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"Stalin-Rasen" und Maueralltag

7. November 2014

In der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße bekommt man einen Einblick in das brutale DDR-Grenzregime. Am Sonntag eröffnet die neue Dauerausstellung.

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Der Grenzstreifen an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße. Bild: Fenja Wiechel-Kramüller/ DW
Blick vom Museum auf den GrenzstreifenBild: DW/F. Wiechel-Kramüller

Wer auf den "Stalin-Rasen" trat, hatte schon verloren und zog sich zudem schlimmste Verletzungen zu. Die zwei Quadratmeter großen Metallmatten mit 14 Zentimeter aufragenden Stahldornen wurden von den DDR-Grenztruppen hinter der Hinterlandmauer eingegraben.

18.800 dieser "Flächensperren", so die offizielle DDR-Bezeichnung, gab es Ende der 1980er Jahre rund um Berlin, wie der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, am Mittwoch in Berlin berichtete. Wem es beim Versuch, von Ost- nach West-Berlin zu flüchten, gelungen war, unbemerkt die Hinterlandmauer zu überwinden, wurde dann von den aus Boden ragenden Dornen zu Fall gebracht und durchspießt.

Ein verrostetes Exemplar dieses "Stalin-Rasens" empfängt den Besucher in der neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte Berliner Mauer, die pünktlich zum Mauerfall-Jubiläum am Sonntag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnet wird. Für Klausmeier zeigt diese Stahlmatte exemplarisch die "ganze Mittelalterlichkeit und Brutalität dieser Grenze".

Gesamtdeutsche Geschichte im Blick

Die völlig neu konzipierte und vergrößerte Ausstellung im Dokumentationszentrum an der Bernauer Straße bietet auf 420 Quadratmetern einen Rundgang von der Vorgeschichte des Mauerbaus über das Leben in der geteilten Stadt in Ost und West bis zum Mauerfall am 9. November 1989. Erzählt werde die "gesamtdeutsche und gesamtberlinerische Geschichte", sagte Klausmeier.

Touristen besichtigen am die Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin. Foto: Wolfgang Kumm dpa
Mauergedenkstätte: Wo vor 25 Grabesruhe herrschte, tummeln sich heute die TouristenBild: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Beantwortet würden grundlegende Fragen wie "Warum wurde die Mauer gebaut?", "Warum stand sie 28 Jahre?" und "Warum ist sie wieder gefallen?", so der Historiker. Die rund 590 Exponate, darunter zahlreiche historische Filme und Tonaufnahmen dokumentierten, wie viel Gemeinsamkeiten Ost- und West-Berlin noch bis zum Mauerbau am 13. August 1961 hatten, wie sich beide Teile danach mit der Mauer im Alltag einrichteten und welche Versuche es immer wieder gab, die tödliche Grenze zu überwinden.

Einzelschicksale geben der Geschichte ein Gesicht

Dazu gibt es an Hörstationen 20 Zeitzeugen-Interviews mit Akteuren wie dem Filmregisseur Konrad Weiß, dem Stasi-Bundesbeauftragten Roland Jahn, Fluchthelfern oder dem von der Stasi aus West-Berlin entführten Journalisten Karl Wilhelm Fricke. Weitere Biografien, wie die von Werner Coch, der 1962 bei einem Fluchtversuch durch einen Tunnel erwischt wurde und dafür in den Knast wanderte, illustrieren die vielen persönlichen Verwerfungen, die auf das Konto des DDR-Grenzregimes gingen.

Ein Mann geht am "Fenster des Gedenkens" an der Gedenkstaette Berliner Mauer entlang. (apn Photo/Sebastian Willnow)
Fenster des Gedenkens: Die Freiluftausstellung an der Bernauer Straße gedenkt bereits jetzt der MauertotenBild: AP

Für die neue Dauerausstellung wurde das Dokumentationszentrum in den vergangenen zwölf Monaten grundlegend saniert und umgebaut. In die Front des früheren Gemeindehauses der evangelischen Versöhnungsgemeinde wurden große Fenster eingelassen, die auf allen Etagen den Blick auf das Hauptexponat der Ausstellung freigeben, wie Klausmeier betonte: die auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehende originale Mauer. Neben der überholten Dauerausstellung wurde auch das Außengelände der Gedenkstätte erweitert und umfasst jetzt knapp fünf Hektar. Die Kosten von drei Millionen Euro teilten sich Bund, Land und die Lottostiftung. Ein Gedenkareal dieser Größe mitten in der Stadt gebe es in keiner anderen europäischen Metropole, sagte Klausmeier: "Das zeigt, welchen Stellenwert auch die zweite deutschen Diktatur in der Gedenkpolitik Berlins hat."

Markus Geiler (epd)