andere hat eine Kapazität von 12.000 Tonnen", betont Erwin Schneider.

Und diese gigantischen Hochöfen werden im Dreischichtenbetrieb rund um die Uhr gefahren. Gesteuert werden die Öfen in einer Messwarte. Deren Mitarbeiter sind mittels digitaler Überwachung auf Bildschirmen per Knopfdruck in der Lage, die Füllungsmischung zwischen Heißluft, Erz und Kokskohle bei über 1.600 Grad auf zehn Kilogramm genau zu abstimmen.

Nur zur Verdeutlichung der Dimensionen: Um eine Tonne Roheisen zu erzeugen, benötigt man 1,5 Tonnen Koks - und reichlich Erfahrung. Über die verfügt Holger Reupke. Roheisen- und Stahlerzeugung hat er in 26 Jahren von der Pike auf gelernt: "Man fängt eigentlich ganz klein an – nämlich an der Schüppe an und arbeitet sich langsam hoch."

Spektakel feuerspeiender Elemente

Ein Stahlarbeiter nimmt eine Probe am Hochofen von ThyssenKrupp (Foto: ap)
Ein Stahlarbeiter nimmt eine Probe am HochofenBild: AP

Bis hinauf in die Messwarte. Nur so kann man wissen, wann die Zeit für den Abstich einige zehn Meter tiefer gekommen ist. "Und der", beschreibt Markus Tenhonsel das Schauspiel in sicherer Entfernung zu den Gräben, durch die das glühend heiße Roheisen abfließt, "dauert rund zwei Stunden". An punktgenau vorgegebenen Löchern frisst sich ein Bohrer durch die Ofenwand. Durch Lochöffnungen von gerade einmal 60 Millimetern.

Ein solcher Hochofenabstich ist bei allem technischen Fortschritt noch immer ein Spektakel feuerspeiender Elemente. "Dann haben wir hier einen Riesenfunkenregen, dann laufen da in jeder Minute bis zu fünf Tonnen Roheisen durch diese kleine Abstichöffnung."

In sogenannten Torpedowagen, die unter den Abstichgräben auf Schienen warten, wird die glühende Masse zum Stahlwerk transportiert. Dort, beschreibt Stahlwerker Frank Ummek, geht es erst einmal in die Feinschwefelanlage. "Das Roheisen, das wir angeliefert bekommen, können wir so nicht verarbeiten. Der Schwefelgehalt ist zu hoch da drin. Und in dieser Anlage wird mittels einer Lanze, die wir in das Roheisen einfahren, und einem Kalk-Magnesium-Gemisch der überschüssige Schwefel gebunden.“

Für jeden Kunden der gewünschte Härtegrad

Auf der Oberfläche der Schmelzmasse bildet sich allmählich sichtbar Schlacke, die abgezogen wird. Und erst danach geht es rumpelnd und zischend weiter in den nächsten heißen Ofen, den 265 Tonnen schweren Konverter. "Dann ist unser Eisen soweit vorbereitet, dass wir es für den Blasprozess, also im Konverterbetrieb verarbeiten können, so dass wir später auch den Schwefelwert einstellen können, der für das Endprodukt maßgeblich ist."

Denn schon bevor im Konverter eine genau zugeteilte Menge Stahl-Schrott von 60 Tonnen zugemischt wird, steht fest, für welchen Kunden der Stahl darüber hinaus besondere metallurgische Zusatzstoffe beigemengt bekommt. Oder wie es Markus Tenhonsel formuliert: "Das ist wie beim Suppekochen. Ich brauche die Gewürze, die letztlich die Sorte bestimmen."

Technischer Vorsprung zählt

Die Automobilindustrie etwa benötigt für Chassis, Federbeine oder tragende Teile ihrer Fahrzeuge andere Stahlsorten mit anderen Härtegraden als Kunden aus der sogenannten "weißen" Industrie, die Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen oder Wäschetrockner herstellen. Oder Abnehmer von Baustählen. Erst wenn die kundengerechte Zusammensetzung der heißen Stahlsuppe stimmt, kann die Endproduktion beginnen.

Weltweit, so Unternehmenssprecher Erwin Schneider, wird besonders hochwertiger Stahl in einer Größenordnung von jährlich 250 Millionen Tonnen gehandelt. Und durch den technologischen Vorsprung ist man bei ThyssenKrupp Steel zuversichtlich, sich wenigstens zehn Prozent dieses Kuchens langfristig sichern zu können.

Autor: Klaus Deuse

Redaktion: Klaus Ulrich