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Standpunkt: Ebola den Krieg erklären

Claus Stäcker16. September 2014

Wie in fast allen humanitären Krisen reagiert die Welt auch auf Ebola viel zu zögerlich. Die USA wollen die Seuche jetzt mit militärischen Mitteln besiegen. Die EU und Deutschland sollten folgen, findet Claus Stäcker.

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Helfer in Schutzkleidung transportieren Leichen von Ebola-Opfern ab Foto:
Bild: Reuters/James Giahyue

Es dauert lange, bis afrikanische Dramen die politischen Bühnen Europas erreichen. Jede humanitäre Notsituation zeigt es wieder. Ob Flut, Hunger, Aids oder jämmerlich ertrinkende Flüchtlinge im Mittelmeer. Europa duckt sich weg, bis politisches Handeln unvermeidbar geworden ist. Die Ebola-Krise ist der neueste, in seiner Dramatik kaum zu übertreffende Beleg für das Zaudern. Selbst hartgesottene Ärzte, Helfer und Journalisten haben eine derart gravierende und komplexe Notsituation noch nicht erlebt. Seit Wochen schildern Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" die dramatischen Umstände, prangern die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft an. Infizierte müssen abgewiesen werden, Behandlungszentren verbarrikadieren sich, Ärzte und Schwestern sterben oder bringen sich in Sicherheit. Leichen bleiben einfach auf der Straße liegen. Halbe Regierungen setzen sich ins Ausland ab, Ökonomien kommen zum Erliegen, die schwachen Sozialsysteme brechen endgültig zusammen. Die Zahl der Toten - 2500 inzwischen - aber hat immer noch nicht alle wachgerüttelt.

"Katastrophe ohne Beispiel"

Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von einer "Krise ohne Beispiel in der Neuzeit". Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe, Valerie Amos, warnt vor einem "Kollaps" der betroffenen westafrikanischen Staaten. In verzweifelten Briefen bat Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf Staatsregierungen von Australien bis Russland um Unterstützung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb sie direkt an: "Ohne mehr Hilfe von Ihnen werden wir diese Schlacht verlieren."

Deutsche Welle Claus Stäcker
Claus Stäcker, Leiter der Afrika-Abteilung der DWBild: DW

Luftbrücken müssen her, medizinisches Personal, mobile Krankenhäuser und Behandlungszentren. Die Aufklärungsversuche lokaler Medien müssen unterstützt werden. Die Vereinten Nationen beziffern den akuten Mittelbedarf auf fast 800 Millionen Euro, die Hälfte, knapp 400 Millionen davon in Liberia. Zugesagt ist bisher nicht mal ein Drittel. Die Bundesregierung versprach zunächst 2,7 Millionen Euro, stockte dann um weitere 9 Millionen auf. Weitere Hilfen würden geprüft, heißt es.

Krieg mit friedlichen Mitteln

Das wird auch höchste Zeit. Die USA zeigen, wie es geht. Anders als bei vergangenen Militärinterventionen Washingtons dürfte die Entsendung von 3000 US-Soldaten samt Zelten, Betten und medizinischem Gerät nach Liberia kaum auf Kritik stoßen. Der Armeeeinsatz ist probat: Transportlogistik und klare Befehlsketten beschleunigen den Kampf gegen die Seuche. In der Not rücken sogar historische Feinde zusammen. Kuba hat offiziell 165 Ärzte entsandt. China will 59 Gesundheitsexperten schicken. Sogar Malaysia liefert: 21 Millionen Gummihandschuhe. Endlich rückt das Sterben der Afrikaner ins Rampenlicht – auch in Europa, das sich in Sachen Ebola noch sortiert. Bis Ende des Jahres könnte sich die Zahl der Infizierten in Westafrika auf 20.000 vervierfachen, warnen die UN. Und noch immer ist jeder einzelne Kranke todgeweiht. Völlig zu Recht wundert sich die spendenfinanzierte Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", warum sie in den Ebola-Ländern bis heute die meisten Krankenbetten stellt. Ihre Freiwilligen leisten schier Übermenschliches; und Unmenschliches erleiden ihre Patienten. Und erst recht die Abgewiesenen.

Selbst wenn das System der Not- und Entwicklungshilfe dafür auf den Kopf gestellt werden muss: Es muss möglich sein, mehr zu tun als bisher. Und sei es mit der Infrastruktur des Krieges - mit Lazarett-Schiffen, Sanitäts-Zelten und Luftbrücken. Die US-Armee fängt mit 17 mobilen Kliniken an - keine Rettung, aber Hoffnung für 1700 Menschen und ihre Angehörigen. Ein Signal, das aus Europa noch fehlt.